Die vielen Vorteile von Verkehrsberuhigung

Wo sind die nächsten Fußgängerzonen in Ihrer Wohnumgebung? Wo ist der nächste verkehrsberuhigte Platz? Wie viele begrünte Straßen und Gassen gibt es in Ihrer Nähe? Wie sieht es mit guten Radwegen aus? – Leben Sie zentral in einer Stadt, dann ist die Chance groß, dass Ihnen gar nicht so viele Beispiele einfallen.

Dabei hat Verkehrsberuhigung viele Vorteile: mehr Platz für Menschen und Begrünung, weniger Lärm, mehr Umsatz für Geschäfte, mehr Sicherheit im Verkehr und ein schöneres Straßenbild.

Dieser Artikel wurde seit dem Erscheinen (2021) mehrfach aktualisiert (zuletzt im April 2024).

Begegnungszone vor dem Raimundhof, Mariahilferstraße, Wien, Verkehrsberuhigung
Verkehrsberuhigung hat viele Vorteile - und ist auch einfach schön. (Foto: Mariahilfer Straße, Wien, 2020)

Fußgängerzonen, Begegnungszonen (shared space, alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt) und Radwege sind in Medien und Lokalpolitik regelmäßig ein Thema. So entsteht mitunter der Eindruck, als seien viele Straßen und Plätze ohnehin schon entsprechend (um)gestaltet. Davon kann bei näherer Betrachtung aber keine Rede sein.

Die Realität in Wien: Nur 1% aller Verkehrsflächen sind Fußgängerzonen. Baulich ausgeführte – also sichere – Radwege fehlen vielerorts. Sie machen nur 1,1% der öffentlichen Verkehrsflächen aus. In vielen Straßen und Gassen gibt es keine Bäume. Die meisten Straßen sind in erster Linie auf die Bedürfnisse des Pkw-Verkehrs ausgerichtet, mit allen Folgen: Viel Asphalt (Hitzeproblem), z. T. wenige Bäume, oft wenig Platz für Fußgänger und ein unattraktives Straßenbild. Doch diese Probleme lassen sich mit etwas politischem Willen durchaus lösen.

Verkehrsberuhigung ist besonders in zentralen und dicht bebauten Gegenden relevant: Wo viele Menschen auf engem Raum leben, arbeiten und einkaufen, muss der öffentliche Raum anders gestaltet sein als in peripheren Gebieten oder am Land. Bei allen hier vorgestellten Punkten liegt der Fokus also auf dem dichten (groß-)städtischen Raum. Dass sich der motorisierte Verkehr nicht auf jeder Straße und auf jedem Platz reduzieren lässt, versteht sich von selbst. Einen gewissen Autoverkehr – Autos für ältere Menschen und Gehbehinderte, Einsatzfahrzeuge, Lieferverkehr, usw. – wird es immer geben. Durch Verkehrsberuhigung, gute öffentliche Verkehrsmittel und kluge Stadtplanung lassen sich aber viele Fahrten vermeiden. Das auch zum Vorteil für jene Personen, die auf das Auto angewiesen sind. Sie haben dann weniger unter Stau zu leiden.

Vorteile von Verkehrsberuhigung

Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die Vorteile von Fußgänger- und Begegnungszonen, Radfahren, Tempo 30 und den Nutzen von Umgestaltungen des öffentlichen Raums. Zitate aus Studien und Medienberichten finden sich weiter unten. Die zentralen Punkte:

  1. Verkehrsberuhigung ist sozial: Werden die für den Kfz-Verkehr reservierten Flächen reduziert, kann der öffentliche Raum besser von den Bewohnern der umliegenden Häuser genutzt werden. So haben auch Menschen mit kleinen Wohnungen und wenig Einkommen mehr von der Stadt.
  2. Verkehrsberuhigung schafft mehr Platz für andere Nutzungen (breitere Gehsteige, Bänke, Radwege, Begrünung usw.)
  3. Langsamer ist besser: In verkehrsberuhigten Straßen und bei Tempo 30 gibt es weniger Verkehrslärm, die Verkehrssicherheit ist höher.
  4. Umgestaltungen sind beliebt
  5. Umgestaltete und begrünte Straßen und Plätze sind schöner.
  6. Schutz gegen Hitze: Weniger Platz für Pkw bedeutet meist auch weniger Asphalt und mehr Platz für Bäume und Begrünung.
  7. Verkehrsberuhigung lohnt sich: der Umsatz von Geschäften steigt, der Leerstand ist geringer. (Nur eine kleine Minderheit der Kunden kommt mit dem Auto, die allermeisten kommen zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.)
  8. Radfahren wird attraktiver, wenn der motorisierte Verkehr nicht mehr überall privilegiert wird. Und Radfahren ist kostengünstig, platzsparend und positiv für die lokale Wirtschaft.
Mariahilfer Straße, Verkehrsberuhigung, Begegnungszone, Wien
Verkehrsberuhigung hat viele Vorteile. (Foto: Mariahilferstraße, Wien)

(1) Verkehrsberuhigung ist sozial

Verkehrsberuhigung hat einen stark unterschätzten sozialen Aspekt, der sich etwa so umreißen lässt:

  • Wer weniger Vermögen hat, wohnt in beengteren Verhältnissen.[4]
  • Viele Wohnungen haben keine Balkone oder Terrassen. Private Grünflächen sind im innerstädtischen Umfeld rar.
  • Die Höfe vieler Häuser sind verbaut, asphaltiert, oder werden als Parkplätze genutzt. So bietet selbst der geschützte Platz im Hof keine Aufenthaltsqualität und hilft nicht gegen sommerliche Hitze.
  • Viele Menschen finden außerhalb ihrer Wohnung nur wenige Freiflächen vor. Sie sind stärker durch sommerliche Hitze belastet.
  • Besonders Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien sind auf öffentliche Parkanlagen, Plätze und Freiflächen im öffentlichen Raum angewiesen.[4]
  • Wohlhabendere Menschen können sich vor der Hitze leicht schützen: Sie können ihren Wohnort wechseln, Urlaub machen und auf einen Zweitwohnsitz ausweichen. – Personen/Familien mit geringem Einkommen können das nicht. Der Schutz vor Hitze muss also durch die Gemeinde erfolgen. Und dieser Schutz ist am effektivsten per Begrünung zu erreichen.
  • Der Pkw-Verkehr verursacht hohe gesamtgesellschaftlich Kosten. Viele Kosten werden nicht durch den Fahrer/Besitzer getragen, sondern durch die Gesellschaft. Die „externen Kosten“ umfassen: Belastungen des Gesundheitssystems, Unfälle, Straßenbau, Umweltschäden und Bodenversiegelung und deren Folgen. Zudem werden Autofahrten direkt gefördert, durch die Pendlerpauschale (die Zersiedlung und Bodenverbrauch fördert und einkommensstärkere Personen bevorzugt) und durch Steuererleichterungen bei Firmenfahrzeugen.
  • Investitionen in Verkehrsberuhigung und öffentlichen Verkehr schaffen viele Arbeitsplätze – im Verhältnis mehr als durch den Straßenbau und den Kauf von Autos entstehen.
  • Die Straßen und Plätze der Stadt sind öffentlich – aber sie sind aufgrund der Privilegierung des Pkw de facto privatisiert und sind für viele Menschen nur sehr beschränkt nutzbar (verparkte Straßen, breite Fahrbahnen).

Der öffentliche Raum hat eine elementare gesellschaftliche Bedeutung:

Plätze, Straßen und Parks sind von jeher Orte für Begegnung und Austausch, für Erholung und Inspiration, für Arbeit und Konsum, für Kultur und politische Aktionen, für Bewegung und Transport. Dabei teilen sich unterschiedlichste Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen den, in dichtbesiedelten Stadtteilen oft knappen öffentlichen Raum. Konflikte sind dabei unumgänglich. Gleichzeitig wird Öffentlicher Raum damit zum Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung und zum „Übungsplatz“ für Toleranz und sozialen Zusammenhalt in einer demokratischen Stadtkultur. Darüber hinaus wird die Stadt durch den unbebauten Öffentlichen Raum in erkennbare Einheiten gegliedert und „zusammengehalten“. Der gestaltete öffentliche Raum bildet Adressen, trägt zur Identität der Stadt oder eines Stadtteils bei und wird so zum Standortfaktor für unterschiedlichste Nutzungen (…) Öffentlicher Raum ist ein entscheidender Faktor der urbanen Lebensqualität und unterstützt die Nutzbarkeit der Stadt. [12]

Ein Verkehrsmittel, das den öffentlichen Raum dominiert

Der Wiener Integrationsmonitor – eine umfangreiche sozialwissenschaftliche Studie – über das Platzproblem:

Der öffentliche Raum ist vor allem im dicht bebauten Gebiet kostbar. Gerade Menschen mit geringeren Einkommen sind auf ihn angewiesen, da sie nicht so gut in der Lage sind „auszuweichen“ oder mit Kosten verbundene Freizeitangebote in Anspruch zu nehmen. Sie leben hauptsächlich in weniger mit Grünraum versorgten Wohngebieten und fordern zusätzliche Grünflächen oder angenehmere öffentliche Freiräume öfter ein als Menschen mit höheren Einkommen (…)

Die autogerechte Stadt ist noch dominant, obwohl sich besonders in den Städten deren Bedeutung stark verändert. Während sich die einen weder einen Balkon noch einen Garten leisten können, stellen andere ihr wenig ausgelastetes privates Automobil einfach im öffentlichen Raum ab. [4]

Der öffentliche Raum in Wien sieht nicht selten so aus wie auf der Fotostecke unten:

Wie sich der öffentliche Raum durch Verkehrsberuhigung und Begrünung aufwerten lässt, zeigt sich beispielsweise vor der Wiener Karlskirche. Wo früher Autos parkten und fuhren, ist heute ein lebendiger Platz.

Karlskirche, Karlsplatz früher und heute, Wien
Verkehrsberuhigung schafft Platz. (Foto: Karlsplatz; links: Inkey Tibor, Fortepan 120805; rechts: Gryffindor, CC BY-SA 3.0)

Viel Autoverkehr - wenig soziale Interaktion

Das Verkehrsaufkommen in einer Straße hat Konsequenzen für die dort wohnenden Menschen, wie eine berühmte Studie des Stadtforschers Donald Appleyard aus den 1960ern zeigt. Er verglich Straßen in San Francisco mit wenig Verkehr („light street“ – weniger als 2000 Fahrzeuge pro Tag), mittlerem Verkehr („medium street“ – 8000 Fahrzeuge pro Tag) und starkem Verkehr („heavy street“ – 16.000 Fahrzeuge pro Tag):

Seine Untersuchungen ergaben, dass die Bewohner der Light Street drei Mal mehr Freunde und doppelt so viele Bekannte hatten wie die Bewohner der Heavy Street. Außerdem schrumpfte der Raum, den die Menschen als ihr Umfeld betrachteten, mit zunehmendem Verkehrsaufkommen. Appleyard vermutete, dass diese Ergebnisse miteinander zusammenhängen und darauf hindeuten, dass die Bewohner der „Heavy Street“ gerade deshalb weniger Freunde und Bekannte hatten, weil es weniger eigenes Gebiet (Austauschraum) gab, in dem sie sozial interagieren konnten.

Die Light Street war eine eng vernetzte Gemeinschaft. Die Haustreppen wurden zum Sitzen und Plaudern genutzt, die Bürgersteige zum Spielen für Kinder und zum Stehenbleiben für Erwachsene, vor allem in der Nähe des Ladens an der Ecke, und die Fahrbahn für Kinder und Jugendliche, um aktivere Spiele wie Fußball zu spielen. Außerdem wurde die Straße als Ganzes gesehen, und kein Teil war tabu.

In der Heavy Street hingegen gab es nur wenige oder gar keine Aktivitäten auf dem Bürgersteig und sie diente lediglich als Korridor zwischen dem Schutzraum der einzelnen Häuser und der Außenwelt. Die Bewohner blieben weitgehend unter sich, und es gab praktisch kein Gefühl der Gemeinschaft. Besonders auffällig war der Unterschied in der Wahrnehmung und Erfahrung von Kindern und älteren Menschen in den beiden Straßen (…) [24]

Menschen in Stadtvierteln, die für Fußgänger attraktiv sind, interagieren mehr mit anderen Personen. Ob es sich um eine kausale oder korrelative Verknüpfung zwischen gebauter Umwelt und Sozialverhalten handelt, geht aus der hier zitierten Studie nicht hervor:

Die meisten heutigen Vorstädte bieten wenig Raum für soziale Interaktion. Soziale Interaktion findet eher auf Einladung statt, nicht durch zufällige Begegnungen. Das Leben soll sich im Haus oder im Hinterhof abspielen. (…) Geschäfte an der Ecke, Kneipen, Cafés und manchmal auch Schulen und Parks gibt es in der Nachbarschaft oft nicht (…) Die meisten modernen, vom Auto abhängigen Vorstädte sind keine Orte, die soziale Interaktion fördern (…)

Je besser ein Viertel zu Fuß erreichbar ist (und je mehr Orte man zu Fuß erreichen kann), desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Bewohner seine Nachbarn kennt. (…) Je höher die Befragten die fußläufige Erreichbarkeit eines Viertels einstuften, desto eher waren sie bereit, sich politisch zu engagieren (…) und Vertrauen in andere zu haben (…) Je mehr Orte die Befragten angaben, in ihrer Nachbarschaft zu Fuß erreichen zu können, desto wahrscheinlicher war es, dass sie sich mit anderen sozial engagierten (…) [25]

(2) Verkehrsberuhigung schafft Platz

Werden die Flächen im öffentlichen Raum anders verteilt, ergeben sich neue Nutzungsmöglichkeiten:

  • Laut Umfragen wünschen sich die Bewohner in Wien vor allem einen attraktiveren öffentlichen Raum mit mehr Grünflächen, begrünte Innenhöfe und mehr Sitzgelegenheiten: „Es besteht eine starke Korrelation zwischen Elementen, welche die Lebensqualität erhöhen, und Elementen, welche das zu Fuß Gehen fördern.“[13]
  • Die Menschen gehen gerne zu Fuß, wenn folgende Punkte gegeben sind: attraktive Umgebung, gut beleuchtete und barrierefreie Gehsteige, getrennte Rad- und Gehwege, gute Ampelregelungen, niedriges Fahrtempo von Kfz.[13]
  • Von einer Umnutzung der öffentlichen Flächen von Parkplätzen hin zu Begrünung, Radwegen und dergleichen profitieren mehr Leute, als von Parkplätzen auf der Straße.

Öffentlicher Raum ungerecht verteilt

Zwei Drittel der Verkehrsflächen in Wien sind für Fahrbahnen und Parkplätze reserviert. Was in Randlagen und weniger dicht bebauten Bezirken nicht so negativ auffällt, ist in zentraleren Lagen ein großes Problem: Durch die höhere Bevölkerungsdichte ist der Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum höher. Besteht dieser aber nur aus weiten Flächen für Kfz, schränkt das viele Menschen ein. Freilich wird es immer eine gewisse Fläche für den motorisierten Verkehr brauchen (für Lieferanten, Einsatzfahrzeuge, Handwerker, Behindertentransporte und dergleichen). Zwei Drittel des Straßenraums sind das aber kaum.

Die ungerechte Verteilung des öffentlichen Raums geht bis in die Details der Straßengestaltung hinein:

Straße ohne Verkehrsberuhigung, Gumpendorfer Straße, 1060 Wien
Viele Straßen und Gassen in Wien sind so wie die Gumpendorfer Straße gestaltet. (Foto: 2021)

Hohe Bevölkerungsdichte - wenige Pkw

Der Pkw-Besitz im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Motorisierungsgrad) ist in den zentraleren Bezirken besonders gering. Die Grafik unten zeigt:

  • In den Bezirken innerhalb und um den Gürtel gibt es im Verhältnis wenige Kfz.
  • Auch Firmenfahrzeuge fallen unter die Statistik (würden bloß Pkw von Privatpersonen eingerechnet, wären die Zahlen niedriger).
  • Die hohe Kfz-Dichte im 1. Bezirk kommt durch Firmenwagen (die aber wohl meist gar nicht im Bezirk stehen) und die z. T. geringe Einwohnerzahl zustande.
  • Besonders viele Kfz gibt es dort, wo die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln unzureichend ist.

Daraus folgt:

  • Der öffentliche Raum in den zentralen Bezirken ist besonders ungerecht verteilt.
  • Im Verhältnis wenige Pkw gibt es aber u. a. dort, wo Pkw im öffentlichen Raum viel Platz eingeräumt wird.
  • Wer kein eigenes Auto hat, wird benachteiligt. Das sind 50% aller Haushalte (Daten von 2021).
  • Die Umgestaltung des öffentlichen Raums muss in allen Gebieten mit geringem Motorisierungsgrad (gelbe Flächen auf der Karte) besonders vorangetrieben werden.
Kfz-Statistik, Wien, Karte, Anzahl der privaten PKW pro 1000 EW
Motorisierungsgrad in Wien: je heller, desto weniger Kfz pro Einwohner (Karte: MA 18, Stadt Wien)

Pkw brauchen Platz

Dem ruhenden Pkw-Verkehr wird eine bevorzugte Position im öffentlichen Raum eingeräumt:

  • Ein Parkplatz nimmt rund 10 m² öffentlichen Raum ein.[12]
  • Ein Auto ist 95% der Zeit geparkt, wird also gar nicht genutzt.[12] Durch Carsharing ließe sich dieses Problem reduzieren, da solche Fahrzeuge mehr in Bewegung sind.
  • Ein fahrendes Fahrzeug ist selten voll besetzt. Durchschnittlich sitzen 1,3 Personen (Daten von 2019) bzw. 1,14 Personen (2024) in einem Pkw. Der Besetzungsgrad geht seit Jahren zurück. Demnach transportieren immer mehr Autos durchschnittlich immer weniger Personen – bei gleichbleibendem Platzbedarf und wachsender Bevölkerung.[14,15]
  • Ein Parkplatz bietet einen Vorteil für wenige oder gar nur eine einzige Person. Für alle anderen ergeben sich u. U. Nachteile.
  • Städte geben Platz im öffentlichen Raum kostengünstig für das Abstellen von Fahrzeugen her. Dieser Platz fehlt für andere Nutzungen:

Die Nutzung des Straßenraums für das Abstellen von (privaten) Kraftfahrzeugen ist kritisch zu sehen, weil dadurch Privaten während der Zeit des Parkens eine alleinige (…) Nutzung von öffentlichem Raum zugestanden wird. (…) In diesem Sinne ist die Parkraumbewirtschaftung mit einer kommerziellen Nutzung vergleichbar: Öffentliche Flächen werden für private Nutzungen gegen Entgelt oder auch ohne Gebühren überlassen und der Allgemeinheit entzogen (…) [12]

Die Fotostrecke unten zeigt einige Straßen in dicht bebauten Bezirken Wiens (siehe Wiener Querschnitte):

In Wien ist die Schieflage in der Verteilung des Straßenraums schon lange bekannt. Eine Beamtin des Planungsressorts sagte 2017:

Wir kennen den Straßenraum so: In der Mitte fahren die Autos, links und rechts wird geparkt und die Fußgänger müssen sich mit einem relativ schmalen Raum dazwischen zufriedengeben. Obwohl der Anteil des Autoverkehrs bei 27 Prozent liegt, benötigen sie 65 Prozent der Fläche. Der Großteil der Wege wird aber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt. Wir versuchen daher, die Flächen, die zurzeit dem Autoverkehr zur Verfügung stehen, für andere Zwecke zu verwenden, etwa für Radwege oder breitere Gehsteige. Die Mariahilfer Straße beispielsweise befindet sich in einem dicht bebauten Gebiet, dort kann man keine neuen Parks bauen, aber einen attraktiven Freiraum anbieten. [8]

Die Grafik unten zeigt den Platzbedarf pro Person bei Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern. Detailliertere Grafiken finden sich hier und hier.

Eine von der niederländischen Stadt Delft herausgegebene Grafik (siehe unten) verdeutlicht den Platzverbrauch pro Person.[1]

Balkendiagramm
Platzbedarf von Verkehrsmitteln - "inzittende" = "Insassen", "Fiets" = "Fahrrad", "Voetganger" = "Fußgänger", "lopend" = "gehend" (Grafik: Mobiliteitsplan Delft 2040, S. 12)
Der hohe Platzbedarf des Kfz-Verkehrs hängt auch mit dem immer wieder gebrachten Argument zusammen, man müsse mehr Straßen bauen, um Verkehrsprobleme zu lösen. Dabei ist das oft selbst das Problem, so der Mobilitätsforscher Stefan Bratzel:
Wenn eine neue Kapazität geschaffen wird – zum Beispiel eine neue Straße oder eine neue Spur auf der Autobahn –, gibt es aus drei Gründen mehr Verkehr. Der erste: Die Leute, die vorher andere Routen benutzt haben, nutzen jetzt diese neue oder breitere Straße, weil ihre Fahrzeit da geringer ist. Der zweite Effekt entsteht durch Fahrten, die vorher gar nicht gemacht wurden, weil es zu lange gedauert hätte. Und der dritte Effekt ist langfristig und strukturell. Weil ich neue Verkehrsadern geschaffen habe, wird es attraktiver, weiter weg zu wohnen. Die Wege zur Arbeit und zu Freizeitaktivitäten werden länger. Und schon ist die neue Straße wieder voll. Dann versucht man, auch diesen Stau wieder durch Straßenausbau zu beheben. [16]

Andere Nutzungen sind möglich

Werden Flächen neu genutzt, beispielsweise durch Reduktion von Parkplätzen und Verschmälerungen von Fahrbahnen, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten.

  • Der Platz, den ein parkender PKW auf der Straße benötigt, könnte auch für Bäume, Gastgärten, Bänke und Platz zum Gehen genutzt werden.
  • Ein PKW-Stellplatz nimmt genauso viel Raum ein wie zumindest sechs abgestellte Fahrräder.[9] Ein abgestelltes Fahrrad hat einen Platzbedarf von zumindest 1,3 m².[10]
  • Auch ein sicherer Radweg kann anstatt eines Parkstreifens gebaut werden – so können auch Kinder und ältere Menschen das Fahrrad im Alltag gefahrlos nutzen. Im besten Fall reduziert der Umstieg auf das Rad auch den Pkw-Verkehr, was für alle, die auf das Auto angewiesen sind, wiederum vorteilhaft ist.
  • Haltezonen usw. können für Handwerker, Lieferanten etc. eingerichtet werden. Damit ist es für solche Dienstleister noch einfacher, direkt bis zum gewünschten Ort zu kommen. Sie leiden nicht mehr unter zugeparkten Straßen.
Verkehrsberuhigung, Neubaugasse, Begegnungszone, Geschäfte, "Wald & Wiese", "Freitag"
Die Neubaugasse (1070 Wien) wurde 2020 zur Begegnungszone umgebaut.

Selbst wenn nur kleine Flächen von Kfz zu Fußgängern hin umverteilt werden, ergeben sich Möglichkeiten für Verbesserungen. Hier ein Beispiel aus der Burggasse im 7. Bezirk, wo eine Nebenfahrbahn und Parkstreifen zu einem breiten Gehsteig mit Begrünung umgebaut wurden:

Ruth-Klüger-Platz, vor und nach der Umgestaltung
Burggasse (Ruth-Klüger-Platz) vor und nach der Umgestaltung

Auch wenn es sich natürlich um ganz unterschiedliche Fahrzeuge mit unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten handelt, zeigt der Vergleich unten doch, wie wenig Platz das Fahrrad im Vergleich benötigt. Das ist besonders bei Abstellflächen im öffentlichen Raum relevant, der in der dichten Stadt immer unter hohem Nutzungsdruck steht.

Grafik, die den Platzverbrauch eines Autos im Vergleich zu Fahrrändern darstellt
Grafik: "Radverkehr in Zahlen" (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, 2013, S. 120)

(3) Langsamer = besser

Niedrige Tempolimits in Städten und die Schaffung von Begegnungszonen und Fußgängerzonen sind sinnvoll. Denn wenn zu schnell gefahren wird bzw. werden darf, ist das mit schwerwiegenden Konsequenzen verbunden: Höheres Unfallrisiko, mehr Lärm, Entwertung von Immobilien/Wohnungen auf lauten Straßen und Schäden für den örtlichen Einzelhandel.

Hohe Geschwindigkeiten im Straßenverkehr sind gefährlich. Der Bremsweg eines Pkw ist bei 50 km/h mehr als doppelt so lang wie bei 30 km/h.[11] Das Unfallrisiko mit Todesfolge beim Zusammenstoß von Fußgängern und Kfz steigt mit dem Tempo rasant:

39 Prozent aller Verkehrsunfälle, bei denen Fußgänger mit Tempo 50 angefahren werden, enden tödlich, bei Tempo 70 sind es sogar 86 Prozent. Zusammenstöße mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h enden im Gegensatz dazu zu acht Prozent tödlich. [22]

Verkehrslärm ist ein unterschätztes, aber allgegenwärtiges Problem:

  • Straßenlärm ist national und EU-weit die weitaus häufigste Quelle für starke Lärmbelästigung und Schlafstörungen.
  • Verkehrslärm ist das Umweltproblem mit den zweitstärksten Gesundheitsauswirkungen. Die Folgen: Stress, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Schlaganfälle.
  • Besonders problematisch ist die Lärmbelastung an hochrangigen Straßen in der Nacht.
  • Bei einer Umfrage des Landwirtschaftsministeriums (2006) wird als stärkste Lärmquelle der Straßenverkehr genannt.
  • Besonders laut sind der Lärm bei der Beschleunigung und das Abrollgeräusch der Räder, das ab ca. 30 km/h gegenüber dem Motorenlärm überwiegt (bei nichtelektrischem Antrieb).
Balkendiagramm
Tempo 30 wird von den Anwohnern überwiegend positiv wahrgenommen (Grafik: "Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen" (2016), Umweltbundesamt (Deutschland))

Tempo 30

Tempo 30 bringt nachweislich viele Vorteile:

  • Langsamer fahren = leiser: Der Lärmpegel eines PKW mit 50 km/h ist vergleichbar mit dem Lärmpegel von vier PKW mit 30 km/h.[20]
  • Tempo 30-Zonen senken den Lärmpegel gegenüber Tempo 50 um mehr als die Hälfte. Bei Tempo 30 ist das Abrollgeräusch (Räder auf Asphalt) geringer, durch Beschleunigung entstehender Lärm wird verringert.[11]
  • Der Verkehrsfluss wird gleichmäßiger, da die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Fahrzeugen geringer sind.[11]
  • Fußgänger empfinden hohe Fahrgeschwindigkeiten von Kfz als störend.
  • Die Gefahr von bzw. bei Unfällen sinkt, da der Bremsweg kürzer ist und Autofahrer bei niedrigeren Geschwindigkeiten aufmerksamer gegenüber Details im Straßenraum sein können.[21]
Grafik
Langsamer fahren - mehr Sicherheit (Grafik: "Geschwindigkeitsbeschränkungen in Ortsgebieten" (2006), Amt der Tiroler Landesregierung – Abteilung Verkehrsplanung, S. 20)

Auch auf Hauptverkehrsstraßen ist Tempo 30 eine sinnvolle Option:

Eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat in den meisten Fällen keinen nennenswerten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr. Andere Faktoren wie die Qualität der Lichtsignalprogramme, die Anzahl querender Fußgänger oder Bushalte, Parkvorgänge oder Halten in zweiter Reihe haben in der Regel einen größeren Einfluss. Die Funktion einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr wird daher durch Tempo 30 nicht oder nicht nennenswert beeinträchtigt. (…)

Nach jetziger Erkenntnislage haben die bestehenden Tempo-30-Regelungen an Hauptverkehrsstraßen überwiegend positive Wirkungen. Den vorliegenden Begleituntersuchungen zufolge, gibt es in den meisten Fällen Gewinne bei Verkehrssicherheit, Lärm- und Luftschadstoffminderung und bei den Aufenthaltsqualitäten – gleichzeitig wird die Auto-Mobilität nicht übermäßig eingeschränkt. [21]

Durch die Reduktion der Fahrgeschwindigkeit lässt sich Lärm stark reduzieren:

Gegenüber 130 km/h bedeuten bei Pkw 100 km/h eine signifikante Lärmreduktion um 3 dB. Die gleiche Lärmreduktion würde bei einer Reduktion des Verkehrsaufkommens um die Hälfte erzielt werden. Verkehrsberuhigte Zonen mit 30 km/h können gegenüber den üblichen 50 km/h im Ortsgebiet eine Reduktion des Lärmpegels um fast 6 dB bringen. [20]

Der Verkehrsplaner Hermann Knoflacher (TU Wien):

Städte für Menschen müssen von Menschen gehalten, belebt und verändert werden und Menschen sind Zweibeiner, die sich mit eigener Körperenergie fortbewegen und Menschen bleiben, solange sie Zweibeiner sind. Ihre Geschwindigkeit ist niedrig, was sich auch an der Gesundheit der Städte zeigt. Je näher die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Stadt, eines Viertels, einer Siedlung dem Fußgeher kommt, umso vitaler werden diese. Je mehr sich die Geschwindigkeit von der des Fußgehers entfernt, umso unwirtlicher wird die Stadt. Sie wird krank. [3]

(4) Umgestaltungen sind beliebt

Wird der öffentliche Raum grundlegend umgestaltet, ist die Skepsis am Anfang oft groß. Nach erfolgtem Umbau dreht sich die Stimmung dann meist ins Positive.

  • Die Wiener Mariahilfer Straße wurde bis 2015 zur Begegnungs- und Fußgängerzone umgebaut. Trotz starker Polarisierung im Vorfeld wird der Umbau im Nachhinein als positiv empfunden, so eine Umfrage direkt nach dem Umbau:

Zwei Drittel der WienerInnen, die zumindest einen umgestalteten Teil besucht haben, sind mit dem Ergebnis der Neugestaltung zufrieden (…) Das Gesamterscheinungsbild beurteilen 85% der BesucherInnen sehr oder ziemlich gut (…) In Befragungen Ende 2013 / Anfang 2014 sprach sich in Mariahilf und Neubau noch eine Minderheit der Befragten für die Verkehrsberuhigung aus: So ergab eine SORA-Befragung Anfang Jänner 2014, dass 46% dafür und 54% dagegen stimmen würden. Heute fände das Projekt in den beiden Bezirken eine Zustimmung von 71% zu 29%. [17]

  • Vor dem Umbau der Mariahilfer Straße (2013) gehörten Geschäftsleute und Wirtschaftskammer zu den erbittertsten Gegnern der Verkehrsberuhigung. Doch das Projekt war so erfolgreich, dass die Wirtschaftskammer nun verkehrsberuhigte Straßen in allen Bezirken fordert.[19]
  • Die Geschäftsbetreiber in der Rotenturmstraße in Wien zeigten sich nach dem Umbau zur Begegnungszone als sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ebenso jene in der Neubaugasse (Umbau 2020-2021).
  • Schon bei der Schaffung der ersten Fußgängerzonen in Wien (1970er) war die Kritik enorm. Ein Niedergang der Altstadt und ein Geschäftesterben waren vorhergesagt worden. Genau das Gegenteil trat ein (siehe den Artikel zum Stephansplatz).
Stephansplatz mit Autos und mit Fußgängerzone, Wien
Der Wiener Stephansplatz war einst eine mehrspurige Fahrbahn. (Foto links: Fortepan 117292, Aradi Péter, Szenczi Mária)

Bedeutung des Autos für die Bevölkerung

Die Bevölkerung in Wien wünscht sich vor allem mehr Investitionen in die öffentlichen Verkehrsmittel. Eine knappe Mehrheit ist sogar eher gegen mehr Engagement der Stadtregierung für das Autofahren.

Einstellungen zur Verkehrspolitik nach Verkehrsmittel, Wien
Die Bewohner wünschen sich mehr Engagement der Stadt bei den öffentlichen Verkehrsmitteln - nicht beim Auto. (Umfrage, Sora, 2016)

Ist die Bevölkerung schon „weiter“ als die Politik? In einer repräsentativen Umfrage in Wien geben 89% der Befragten an, dass man durchaus auch ohne eigenes Auto gut in der Stadt leben kann.[2]

Einstellung zum Auto, Lebensqualitätsstudie 2018, Wien
Es geht auch ohne eigenen Pkw in der Stadt. (Wiener Lebensqualitätsstudie, 2018)

(5) Verkehrsberuhigung ist schön

Schön ist es dort, wo wenig Autoverkehr ist. – So lässt sich vielleicht zusammenfassen, was wohl viele Menschen intuitiv empfinden. Die schönsten Straßen und Plätze Europas sind in vielen Fällen genau solche, wo Fußgänger viel Platz haben. Die Altstädte Europas sind auch deswegen so ästhetisch ansprechend, weil sie alle aus der Zeit vor der Erfindung des Autos stammen. Sie sind auf den Fußgängerverkehr und eine enorm hohe Bevölkerungsdichte ausgelegt.

Interessant ist, wie Touristen eine Stadt erleben: Sie strömen in die Altstädte, staunen über alte Plätze und Straßen, spazieren in Fußgängerzonen. Wanderungen entlang von Stadtautobahnen und das Verweilen an lauten Kreuzungen gehören weniger zu den typischen Urlaubsaktivitäten. Wie sehr alte Städte von Verkehrsberuhigung profitieren, zeigt sich zum Beispiel in Slowenien, wo der Hauptplatz des Küstenstädtchens Piran und das Zentrum der Hauptstadt Ljubljana umgestaltet wurden.

Wenn viele Menschen nun im Urlaub gerne solche Orte aufsuchen – warum können nicht auch Straßen und Plätze in unmittelbarer Nähe vieler Menschen so gestaltet sein? Also nicht nur in den (meist teuren) Stadtzentren? Wenn es über die ganze Stadt verteilte verkehrsberuhigte Plätze und Straßen gäbe, könnten alle davon profitieren. Unabhängig von Einkommen und Wohnort.

Verkehrsberuhigung in Wien

Verkehrsberuhigung in Europa

(6) Mehr Grün, mehr Schutz vor Hitze

Hitze ist ein immer größeres Problem. Die Klimaerwärmung macht besonders den Städten zu schaffen. Wien gehört zu jenen europäischen Städten, die am stärksten unter steigender Hitze leiden werden. Tendenziell wird es Jahr für Jahr immer heißer.

Die Aufheizung wird besonders für ältere Menschen und chronisch Kranke immer mehr zum Problem. Gerade in den dicht verbauten Bezirken wird deutlich, dass die Stadt noch viel zu wenig auf den Klimawandel vorbereitet ist. Soll Wien trotz des Klimawandels lebenswert bleiben, braucht es dringend mehr Bäume und mehr entsiegelte Flächen (also solche ohne Asphalt).

Asphalt als Normalfall

Asphalt, breite Straßen, viele Parkplätze und viel zu wenig Begrünung sind die Normalität. Zugleich werden Maßnahmen zu Umgestaltung von politischen Entscheidungsträgern immer wieder verhindert. Die entsprechenden Diskussionen sind Legion.

Der Wiener Integrationsmonitor:

Eine lebenswerte Stadt muss die gesundheitlichen Anforderungen auch an in Zukunft zahlreicheren Hitzetagen erfüllen. Hinzu kommt, dass der städtische Raum wieder unmittelbar für das Leben der Menschen bereitgestellt wird und nicht mehr auf die „Erholungsfahrt“ ins Grüne verweist. [4]

Asphalt ist in Wien allgegenwärtig (siehe Artikel). Beispiele:

Extreme Hitzeprobleme

Die Karte unten zeigt, welche Gebiete besonders anfällig für Hitze sind. Wenig überraschend: Je dichter bebaut und je weniger Grünflächen, desto heißer (aber auch derzeit noch weniger dicht bebaute Flächen sind darunter).

Wiener Stadtklimaanalyse, Karte, Hitze, urbane Hitzeinseln
roter = heißer bzw. für Hitze anfälliger (Wiener Stadtklimaanalyse, 2020)

Grünflächen: Wichtig für die Gesundheit

Der unmittelbare Kontakt zu Naturlandschaften hat nachweislich Auswirkungen auf Wohlbefinden, kindliche Entwicklung, Gesundheit, Stimmung, Rekonvaleszenz und Mortalität:

[P]sychoevolutionäre Theorien gehen davon aus, dass Menschen von Geräuschen wie Vogelgezwitscher und brechenden Wellen und Anblicken wie buntem Laub aufgrund der natürlichen Selektion angezogen werden, da solche Erfahrungen die Anwesenheit von Beute und die Möglichkeit, Schutz zu finden, sowie Ruhe, Komfort, Erholung von Stress und die Wiederherstellung der Aufmerksamkeitsressourcen (…) signalisieren. [5]

Grünflächen haben eine klare Bedeutung für die Gesundheit. Inwiefern aber von Kausalität (Grünflächen „bewirken“ Gesundheit) oder Korrelation (gesündere Leute leben in grüneren Umgebungen, evtl. aufgrund von höheren Einkommen) lässt sich aus der hier zitierten Studie nicht ableiten:

[D]er prozentuale Anteil von Grünflächen im Lebensumfeld der Menschen [hat] einen positiven Zusammenhang mit dem wahrgenommenen allgemeinen Gesundheitszustand der Bewohner. Grünflächen scheinen mehr als nur ein Luxus zu sein, und folglich sollte die Entwicklung von Grünflächen in der Raumplanungspolitik einen zentraleren Platz einnehmen. [6]

Naturstein und helle Beläge statt Asphalt

Asphalt speichert Hitze gut und versiegelt den Boden, sodass Regenwasser nicht einsickern kann. Dazu kommt noch die unattraktive Optik dieses Baustoffs, die sich bei Ausbesserungen durch Bauarbeiten noch verschlechtert. In Wien wird Asphalt nicht nur für Fahrbahnen, sondern auch für Gehsteige, Plätze und Parkplätze verwendet. Naturstein und helle Straßenbeläge sind mikroklimatisch besser: Sie heizen sich wenig stark auf und sind auch ästhetisch die bessere Wahl (Beispiele von Bodenbelägen in Europa sind in diesem Artikel).

Mehr Platz für Begrünung

Verkehrsberuhigung geht meist mit der Pflanzung von Bäumen und Sträuchern einher. Das verringert die Hitzebelastung. Bäume haben für den urbanen Raum eine enorme Bedeutung. Neben einer optischen Aufwertung ergeben sich auch ganz handfeste Vorteile, wie die Wiener Behörden mitteilen:

Ein ausgewachsener Stadtbaum spendet bis zu 150 Quadratmeter Schatten, kühlt seine Umgebung im Sommer um bis zu 3 Grad und verdunstet gut 400 Liter Wasser pro Tag. [7]

Werden Straßen zu Fußgängerzonen umgebaut, lassen sie sich noch einfach begrünen – denn dann sind keine unterirdischen Rohre und Leitungen im Weg, die Baumpflanzungen erschwerden (Beispiele: Königsegggasse, Zollergasse).

(7) Weniger Autos - mehr Umsatz

Wo ist es schöner: Auf engen überfüllten Gehsteigen, eingeklemmt zwischen parkenden Fahrzeugen und Hausmauern? Oder auf breiten Gehsteigen und in Fußgängerzone, wo es viel Platz für alle gibt?

Die simple Feststellung, dass mehr Platz für Fußgänger auch den öffentlichen Raum und ganze Straßenzüge aufwertet und handfeste wirtschaftliche Vorteile bringt, ist durch viele Beobachtungen und Studien belegt:

  • Der Geschäftsumsatz ist höher: „Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Passantenfrequenz einer Straße und dem Umsatz der Unternehmen in der Straße. Durch verbessernde Umbaumaßnahmen kann die Passantenfrequenz in der Straße gesteigert werden.“[18]
  • Verkehrsberuhigung = mehr Leute unterwegs: Sind Straßen verkehrsberuhigt, werden diese auch nachweislich intensiver von Fußgängern genutzt.
  • Die Kosten für Umgestaltungen rentieren sich: Mehr Umsatz bei Geschäften generiert auch mehr Steuerreinnahmen.
  • Niedriges Kfz-Tempo wird von Fußgängern als positiv empfunden. Straßen mit hohen Geschwindigkeiten werden eher gemieden.
  • Wer zu Fuß zum Einkaufen kommt, gibt tendenziell auch mehr Geld aus. Der Grund: Fußgänger kommen zum Einkaufen viel häufiger als Personen mit anderen Verkehrsmitteln.

In einem Bericht der Wiener Wirtschaftskammer von 2019 ist festgehalten:

Wenn gebaut wird, dann ist das gut für die Wirtschaft. (…) Pro einer Million Euro an Investitionen für die Wiener City Projekte werden somit 1,2 Mio. Euro an zusätzlicher Wertschöpfung generiert. Jede eingesetzte Million Euro der notwendigen Investitionen schafft durchschnittlich 10 Jobs. Die meisten Arbeitsplätze werden dabei in den Branchen Bau, Handel, Produktion sowie wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Dienstleistungen geschaffen. Die zusätzlichen Beschäftigten werden mit insgesamt rund 14 Mio. Euro entlohnt. Von der eingesetzten Gesamtinvestitionssumme in die City Projekte [Stephansplatz, Herrengasse, Rotenturmstraße, Schwedenplatz und Michaelerplatz] fließen bereits in der Bauphase 40 Prozent (ca. 15 Mio. Euro) in Form von Steuern und Abgaben wieder an die öffentliche Hand zurück. [18]

Verkehrsberuhigung, Kärntner Straße, Autostraße vs. Fußgängerzone, Wien
Kärntner Straße in Wien - seit den 1970ern eine Fußgängerzone (Foto links: Jakab Antal, Fortepan 201720, rechts: Jorge Franganillo, CC BY 2.0)

Auto wird überschätzt

Wird der öffentliche Raum umgestaltet, ist die Klage über jeden umgenutzten („verlorenen“) Parkplatz oft groß. Doch Studie um Studie und Beispiel um Beispiel wird klar: Die Bedeutung von Parkplätzen wird massiv überschätzt. Die meisten Menschen kommen zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Einkaufen. Straßen, die voll mit geparkten Fahrzeugen sind, laden nicht zum Einkaufen oder Einkehren ein. (Diese Punkte beziehen sich alle auf den urbanen Raum, nicht auf ländliche Gegenden.)

  • Weniger Autofahrer als gedacht: Geschäftsinhaber überschätzen den Anteil an Kunden, die mit dem Auto kommen. Besonders außerhalb von Fußgängerzonen wird der Anteil weit überschätzt.[13]
  • Verkehrsberuhigte Geschäftsstraßen sind erfolgreicher als auf den Autoverkehr ausgerichtete Straßen.[19]
  • Eine Umfrage der Wirtschaftskammer in Wien von 2008 ergab: Zum Einkaufen kommen 47% mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und 38% zu Fuß. Nur 13% kommen mit dem Auto.[13]
  • Eine 2008 durchgeführte Umfrage unter Passanten in der Thaliastraße im 16. Wiener Gemeindebezirk ergab, dass weniger als 10% mit dem Pkw gekommen waren. Die meisten kamen zu Fuß.[13]
  • Gut geplante Sperren von Straßen und Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung führen nicht zu Stau und Verkehrsproblemen. 2008 wurde beispielsweise die Wiener Ringstraße auf einem zentralen Abschnitt für längere Zeit gesperrt. Das Verkehrschaos ist ausgeblieben. Trotz des dadurch an prominenter Stelle (nahe Hofburg) gewonnenen Platzes wurde die Sperre nicht beibehalten.[23]

Die folgende Grafik ist das Ergebnis einer Erhebung in vier Wiener Geschäftsstraße (Favoritenstraße, Kärntner Straße, Landstraßer Hauptstraße und Mariahilfer Straße) unter einkaufenden Personen.

Balkendiagramm, "Vergleich des tatsächlichen Modal Split mit dessen Einschätzung durch die Geschäftsleute"
Grafik: "Die Förderung des Zu Fuß Gehens als wesentliches Element einer zukunftsfähigen Umwelt- und Verkehrspolitik für die Stadt Wien (ZEUS)" (2016), S.100

Ein vergleichbares Ergebnis erbrachten Daten aus Graz:

Balkendiagramm, "Graz 2003"
Grafik: "Die Förderung des Zu Fuß Gehens als wesentliches Element einer zukunftsfähigen Umwelt- und Verkehrspolitik für die Stadt Wien (ZEUS)" (2016), S.101

(8) Radfahren als Wirtschaftsmotor

Radfahren im urbanen Raum ist nicht nur praktisch und gesund, sondern stärkt auch die Wirtschaft:

  • Radfahrer besuchen den lokalen Einzelhandel häufiger als PKW-Einkäufer.
  • Radverkehr sichert die Struktur der Ortskerne und Innenstädte: Fahrradnutzende Personen kaufen eher dort ein, wo sie wohnen und arbeiten. Die Kaufkraft fließt nicht ab.
  • Radfahrer bringen mehr Umsatz als motorisierte Kunden.
  • Die Hälfte aller Einkäufe wiegt weniger als 5 kg. 70% der Einkäufe lassen sich per Fahrrad oder Korb nach Hause transportieren.
  • Angebot erzeugt Nachfrage: „Schafft eine Gemeinde oder Stadt gute Bedingungen zum Radfahren, dann wird dort häufiger Rad gefahren.“
  • Bei guter Radfahr-Infrastruktur können E-Fahrräder zu signifikanten Verlagerungen vom Auto auf das Fahrrad führen.
  • Unzureichende Radwege behindern die alltägliche Radnutzung: Jeder Fünfte, der das Fahrrad zum Einkaufen nicht benutzt, gibt in einer Umfrage als Grund an, sich nicht sicher beim Radfahren zu fühlen.
  • 40 Prozent der privaten Autofahrten in Österreich sind kürzer als fünf Kilometer, jede fünfte Autofahrt ist sogar kürzer als zweieinhalb Kilometer. Für viele Strecken ist Radfahren also eine mögliche Alternative.
  • Jeder mit dem Auto gefahrene Kilometer verursacht gesamtgesellschaftliche Kosten. Beim Radfahren und Zufußgehen ist es das Gegenteil.

Warum handelt die Politik nicht?

Das Platzproblem, die Ungerechtigkeit bei der Verteilung des öffentlichen Raums und die Vorteile von Verkehrsberuhigung sind den Beamten im Wiener Planungsressort längst bekannt. Das Problem ist die Politik:

  • In vielen Bezirken wird quasi Politik gegen die eigene Bevölkerung gemacht: Selbst wichtige Plätze dürfen weiter als Asphaltflächen und Parkplätze genutzt werden, Straßen sind zugeparkt, Bäume und Begrünung fehlen vielerorts.
  • Selbst lokale Einkaufsstraßen werden nicht verkehrsberuhigt und aufgewertet, sodass die Menschen anderswo einkaufen (oft in Einkaufszentren). Das schwächt die Einkaufsstraßen und schafft mehr Verkehr.
  • In Wien sind für Straßen und Plätze vor allem die Bezirksvorstehungen zuständig, nicht die Stadtregierung. Wenn also nur in wenigen Bezirken umfassende Verbesserungen kommen, dann liegt das an den jeweiligen Parteien in den Bezirken. In erster Linie an der jeweils stimmenstärksten Partei, die die Bezirksvorsteher stellen.
  • Die meisten Bezirksvorsteher wollen keine nachhaltige Verkehrsberuhigung. Sie ignorieren damit auch die Erkenntnisse zahlreicher Studien (die teilweise sogar von der Stadt selbst beauftragt bzw. durchgeführt wurden).
  • Finanziert werden Umbauten in erster Linie durch das Budget aus dem Planungsressort (gehört zur Stadtregierung). Wenn also die zuständige Stadträtin (derzeit Ulli Sima, SPÖ; davor Birgit Heibein, Grüne) nicht will, geht gar nichts.
  • Viele Straßen und Plätze wurden schon verkehrsberuhigt. Das wird als selbstverständlich hingenommen, war aber ehedem genauso umstritten. Hätte sich die Politik in der Vergangenheit nicht getraut, diese Maßnahmen zu setzen, wären selbst die bekannten Fußgängerzonen am Stephansplatz & co nie entstanden.
  • Verkehrsberuhigung hat sich vielfach bewährt. Doch das Muster ist immer gleich: Die Skepsis und Angst ist anfangs groß, das Auto wird als unentbehrlich gesehen. Dann wird umgebaut. Und am Ende ist die Zufriedenheit groß. Ein paar Jahre später die Aufregung vergessen und nur die wenigsten dürften den Vorzustand wiederhaben wollen.
  • Wenn Sie sich Verkehrsberuhigung für Ihren Bezirk wünschen, wenden Sie sich an die Parteien im Bezirk, schreiben sie den Bezirksvorstehungen und besprechen Sie sich mit anderen im Bezirk. Die Initiativen Wir machen Wien und geht-doch.wien sind gute Anlaufpunkte für alle, die an einer Verkehrswende interessiert sind.

Studien und Medienberichte

Zum Thema Verkehrsberuhigung, Rad- und Fußgängerverkehr sind eine Fülle an Studien und Medienberichten erschienen. Eine kleine Auswahl bietet das folgende Kästchen. Einfach die entsprechenden Tabs/Reiter anwählen (Mobilversion: Knopf rechts oben). Alle in diesem Artikel erwähnten Fakten und Hinweise werden hier näher ausgeführt.

Der öffentliche Raum ist an sich für alle kostenlos nutzbar – und deswegen immens wichtig (Wiener Integrationsmonitor, 2020):

Der öffentliche Raum ist vor allem im dicht bebauten Gebiet kostbar. Gerade Menschen mit geringeren Einkommen sind auf ihn angewiesen, da sie nicht so gut in der Lage sind „auszuweichen“ oder mit Kosten verbundene Freizeitangebote in Anspruch zu nehmen. Sie leben hauptsächlich in weniger mit Grünraum versorgten Wohngebieten und fordern zusätzliche Grünflächen oder angenehmere öffentliche Freiräume öfter ein als Menschen mit höheren Einkommen. 

Ins Straßen, Gassen und Plätze aber in erster Linie Abstellplätze und Fahrbahnen für den motorisierten Individualverkehr, werden dadurch viele Menschen ausgeschlossen. Das trifft besonders Personen mit geringem Einkommen bzw. kleinen Wohnungen (Quelle: s. o.):

In vielen in Bezug auf den öffentlichen Raum benachteiligten Stadtgebieten ist die Arbeitslosigkeit höher, wohnen vermehrt BezieherInnen der Wiener Mindestsicherung und ist auch Vermögen unterrepräsentiert. Die BewohnerInnen können sich weniger Wohnkomfort oder Freizeitgestaltung leisten, haben im Durchschnitt kleinere Wohnungen und verfügen seltener über Freiräume wie beispielsweise Balkon, Terrasse oder Loggia.

Werden die WienerInnen nach der Wichtigkeit von Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität gefragt, so zeigen sich sichtbare Unterschiede nach Einkommen. Menschen mit geringeren Einkommen halten Verbesserungen wie Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, mehr Grünflächen oder angenehmere Plätze und öffentliche Freiräume für wichtiger als Menschen mit höheren Einkommen.

Mit dem Indikator „potenzieller Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum“ wird untersucht, wo ein hoher Nutzungsdruck in der Stadt eher gegeben ist und wo nicht. Je mehr Grünflächen in der Nachbarschaft zur Erholung und für Freizeitgestaltung öffentlich nutzbar sind, desto geringer ist der potenzielle soziale Nutzungsdruck (…) 

Eine lebenswerte Stadt muss die gesundheitlichen Anforderungen auch an in Zukunft zahlreicheren Hitzetagen erfüllen. Hinzu kommt, dass der städtische Raum wieder unmittelbar für das Leben der Menschen bereitgestellt wird und nicht mehr auf die „Erholungsfahrt“ ins Grüne verweist.

Durch den reduzierten Verkehrsraum kann in Folge nutzbarer Raum für menschliche Aktivitäten bereitgestellt werden. Diese erhöhen die Lebendigkeit unmittelbar im Wohnumfeld und stärken wiederum das Zusammenleben und die Nachbarschaft. Schließlich sollen öffentliche Räume allen Lebensformen oder Lebensstilen gerecht werden.

Der öffentliche Raum hat eine ganz elementare Funktion für unsere Gesellschaft (Arbeiterkammer, 2015):

Plätze, Straßen und Parks sind von jeher Orte für Begegnung und Austausch, für Erholung und Inspiration, für Arbeit und Konsum, für Kultur und politische Aktionen, für Bewegung und Transport. Dabei teilen sich unterschiedlichste Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen den, in dichtbesiedelten Stadtteilen oft knappen öffentlichen Raum. Konflikte sind dabei unumgänglich. Gleichzeitig wird Öffentlicher Raum damit zum Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung und zum „Übungsplatz“ für Toleranz und sozialen Zusammenhalt in einer demokratischen Stadtkultur. Darüber hinaus wird die Stadt durch den unbebauten Öffentlichen Raum in erkennbare Einheiten gegliedert und „zusammengehalten“. Der gestaltete öffentliche Raum bildet Adressen, trägt zur Identität der Stadt oder eines Stadtteils bei und wird so zum Standortfaktor für unterschiedlichste Nutzungen (…)

Öffentlicher Raum ist ein entscheidender Faktor der urbanen Lebensqualität und unterstützt die Nutzbarkeit der Stadt. Die Bereitstellung, Gestaltung und Erhaltung sind daher zentrale Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge.

Wichtig ist, dass der öffentliche Raum von allen genutzt werden kann. Auch ohne Konsumzwang, da sonst viele Menschen ausgeschlossen werden (Quelle: s. o.):

Der öffentliche Raum wird von vielen Menschen unterschiedlichen Alters mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen und unterschiedlichen Lebenssituationen genutzt – dementsprechend vielfältig sind die Bedürfnisse und damit die Ansprüche an den öffentlichen Raum. „Es gibt so viele Bedürfnisse wie einzelne Menschen“, dennoch können Grundbedürfnisse identifiziert werden, die in der Innenstadt genauso gelten, wie am Stadtrand. Im Zentrum aller dieser Bedürfnisse steht der Anspruch auf Raum ‒ Platz zu haben ohne Konsumieren zu müssen, zum Verweilen, zum Beisammensein, zum Schauen, zum Flanieren, zum Spielen oder zum Ausruhen.

Für ältere Menschen, Mädchen, Buben, Jugendliche und Menschen, die in dicht belegten bzw. beengten Wohnungen leben sind öffentliche Räume, die für nichtkommerzielle Nutzungen zur Verfügung stehen, besonders bedeutend. Diese benötigen konsumfreie Alltags-, Spiel- und Sozialisierungsorte zur Entwicklung des eigenen Lebensstils sowie nicht regulierte Räume für Spontanität. Konsumfreie Aufenthaltsbereiche sind insbesondere für jene Personen wichtig, die am Konsum nicht teilnehmen wollen oder mangels Geld nicht teilnehmen können oder als obdachlose Personen existenziell auf den öffentlichen Raum angewiesen sind.

Die allermeisten Straßen sind geprägt durch den ruhenden Verkehr. Das schränkt alle anderen Menschen ein (Quelle: s. o.):

Parkende Autos sind in den meisten Straßenzügen Wiens die dominante Nutzung. Sie bestimmen das Erscheinungsbild der Stadt. Die rund 675.000 Pkw mit Wiener Kennzeichen (2012) brauchen eine Fläche von 8,4 Quadratkilometer, das entspricht der Größe von 1.400 Fußballfeldern. 95% der Zeit steht ein Auto geparkt im öffentlichen Raum. Der hohe Flächenbedarf des ruhenden motorisierten Individualverkehrs beeinträchtigt besonders in dicht bebauten Stadtvierteln die Versorgung der Bevölkerung mit nutz- und erlebbaren öffentlichen Freiflächen (…)

Die Nutzung des Straßenraums für das Abstellen von (privaten) Kraftfahrzeugen ist kritisch zu sehen, weil dadurch Privaten während der Zeit des Parkens eine alleinige (ausschließende) Nutzung von öffentlichem Raum zugestanden wird. In weiten Bereichen der Stadt wird diese Nutzung zudem ohne Einhebung von Nutzungsgebühren oder zeitliche Beschränkungen zugelassen. Lediglich in Kurzparkzonen oder in den Zonen des „Parkpickerls“ wird das Nutzungsrecht über das Bezahlen von Parkgebühren erworben. In diesem Sinne ist die Parkraumbewirtschaftung mit einer kommerziellen Nutzung vergleichbar: Öffentliche Flächen werden für private Nutzungen gegen Entgelt oder auch ohne Gebühren überlassen und der Allgemeinheit entzogen (…)

Die Verkehrsbelastung einer Straße hat massive Konsequenzen für die dort wohnenden Menschen, wie eine berühmte Studie des Stadtforschers Donald Appleyard aus den 1960ern zeigt (Project for Public Spaces, 2008):

In the late 1960s, Appleyard conducted a renowned study on livable streets, comparing three residential streets in San Francisco which on the surface did not differ on much else but their levels of traffic. The 2,000 vehicles per day street was considered Light Street, 8,000 traveled on Medium Street and 16,000 vehicles passing down Heavy Street. His research showed that residents of Light Street had three more friends and twice as many acquaintances as the people on Heavy Street. Further, as traffic volume increases, the space people considered to be their territory shrank. Appleyard suggested that these results were related, indicating that residents on Heavy Street had less friends and acquaintances precisely because there was less home territory (exchange space) in which to interact socially.

Light Street was a closely knit community. Front steps were used for sitting and chatting, sidewalks for children to play and for adults to stand and pass the time of day, especially around the corner store, and the roadway for children and teenagers to play more active games like football. Moreover, the street was seen as a whole and no part was out of bounds.

Heavy Street, on the other hand, had little or no sidewalk activity and was used solely as a corridor between the sanctuary of individual homes and the outside world. Residents kept very much to themselves, and there was virtually no feeling of community. The difference in the perceptions and experience of children and the elderly across the two streets was especially striking (…)

Menschen in Stadtvierteln, die für Fußgänger ausgelegt wird, zeichnen sich durch ein höheres „soziales Kapital“ aus: Sie kennen ihre Nachbarn häufiger, partizipieren eher in politischen Prozessen, berichten von einem höheren Vertrauen in andere („trust index“) und sind häufiger sozial engagiert. Ob es sich um eine kausale oder – wohl eher – korrelative Verknüpfung zwischen gebauter Umwelt und Sozialverhalten handelt, geht aus der Studie aber nicht hervor (Social Capital and the Built Environment, American journal of public health, 2003):

A growing number of researchers agree that social networks and community involvement have positive health consequences. Persons who are socially engaged with others and actively involved in their communities tend to live longer and be healthier physically and mentally (…) Social and community ties are key components of a more encompassing concept, social capital. Social capital is defined as the social networks and interactions that inspire trust and reciprocity among citizens. Individuals with high levels of social capital tend to be involved politically, to volunteer in their communities, and to get together more frequently with friends and neighbors. They are also more likely to trust or to think kindly of others. Social capital has been found to be linked to more than just good health; empirical linkages have been found among social capital, the proper functioning of democracy, the prevention of crime, and enhanced economic development (…)

Factors associated with the decline of social capital in recent decades include pressures of time and money on families, long commutes, television usage, and generational change. Many of these factors appear to be related to suburbanization (…)

[M]ost contemporary suburban subdivisions do little to enable social interaction. Social interaction is more likely to occur by invitation, not by chance encounter. Life is supposed to take place within the home or in the backyard. In many suburbs, privacy and the automobile are so highly valued that developers do not even bother to lay sidewalks. Corner stores, taverns, coffee shops, and sometimes schools and parks often are not found in the neighborhood, because zoning ordinances have rendered them illegal within residential areas. Most modern, car-dependent suburbs are not places designed to encourage social interaction (…)

[T]he more walkable a neighborhood (and the more places that can be walked to), the more likely a resident is to know his or her neighbors.

The higher the neighborhood walkability rating assigned by respondents, the more likely they were to participate politically (…) and to have trust or faith in others (…)

[T]he more places respondents reported being able to walk to in their neighborhood, the more likely they were to be engaged with others socially (…)

This study suggests that the way we design and build our communities and neighborhoods affects social capital and thus physical and mental health. The results indicate that residents living in walkable, mixed-use neighborhoods are more likely to know their neighbors, to participate politically, to trust others, and to be involved socially.

Verkehrsberuhigung und Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel schaffen viele Arbeitsplätze (VCÖ: Wirtschaft beleben durch nachhaltige Mobilität, 2013):

Investitionen in Bahn- und Radfahrinfrastruktur sowie Verkehrsberuhigungsmaßnahmen haben größere Beschäftigungseffekte als der Bau von Autobahnen. Die Inlandnachfrage im Öffentlichen Verkehr in Österreich und im Bahngüterverkehr erzeugt mittels direkter und indirekter Wertschöpfung mehr als vier Prozent des Brutto-Inlandsprodukts oder 12 Milliarden Euro jährlich. Österreichs Bahnindustrie hat den fünftgrößten Anteil am Bahngüter-Weltmarkt. Die Handelsbilanz dieses Sektors ist stark positiv (…)

Die Verlagerung von Kfz-Verkehr auf nachhaltige Mobilität bringt ein Beschäftigungsplus. Den Österreicherinnen und Österreichern bleibt dank nachhaltiger Mobilität mehr Geld, das ausgegeben eine höhere Beschäftigung auslöst als Ausgaben für das Autofahren (…)

Investitionen in Bahninfrastruktur und Öffentlichen Verkehr bringen bei gleicher Investitionssumme eine fast dreimal so hohe Wertschöpfung wie Ausgaben für Straßenbauten und führen zu deutlich höheren Beschäftigungseffekten. Während eine in das höherrangige Straßennetz investierte Milliarde etwa 10.700 Vollzeit-Beschäftigungsjahre bringt, sind es bei Bahnstrecken und U-Bahnbau etwa 17.000, bei Bahnhofsbauten sogar 18.100 Vollzeit-Beschäftigungsjahre. Am geringsten ist der Anteil der Lohnkosten beim hochrangigen Straßennetz mit 30 Prozent der gesamten Projektkosten, am höchsten bei Bahnhöfen mit 65 Prozent (…)

Über die gesamte Betriebsdauer von Infrastrukturen zeigt sich der Vorteil des Öffentlichen Verkehrs in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung spätestens bei Berücksichtigung der externen Kosten. Ein Ausbau der Straßeninfrastruktur schafft zusätzlichen Kfz-Verkehr, der negative externe Effekte bewirkt. Es entstehen ungedeckte Kosten für die Allgemeinheit und die Öffentliche Hand, etwa im Gesundheitssystem oder durch die Abwertung von Tourismus- und Wohngebieten durch Verkehrslärm.

Der Verkehr in Österreich ist unsozial (Lisa Wohlgenannt, Momentum Institut, 2021):

Fast die Hälfte der Haushalte im untersten Einkommensviertel haben gar kein Auto. Nur jeder zehnte Haushalt mit den niedrigsten Einkommen hat zwei oder mehrere Pkw. Das bedeutet oft eine Herausforderung für den Arbeitsweg, den Schulweg der Kinder und tägliche Erledigungen wie Einkäufe. Besonders, wenn die öffentlichen Verbindungen schlecht sind. Im reichsten Einkommensviertel ist es ziemlich genau umgekehrt. Nur neun Prozent besitzen kein Auto und 43 Prozent mindestens zwei (…)

Dadurch sind die reicheren Haushalte auch überdurchschnittlich für Kosten und Belastungen wie Lärm und Abgase durch den Verkehr verantwortlich. Davon sind wiederum die Menschen mit niedrigem Einkommen viel stärker betroffen und das, obwohl sie eben viel seltener mit dem Auto fahren und oftmals gar keines besitzen. Denn gerade in Ballungsräumen sind Wohnungen an stark befahrenen Straßen günstiger, weshalb oft Menschen mit niedrigem Einkommen dort wohnen (…)

Derzeit wird zumindest ein Teil der vom Autoverkehr verursachten Kosten, beispielsweise für Gesundheits- und Umweltschäden, nicht von denen bezahlt, die sie verursachen. Pro Autokilometer fallen etwa 15 Cent an gesellschaftlichen Kosten an – unter anderem für Unfälle, Luftverschmutzung oder Lärm (2018). An einem mit dem Fahrrad zurückgelegten Kilometer verdient die Gesellschaft im Vergleich betrachtet sogar 16 Cent – vor allem durch den Gesundheitsnutzen. Der Großteil der indirekten Förderung, wie Pendlerpauschale oder die steuerliche Begünstigung der privaten Nutzung von Firmenwagen, kommt hingegen wohlhabenden Haushalten zugute.

Viel Kfz-Verkehr wird von Fußgängern als negativ empfunden (Befragung in Wien, 2013; in: Grundlagen der Fußverkehrsplanung, TU Wien, 2015)

Der KFZ-Verkehr ist für viele Fußgängerinnen und Fußgeher ein wesentlicher Grund nicht mehr Wege in der Stadt zu Fuß zurückzulegen. Dabei werden die hohen Geschwindigkeiten des motorisierten Individualverkehrs als wesentliche Barriere empfunden.

Hohe Kfz-Geschwindigkeiten werden von Fußgängern als negativ empfunden (TU Wien, 2016):

Zu hohe Kfz-Geschwindigkeiten werden (…) als Barriere für das zu Fuß Gehen empfunden. Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2006 untersuchte den Zusammenhang zwischen der Verkehrsorganisation und den Aktivitäten der BewohnerInnen im Straßenraum. Dazu wurden Erhebungen in Straßen mit Tempo 50 und Tempo 30 sowie Begegnungszonen (Tempo 20) durchgeführt. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Tempolimit und Aktivitäten im öffentlichen Raum. Je höher das Tempolimit ist, umso weniger Aktivitäten werden im öffentlichen Raum durchgeführt.

In Begegnungszonen (Tempo 20) werden mehr als doppelt so viele Aktivitäten durchgeführt wie in Tempo 50 Straßen.

Gleiches gilt für die Nutzungsintensität durch FußgängerInnen. Je niedriger das Tempolimit und je höher der Grad der baulichen Umgestaltung des Straßenraums ist, umso intensiver wird der öffentliche Raum von FußgängerInnen genutzt.

In Straßen mit Tempo 50 gaben drei Viertel der Befragten an, den Straßenraum nicht als FußgängerIn zu nutzen. In Begegnungszonen sank deren Anteil auf knapp unter die Hälfte. In Begegnungszonen nutzen 7 Prozent der Befragten den Straßenraum häufig für das zu Fuß Gehen. Rund 44 Prozent tun dies zumindest ab und zu.

In Straßen mit Tempo 50 sinkt der Anteil der häufigen NutzerInnen auf 1 Prozent, jener der gelegentlichen NutzerInnen auf 23 Prozent.

Laut einer im Rahmen der Umgestaltung der Mariahilfer Straße durchgeführten Befragung verbesserte diese die Zufriedenheit der NutzerInnen gemessen auf einer Schulnotenskala von 3-4 vor der Umgestaltung auf 1-2 nach der Umgestaltung.

Wo mehr (motorisierter) Verkehr ist, dort sind auch die Leerstände bei Geschäften höher (Traffic restraint and retail vitality, Sustrans, 2003):

In 1992, researchers in Leicester looked at traffic volumes in relation to retail property vacancies, and concluded “there is a strong positive relationship between percentage vacancy rates and motorised traffic flow. The results make clear that shop vacancy rates increase as the level of traffic increases”.

Die Nichtverfügbarkeit von Pkw-Parkplätzen hat keinen Einfluss auf Leerstände (s. o., 2003):

On the other hand, car parking availability and price do not seem to impact on shop vacancy rates, according to a study of six Midlands towns in 1994, which showed that “parking provision does not have an influence on whether shops close or remain trading”. The overall quality and attractiveness of the centres had more impact on trade.

Another retail study found that “car-borne shoppers are not of overriding importance to trade in Leicester city centre. Numerically, bus passengers are far more important. City centre shops gain little, if any, benefit from car parking located close to them. The quality of shopping, and of the shopping environment, is more important in generating trade. Walking past shops is also a strong factor in trade generation”.

Stark befahrene Straßen haben negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Anwohner und die Häufigkeit des Zufußgehens. Aber nicht alle Menschen empfinden die Verkehrsbelastung gleich (Perceptions of road traffic conditions along with their reported impacts on walking are associated with wellbeing, Travel Behaviour and Society, 2019):

There is growing evidence that living close to busy roads is associated with lower levels of walking and with lower wellbeing (…)

[T]he survey participants who perceived the traffic volume as ‘heavy’ and the traffic speed as ‘fast’, and who reported these as a factor affecting their ability to walk locally and that they avoided using the busiest road due to those conditions, had a significantly lower wellbeing score than those who did not report these perceptions.

Furthermore, we found a significant association between the subjective perceptions of road traffic conditions and the reported negative impacts of these on walking (…) More specifically, we found that the joint perception of the traffic volume as ‘heavy’ and the traffic speed as ‘fast’ was associated with the reported impacts of these as being a barrier to walking locally and as a specific reason to avoid the busiest road (…)

[T]he street network distance that participants lived from the busiest road was not significantly associated with their perceptions about the traffic conditions (…) Living closer to the busiest road was associated, however, with reporting that the traffic was a barrier to being able to walk to local places, independently of perceptions of traffic volume and speed (…)

Our findings add further knowledge to the previous studies which observed a link between wellbeing and proximity to main roads (…) or traffic volumes (…) The present study emphasized the role of the perceptions that local residents have about different aspects of road traffic conditions in mediating the links between living close to busy roads and wellbeing. Our findings also provide evidence suggesting that busy roads correlate negatively with wellbeing through the intermediate effect on walking, reinforcing the “community severance” hypothesis that was formulated in the 1970s but had never been confirmed in empirical studies (…)

Our analyses of wellbeing (…) suggest that policy interventions aimed at addressing the well-established links between busy roads and the wellbeing of local residents living close to busy roads should aim to reduce both the volume and the speed of traffic in order to reduce their impact as physical and/or psychological barriers to walking and as a specific reason for people to avoid walking (…)

Effective transport policies designed to increase walking levels therefore must simultaneously reduce both traffic volume and speed. Reducing both could be achieved by a combination of policies, for example, economic or regulatory policies to reduce the use of private cars and promote alternatives, thus reducing traffic volume, and at the same time imposing speed limits or using traffic calming measures to reduce traffic speed (…)

Overall, the findings of this study emphasize that policies to improve walking levels need to attend more explicitly to the impact of motorised traffic on pedestrians and to the specific characteristics of that traffic.

Der öffentliche Raum ist vielen Menschen ein großes Anliegen (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Die Aufwertung von öffentlichen Flächen und Schaffung von Grünraum sind die von den Wienerinnen und Wienern in der Befragung am häufigsten genannten Wünsche zur Verbesserung der Lebensqualität in ihrem Wohnumfeld (…)

Am häufigsten genannt werden dabei Orte zum Verweilen, Sitzgelegenheiten bzw. Grünflächen und Innenhofbegrünung. Fünf der acht am häufigsten genannten Maßnahmen sind gleichzeitig Elemente, welche das zu Fuß Gehen fördern. D.h. es besteht eine starke Korrelation zwischen Elementen, welche die Lebensqualität erhöhen, und Elementen, welche das zu Fuß Gehen fördern.

Fußgänger wünschen sich (Quelle: s. o.) am häufigsten …

… eine attraktive Umgebung. Auf der persönlichen Ebene fördern die Einfachheit und Unkompliziertheit sowie der Wunsch nach Bewegung und der Umweltgedanke das zu Fuß Gehen. Als wichtige verkehrsplanerische Elemente zur Förderung des zu Fuß Gehens werden barrierefreie, gut beleuchtete Gehsteige, getrennte Geh- und Radwege, gute Ampelregelungen und das Vorhandensein von Schutzwegen genannt. Im Verhältnis zu den anderen VerkehrsteilnehmerInnen werden ein rücksichtsvolles Verhalten von AutofahrerInnen und geringe Kfz-Geschwindigkeiten genannt. Auch hohe Autokosten werden als ein das zu Fuß Gehen fördernder Faktor wahrgenommen.

Ab 2013 wurde die Wiener Mariahilfer Straße verkehrsberuhigt. Im Vorfeld stieß das Projekt auch massiven Gegenwind. Doch danach war die Zufriedenheit groß (Die Presse, 2015):

Zwei Drittel jener, die zumindest einen Teil der verkehrsberuhigten Mariahilfer Straße besucht haben, zeigen sich sehr oder eher zufrieden.

Seit Ende Juli [2015] ist der viel debattierte Umbau der Mariahilfer Straße in eine Fußgänger- bzw. Begegnungszone abgeschlossen. Die Neugestaltung kommt bei den Wienern mehrheitlich gut an. Zwei Drittel jener, die zumindest einen Teil der neuen Mariahilfer Straße bereits besucht haben, zeigen sich sehr oder eher zufrieden, heißt es in einer aktuellen Studie des SORA-Instituts im Auftrag der Stadt Wien.

Die Umfrage sieht auch bei jenen Wienern, die die umgestaltete Shoppingmeile noch nicht besucht haben, einen Überhang der positiven Antworten (57 Prozent). Noch etwas knapper fällt die Akzeptanz des Shared-Space-Prinzips in den beiden Begegnungszonen aus. 55 Prozent der insgesamt 1117 Befragten beurteilten die gegenseitige Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer als sehr oder ziemlich gut.

2020 wurden in Großbritannien wegen der Corona-Pandemie verkehrsberuhigte Wohngebiete eingerichtet. In einer Umfrage zeigte sich eine Mehrheit der Bewohner zufrieden mit diesen Maßnahmen. Auch das Problembewusstsein für die negativen Auswirkungen des Autoverkehrs war erstaunlich ausgeprägt (Low Traffic Neighbourhoods Residents‘ Survey, 2021)

The vast majority of respondents who reside in Low Traffic Neighbourhood (LTN) areas agreed that the Government should act to: increase road safety (90%), improve air quality (89%), reduce traffic congestion (89%), and reduce traffic noise (80%) (…)

A majority of respondents supported the reduction of traffic and reallocation of space for walking and cycling, both in their local area (…) and in towns and cities in England (…)

Support for reallocation of road space across towns and cities in England was highest amongst those using trains (87%) underground, metro, light rail and tram (86%) and cyclists (84%), and lowest for those who use a car to travel locally either as a driver (58%) or a passenger (63%).

[T]he top five issues (…) on residential streets were: vehicles going too fast (61%), lack of car parking spaces (59%), heavy traffic (52%), traffic fumes (50%) and traffic noise (50%).

Six in ten (61%) respondents supported the LTN in their local area, whilst three in ten (29%) were opposed to the local scheme. While a majority of business owners supported their local LTN (58%), they were more likely to have opposed it than non-business owners (42% oppose vs. 28% non-business).

Half of business owners supported wider implementation of LTNs; however, they were less likely to have agreed that LTNs should be implemented more broadly across towns and cities in England than non-business owners (50% agree vs. 61% non-business).

Niedrigere Tempolimits sind im Stadtverkehr sinnvoll (Der Standard, 2019):

Statistisch gesehen gibt es auf Tempo-30-Straßen signifikant weniger Unfälle mit Personenschaden – auch wenn man herausrechnet, dass Tempo-50-Straßen naturgemäß stärker befahren sind. Der Grund dafür liegt zum einen im Anhalteweg. Der beträgt bei Tempo 30 noch 13 Meter, bei Tempo 50 aber schon 30 Meter, ist also mehr als doppelt so lang. Zum anderen in der Unfallschwere: Bei Tempo 30 sind weniger als zehn Prozent der Unfälle tödlich. Bei Tempo 50 sind das aber mehr als ein Drittel. Und die Wahrscheinlichkeit, bei dieser Geschwindigkeit als angefahrene Person mit leichten Verletzungen davonzukommen, beträgt weniger als 20 Prozent.

Für die Radlerinnen und Radler bringt Tempo 30 viel mehr Sicherheit. Bei dieser Geschwindigkeit können sie sich problemlos im Fließverkehr bewegen. Bei erlaubten 50 Stundenkilometern dagegen ist eine bauliche Trennung von Rad- und Kfz-Verkehr notwendig (…)

Gerade für Menschen zu Fuß ist es ungleich leichter, spontan und dort, wo es für sie am günstigsten ist, eine Straße zu überqueren, wenn sich die Kraftfahrzeuge mit Tempo 30 nähern.

(…) Und das Argument, dass Tempo 30 Bim und Bus langsam mache, entkräftet [TU-Wissenschaftler Ulrich Leth]. Was wichtig ist – gerade angesichts der Besorgnis, wie sie debattenbezogen in Boulevardmedien aufflammt. Die Fakten für den achten Bezirk zum Beispiel sind folgende: Dort erreichen die Straßenbahnen selten höhere Geschwindigkeiten als 30 Stundenkilometer. Eine niedrigere Maximalgeschwindigkeit würde sie also kaum bremsen. Dagegen würden Ampelschaltungen zugunsten des öffentlichen Verkehrs die einzelnen Linien bedeutend schneller machen.

Und schließlich bringt Tempo 30 in einer Straße zusätzlich Platz. Weniger Asphalt, mehr Grün werden möglich. Laut Verkehrsclub Österreich können Tempo-30-Fahrbahnen im Idealfall um fast einen Meter schmäler gebaut werden als die, auf denen Tempo 50 gilt.

Das deutsche Umweltbundesamt sieht Tempo 30 positiv, auch auf Hauptverkehrsstraßen (Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen, deutsches Umweltbundesamt, 2016):

Eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat in den meisten Fällen keinen nennenswerten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr. Andere Faktoren wie die Qualität der Lichtsignalprogramme, die Anzahl querender Fußgänger oder Bus-halte, Parkvorgänge oder Halten in zweiter Reihe haben in der Regel einen größeren Einfluss. Die Funktion einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr wird daher durch Tempo 30 nicht oder nicht nennenswert beeinträchtigt.

Für ein zügiges Vorankommen sind die Gestaltung der Kreuzungen und ein möglichst kontinuierlicher Verkehrsfluss weitaus wichtiger als die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Die Qualität des Verkehrsflusses kann indirekt durch geringere Höchstgeschwindigkeiten steigen, weil die geringere Spannweite der gefahrenen Geschwindigkeiten eine bessere Fahrzeugpulkbildung ermöglicht und damit die Nutzung von Grünen Wellen unterstützen kann. Für die subjektive Qualitäts-wahrnehmung der Autofahrenden sind gleichmäßige Verkehrsströme ohne große Geschwindigkeitsdifferenzen auf einem niedrigeren, aber homogenen Niveau positiver als höhere Spitzengeschwindigkeiten mit mehr Stopps.

Wichtiger für die subjektive Wahrnehmung und damit die Akzeptanz von Tempo 30 ist die Homogenität des Verkehrsflusses. Der Verkehrsfluss kann Messungen zufolge bei Tempo 30 besser sein als bei Tempo 50.

Tempo 30 führt in der Mehrzahl der untersuchten Fälle zu wahrnehmbaren Lärmentlastungen. Dazu tragen vor allem nachts auch die geringeren Lärmspitzen bei.

Bisherige Tempo-30-Anordnungen haben den vorliegenden Untersuchungen zufolge nicht zu nennenswerten Schleichverkehren geführt. Die Planung sollte eine Senkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit immer im Netzzusammenhang und gemeinsam mit der Qualität des Verkehrsflusses betrachten, um die Attraktivität der Hauptstraßen für den Durchgangsverkehr beizubehalten.

Tempo 30 wird von den Anwohnenden überwiegend positiv wahrgenommen und bewertet.

Bei Tempo 30 ist die Stadt Graz ein europäischer Vorreiter (Verkehrswende – Good Practice aus anderen Ländern, VCÖ, 2021):

Die Stadt Graz war bei Tempo 30 Pionier unter Österreichs Städten. Bereits im September 1992 wurde in Graz flächendeckend Tempo 30 eingeführt. Auf 80 Prozent des Straßennetzes gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 Kilometern pro Stunde.

Die Zahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten und Verletzten ging im Drei-Jahres-Schnitt jeweils um 25 Prozent zurück. Mit Ausnahme von Graz ist flächendeckendes Tempo 30 in Österreich selten. In Wien ist auf rund zwei Drittel des Straßennetzes maximal Tempo 30 erlaubt, in Linz nur auf 45 Prozent.

In Brüssel ist Tempo 30 seit 2021 die Regel (Verkehrswende – Good Practice aus anderen Ländern, VCÖ, 2021):

Mit 1. Jänner 2021 trat in Belgiens Hauptstadt Brüssel ein flächendeckendes Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde in Kraft. Im bebauten Gebiet gilt seither generell als Höchstgeschwindigkeit 30 Kilometer pro Stunde. Auf Hauptstraßen sind besonders gekennzeichnete Ausnahmen von 50 oder 70 Kilometern pro Stunde möglich. In Shared Space Zonen gilt ein Tempolimit von 20 Kilometern pro Stunde. Beim Verlassen einer Shared Space Zone tritt automatisch wieder Tempo 30 in Kraft.

Insgesamt gilt durch die Einführung der neuen Regelungen auf 85 Prozent der Straßen Brüssels maximal Tempo 30. Die Einhaltung des Tempolimits wird über fix installierte Radargeräte kontrolliert, deren Anzahl bis zum Jahr 2024 von 90 auf 150 erhöht wird. Die Bußgeldeinnahmen fließen direkt in einen Verkehrssicherheitsfonds. Aus diesem Fonds werden Maßnahmen finanziert, welche der Verkehrssicherheit dienen, wie Verbesserungen der Infrastruktur, Bewusstseinskampagnen und neue Geräte zur Geschwindigkeitsmessung.

Aus einer EU-weiten Kampagne für Tempo 30 (2013):

Autofahrer lenken ihren Blick automatisch dorthin, wo sie in zwei, bis drei Sekunden sind. Je höher die Geschwindigkeit, desto weiter weg geht also der Blick. Bei Tempo 50 liegt er ca 40 Meter weit vor dem Fahrzeug, bei Tempo 30 dagegen nur etwa 15 Meter. Der Blick geht in die Breite, und das Geschehen rechts und links der Fahrbahn wird besser wahrgenommen. Alle Verkehrsteilnehmenden können sich mit Blickkontakten und Gesten verständigen. Wenn plötzlich am Straßenrand etwas geschieht, können auch die Autofahrer schnell reagieren. Auch die Anzahl der wahrgenommenen Verkehrsschilder nimmt bei Tempo 30 im Vergleich zu Tempo 50 stark zu.

In verkehrsberuhigten Umgebungen wird mehr zu Fuß gegangen und mehr mit dem Rad gefahren. Es kommt es zu signifikant weniger Unfällen (Impacts of 2020 Low Traffic Neighbourhoods in London on Road Traffic Injuries, Transport Findings, 2021):

We assessed the impacts of Low Traffic Neighbourhoods (LTNs) implemented in 2020 on road traffic injuries (…) We found absolute numbers of injuries inside LTNs halved relative to the rest of London (…) Considering changes in background travel patterns, our results indicate substantial reductions in pedestrian injury risk. Risks to other road users may also have fallen, but by a more modest amount. We found no evidence of changes in injury numbers or risk on LTN boundary roads.

Low Traffic Neighbourhoods (LTNs) aim to reduce volumes of through motor traffic on residential streets with measures including planters, traffic cameras, and lockable bollards. They create areas where all homes can be reached by car but where it is difficult or impossible for drivers to cut through from one side of the area to the other. The aim is to discourage driving and simultaneously to create safer and more pleasant walking and cycling environments (…) During 2020, LTNs were implemented at pace across London boroughs under Covid-19 emergency legislation, with 4% of the Greater London population living in areas covered by schemes introduced from March to September (…)

Evidence points to LTNs changing travel patterns, with increases in active travel (walking and/or cycling) and a shift away from cars (…) Such changes in travel behaviour may affect the overall number of road traffic injuries and the risk per trip, potentially with differences by travel modes. We have previously examined the impact on injuries of longer-standing LTNs introduced between 2015-2019 as part of the mini-Holland programme in Waltham Forest, Outer London (…) This research indicated that inside the LTN areas there was approximately a 70% reduction in absolute injury numbers and also approximately a 70% reduction in risk per trip for walking, cycling and car travel alike (…)

In verkehrsberuhigten Umgebungen kommt es zu weniger Unfällen (The Impact of Introducing Low Traffic Neighbourhoods on Road Traffic Injuries, Transport Findings, 2021):

We examine the impact on road traffic injuries of introducing low traffic neighbourhoods in Waltham Forest, London. Using Stats19 police data 2012-2019, we find a three-fold decline in number of injuries inside low traffic neighbourhoods after implementation, relative to the rest of Waltham Forest and the rest of Outer London. We further estimate that walking, cycling, and driving all became approximately 3-4 times safer per trip (…)

Walking and cycling injury numbers fell two- to three-fold relative to both comparison groups (…) Numbers of car driver or passenger injuries decreased relative to both comparison groups (…)

Conversely, there were substantial reductions in motor vehicle traffic inside the LTNs. For example, traffic counts inside the 2015 LTN area indicate that the number of motor vehicle trips fell 56% from February 2014 to July 2016 (London Borough of Waltham Forest 2020). If this is typical, then the seven-fold reduction in numbers of car occupant injuries may approximately correspond to a four-fold reduction in risk per trip (…)

In summary, both absolute injury numbers and injury risk decreased substantially inside the LTNs (…) LTNs should be seen as an intervention that improves road safety as well as improving health through increased physical activity (…)

Das Unfallrisiko mit Todesfolge beim Zusammenstoß von Fußgängern und Kfz ist bei Tempo 50 fünfmal so hoch wie bei Tempo 30 (Pedestrian fatality risk as a function of car impact speed, Accident Analysis & Prevention, 2009):

… a strong dependence on impact speed is found, with the fatality risk at 50 km/h being more than twice as high as the risk at 40 km/h and more than five times higher than the risk at 30 km/h.

Über die Vorteile von niedrigeren Tempolimits (Tempo-Reduktion im Verkehr bringt vielfachen Nutzen, VCÖ, 2021):

Bei Tempo 30 ist der Anhalteweg, also Reaktionsweg plus Bremsweg, eines Autos elf Meter, bei Tempo 50 rund doppelt so lang. Nach elf Metern hat ein Pkw mit Tempo 50 bei Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 0,8 Sekunden noch die volle Geschwindigkeit, während er mit Tempo 30 bereits steht (…)

Verkehrslärm verursacht in Österreich jährlich zwei Milliarden Euro an Kosten. Diese ergeben sich vor allem aus Gesundheitsausgaben und der Entwertung von Immobilien an stark belasteten Straßen (…)

Tempo 30 statt 50 im Ortsgebiet halbiert den wahrgenommenen Lärm.

(…)

Seit dem Jahr 1999 gilt im spanischen Pontevedra Tempo 30, Gehende haben Vorrang. Lediglich Anwohnerinnen und Anwohner, Lieferverkehr und Öffentlicher Nahverkehr dürfen einfahren. Seit dem Jahr 2009 wurde im Zentrum niemand mehr im Verkehr getötet. Die CO2-Emissionen des Verkehrs sanken um 70 Prozent. Der Einzelhandel profitiert stark. Während die Bevölkerungszahl in den 1990er-Jahren stagnierte, ist sie seit Beginn der 2000er-Jahre um über zehn Prozent gestiegen.

Straßenlärm führt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Umwelt & Verkehr, Arbeiterkammer, 2018):

Straßenlärm ist national und EU-weit die weitaus häufigste Quelle (>80%) für starke Belästigung, Schlafstörungen und berechnete Gesundheitskosten. Ca. 70% der Belastungen fallen in städtischen Agglomerationen an.

Insbesondere an hochrangigen Bundesstraßen durch Ortschaften gibt es zu viele Personen mit zu hohen Nachtbelastungen, weil Landesadministrationen wirksame Geschwindigkeitsbegrenzungen (Tempo 30) nur ausnahmsweise genehmigen und moderner, lärmarmer Asphalt nicht mehr zum Einsatz gebracht wird. Die Kombination dieser zwei Maßnahmen würden die Betroffenen-Anzahl deutlich verringern.

Langsamer fahren = weniger Lärm (Langsamer ist leiser, BMK, 2016):

Verkehrsberuhigte Zonen mit 30 km/h können gegenüber den üblichen 50 km/h im Ortsgebiet eine Reduktion des Lärmpegels um rund 4 dB bringen. Diese Lärmreduktion entspricht einer Reduktion des Verkehrsaufkommens um mehr als die Hälfte.

Gegenüber 130 km/h bedeuten 100 km/h bei Pkw eine Abnahme des Pegels um rund 2 dB.

Stark befahrene Straßen sind laut – und damit ein großes gesundheitliches Problem (Europäische Umweltagentur, 2020):

Zwanzig Prozent der europäischen Bevölkerung sind langfristigen Lärmpegeln ausgesetzt, die für ihre Gesundheit schädlich sind. Dies entspricht mehr als 100 Millionen Menschen in Europa. (…)

Eine langfristige Exposition gegenüber Lärm kann verschiedene gesundheitliche Auswirkungen haben, darunter Lärmbelästigung, Schlafstörungen, negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel sowie kognitive Beeinträchtigungen bei Kindern. Ausgehend von den aktuellen Daten schätzen wir, dass Umgebungslärm pro Jahr zu 48 000 neuen Fällen ischämischer Herzerkrankungen sowie zu 12 000 vorzeitigen Todesfällen beiträgt. Zudem leiden unseren Schätzungen zufolge 22 Millionen Menschen chronisch an starker Lärmbelästigung und 6,5 Millionen Menschen an schweren Schlafstörungen (…)

Natürlich gibt es weit mehr vorzeitige Todesfälle im Zusammenhang mit Luftverschmutzung als mit Lärmbelastung. Lärm scheint jedoch größere Auswirkungen auf Indikatoren für Lebensqualität und psychische Gesundheit zu haben. Laut Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Lärm die zweitgrößte umweltbedingte Ursache für Gesundheitsprobleme, unmittelbar nach den Auswirkungen von Luftverschmutzung (Feinstaub).

VCÖ (2021):

Der größte Lärmerreger in Österreich ist der Kfz-Verkehr. Der VCÖ betont, dass Städte und Gemeinden mit Verkehrsberuhigung die schädliche Lärmbelastung reduzieren können (…)

Der VCÖ weist darauf hin, dass stark befahrene Straßen eine Belastung von über 55 Dezibel aufweisen. Dauerhafter Lärm macht krank, weist der VCÖ auf die Folgen hin. Lärm versetzt den Körper in einen Stresszustand, das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und das Schlaganfallrisiko steigen. Auch Schlafstörungen und mangelnde Konzentrationsfähigkeit sind Folgen von dauerhaftem Lärm.

Verkehrslärm ist ein Problem für viele Menschen in Österreich ([Laut]schrift, Bundesministerium für Landwirtschaft, 2006):

In Wien selbst führen rund 35 % der Befragten an, durch Lärm gestört zu sein, in Gemeinden mit weniger als 20.000 EinwohnerInnen knapp 25 %. Mit Abstand am häufigsten – in über 73 % der Antworten – wird Verkehrslärm als Lärmquelle genannt. Nach Verursachern beim Verkehrslärm liegen die Kraftfahrzeuge an erster Stelle mit fast 60 % der Antworten. Rund ein Viertel davon wird Bussen und Lkw zugeordnet. Eisenbahnen werden von ca. 8 %, Flugzeuge von ca. 4 % und Straßenbahnen von ca. 2 % % der Befragten als Lärmverursacher genannt.

Der Straßenverkehrslärm setzt sich in erster Linie aus den Antriebsgeräuschen der unterschiedlichen Kraftfahrzeuge und dem Abrollgeräusch der Reifen auf der Fahrbahn zusammen. Die Höhe des Geräuschpegels des Straßenverkehrs wird durch die Anzahl der Kraftfahrzeuge, deren Geschwindigkeit, von der Art des Fahrbahnbelags, der Beschaffenheit der Straße und einigen anderen Faktoren bestimmt. Der Geräuschpegel eines Kraftfahrzeugs darf bei der Typenprüfung und im späteren Betrieb einen bestimmten Wert nicht überschreiten.

Die Weltgesundheitsorganisation warnt vor den gesundheitlichen Schäden von Lärm und fordert die Politik zum Handeln auf (Environmental noise guidelines for the European region, 2018):

To reduce health effects, the GDG strongly recommends that policymakers implement suitable measures to reduce noise exposure from road traffic (…) [T]he GDG [Guideline Development Group] recommends reducing noise both at the source and on the route between the source and the affected population by changes in infrastructure.

Noise is one of the most important environmental risks to health (…) [A]t least 100 million people in the EU are affected by road traffic noise, and in western Europe alone at least 1.6 million healthy years of life are lost as a result of road traffic noise.

Über die Faktoren, die Einfluss auf den Verkehrslärm haben (Deutsches Umweltbundesamt, 2020):

Die von Kraftfahrzeugen ausgehenden Geräusche sind hauptsächlich Antriebsgeräusche (Motor sowie Ansaug- und Abgastrakt, Getriebe) und das Reifen-Fahrbahn-Geräusch. Dabei hängen die Antriebsgeräusche in erster Linie von der Drehzahl des Motors, die Reifen-Fahrbahn-Geräusche dagegen von der Geschwindigkeit des Kraftfahrzeuges und der Beschaffenheit von Reifen und Fahrbahn ab.

Bei Pkw mit klassischem Verbrennermotor ist bei konstanter Geschwindigkeit – je nach Fahrbahnoberfläche und Gang – das Reifen-Fahrbahn-Geräusch ab etwa 30 km/h dominant, bei Lastkraftwagen ab etwa 60 km/h.

Das Reifen-Fahrbahn-Geräusch wird neben der Fahrzeuggeschwindigkeit sowohl von der Wahl des Reifens als auch von Art und Zustand der Fahrbahn beeinflusst. Die Bandbreite des Reifeneinflusses liegt bei marktüblichen Reifen bei etwa drei bis vier dB(A). Der Einfluss des Fahrbahnbelags kann deutlich größer sein. So erzeugt ein grobes Pflaster um sechs bis zehn dB(A) höhere Pegel als ein glatter Gussasphaltbelag. Ein moderner geräuschmindernder Straßenbelag kann dagegen um bis zu acht dB(A) leiser als der Referenzbelag sein.

Die Klimaerwärmung wird sich in Wien besonders stark auswirken (Der Standard, 2019):

[D]ie Forscher [kommen] zum Schluss, dass die klimatischen Bedingungen in europäischen Großstädten im Jahr 2050 in etwa die gleichen sein werden, die heute in Metropolen tausend Kilometer weiter südlich herrschen. Für London etwa seien demnach Verhältnisse wie heute in Barcelona zu erwarten; für Madrid jene, die zurzeit in Marrakesch herrschen. Das Klima von Wien werde im Jahr 2050 ähnlich jenem sein, das heute die nordmazedonische Hauptstadt Skopje aufweist, während in Stockholm 2050 heutige Wiener Verhältnisse zu erwarten sind.

In Wien wird der Anstieg wie in anderen mittel- und südosteuropäischen Städten bei der Sommerhöchsttemperatur besonders stark ausfallen: Die Forscher prognostizieren für die österreichische Hauptstadt sommerliche Maximaltemperaturen, die um bis zu 7,6 Grad höher liegen als 1850. Spitzenreiter in dieser Liste aller 520 Städte ist die slowenische Hauptstadt Ljubljana mit plus 8 Grad.

Hitze geht mit Gefahren für die Gesundheit einher (Der Standard, 2021):

Ist es heiß, beginnt der Körper mit einem Hitzeabwehrmechanismus: dem Schwitzen. Dabei gehen Flüssigkeit und Mineralstoffe verloren. Um für Abkühlung zu sorgen, pumpt das Herz auch mehr Blut in die Hautgefäße, diese weiten sich. Dadurch sinkt der Blutdruck, der Kreislauf wird geschwächt. Das kann dazu führen, dass das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird – es kommt zu Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen (…)

Studien belegen, dass es vermehrt zu Schlafstörungen kommt, Aggressionen, Ängste und Depressionen nehmen zu. Insgesamt nimmt die körperliche und geistige Leitungsfähigkeit durch den Hitzestress teils stark ab. Im Extremfall führt Hitze zum vorzeitigen Tod (…)

Besonders gefährdet sind (…) alte Menschen und chronisch Kranke. Neben Patienten, die an einer Herz- oder einer Atemwegserkrankung leiden, sind das auch Personen mit neurologischen Erkrankungen. „Die Fähigkeit zu schwitzen ist etwa bei einer Verletzung des Rückenmarks gestört: Betroffene können unterhalb der Lähmungshöhe nicht schwitzen“, sagt Hutter.

Wer auf die Wiener Hitzekarte blickt, erkennt zwei Dinge: Die Temperatur nimmt vom Stadtrand aus in Richtung Zentrum zu. Und: Heiß wird es tendenziell dort, wo das Haushaltseinkommen niedrig ist.

Laut dem Spezialreport „Gesundheit, Demografie und Klimawandel“, den Forschende unterschiedlicher Disziplinen 2018 veröffentlicht haben, sind arme Menschen besonders von Folgen des Klimawandels wie Hitze betroffen: Sie arbeiten statistisch gesehen häufiger in Berufen, die körperlich anstrengend und der Hitze ausgesetzt sind, sie leben in Wohnungen mit schlechter Bausubstanz und Ausstattung, sie können sich Urlaube und Ausflüge ins Grüne oft nicht leisten, sind häufiger chronisch krank.

Fahrbahnen und Parkplätze werden meist mit Asphalt ausgeführt. Doch Asphalt ist ein großes Problem, nicht zuletzt bzgl. Feinstaub (ORF, 2020):

Die Feinstaubsaison beginnt eigentlich im Herbst. Dann schweben mehr der winzigen Partikel in der Luft, die bei der Verbrennung von Diesel oder Benzin entstehen bzw. durch Ölheizungen oder offene Feuer in die Atmosphäre gelangen. Im Sommer dürfte vor allem sekundärer Feinstaub die Luft verschmutzen (…) Asphalt dürfte dabei eine wichtige Quelle für jene Chemikalien sein, aus denen sekundärer Feinstaub entsteht. Im Sommer schwitzt der Asphalt diese organischen Verbindungen gewissermaßen aus – ein Umstand, den man an heißen Tagen in der Stadt auch riechen kann (…)

[Die Forscher] konnten zeigen, dass an der Südküste Kalifornierns mehr Feinstaub durch Asphalt in die Atmosphäre gelangt als durch die Verbrennungsmotoren von Autos oder Motorrädern im gesamten Straßenverkehr (…)

Um herauszufinden, wie viele Aerosole der Asphalt absondert, erhitzten die Forschenden den Bodenbelag unter Laborbedingungen. Die Messungen zeigen, dass Asphalt ab 40 Grad Celsius Bodentemperatur größere Mengen solcher Vorläufergase ausstößt. Bei 60 Grad Celsius war die Menge bereits doppelt so groß. Das sind Bodentemperaturen, die im Sommer auch in Österreich leicht erreicht werden, denn der Belag ist im Schnitt doppelt so warm wie die Luft. In den Landeshauptstädten gab es im Sommer 2019 zwischen 19 und 36 Hitzetagen mit Lufttemperaturen über 30 Grad Celsius.

Durch helle Straßenbeläge und Pflastersteine lassen sich die Temperaturen senken (Baublatt, 2020):

Schwarze Flächen nehmen die Wärmestrahlung der Sonne intensiv auf, speichern sie sehr gut im Inneren und reflektieren nur einen sehr geringen Anteil. Bei hellen Flächen ist das jedoch anders. Bei den hellen Pflastersteinen und Terrassenplatten werden nämlich die Sonnenstrahlen größtenteils reflektiert und die Wärme gelangt erst gar nicht in den Belag“, erklärt Gernot Brandweiner, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke. „Dies ist eine wichtige Erkenntnis, die im Zusammenhang mit den Folgen des Klimawandels infolge der globalen Erderwärmung eine große Rolle spielt. Insbesondere der sogenannte Hitzeinseleffekt in Städten kann durch die richtige Auswahl der Baustoffe – ihrer Oberfläche und Farbe – reduziert werden“, so Brandweiner.

Auch die Stadt Wien hat die problematischen Eigenschaften von Asphalt erkannt, und setzt vermehr auf andere Beläge und unversiegelte (begrünte) Flächen. Jürgen Preiss vom Bereich Räumliche Entwicklung in der Stadt Wien – Umweltschutz (in: Baublatt, 2020):

Wir wissen, dass dunkle Oberflächen und Bodenbeläge zu einer starken Wärmeabsorption in öffentlichen Freiräumen und auf Verkehrsflächen führen. Aus diesem Grund ist eine der wichtigen Maßnahmen der Stadt Wien – Umweltschutz das Aufhellen und Entsiegeln von Belägen im Freiraum (…)

Eine Kombination von helleren Farben, rauen Flächen und porösen Materialien bei der Auswahl von Belägen kann helfen, die Oberflächentemperatur und die Menge an gespeicherter thermischer Energie deutlich zu reduzieren.

Passende Bodenbeläge können urbane Hitzeinseln reduzieren (US Environmental Protection Agency, ca. 2017):

Conventional paving materials can reach peak summertime temperatures of (…) 48–67°C, transferring excess heat to the air above them and heating stormwater as it runs off the pavement into local waterways. Due to the large area covered by pavements in urban areas (nearly 30–45% of land cover based on an analysis of four geographically diverse cities), they are an important element to consider in heat island mitigation.

In addition to reducing heat islands, the benefits of cool pavements include:

  • Reduced stormwater runoff and improved water quality: Permeable pavements can allow stormwater to soak into the pavement and soil, reducing runoff and filtering pollutants. Both permeable and non-permeable cool pavements can also help lower the temperature of runoff, resulting in less thermal shock to aquatic life in the waterways into which stormwater drains.
  • Lower tire noise: The open pores of permeable pavements can reduce tire noise by two to eight decibels and keep noise levels below 75 decibels, although noise reduction may decline over time.
  • Enhanced safety: Permeable roadway pavements can improve safety by reducing water spray from moving vehicles and increasing traction through better water drainage.
  • Better nighttime visibility: Reflective pavements can enhance visibility at night, potentially reducing lighting requirements and saving both money and energy.
  • Improved local comfort: Cool pavements in parking lots or other areas where people congregate or children play can provide a more comfortable environment.

Zum Thema Hitzeinseln (Heat Island Compendium, U.S. Environmental Protection Agency, 2008):

[U]rban areas are characterized by dry, impervious surfaces, such as conventional roofs, side­walks, roads, and parking lots. As cities develop, more vegetation is lost, and more surfaces are paved or covered with build­ings. The change in ground cover results in less shade and moisture to keep urban areas cool. Built up areas evaporate less water, which contributes to elevated surface and air temperatures (…)

Increased daytime surface temperatures, reduced nighttime cooling, and higher air pollution levels associated with urban heat islands can affect human health by contributing to general discomfort, respira­tory difficulties, heat cramps and exhaus­tion, non-fatal heat stroke, and heat-related mortality (…)

Leaves and branches reduce the amount of solar radiation that reaches the area below the canopy of a tree or plant. The amount of sunlight transmitted through the canopy varies based on plant species. In the summertime, generally 10 to 30 percent of the sun’s energy reaches the area below a tree, with the remainder being absorbed by leaves and used for photosynthesis, and some being reflected back into the atmosphere. In winter, the range of sunlight transmitted through a tree is much wider—10 to 80 percent—because evergreen and deciduous trees have different wintertime foliage, with deciduous trees losing their leaves and allowing more sunlight through.

Shading reduces surface temperatures below the tree canopy. These cooler surfaces, in turn, reduce the heat transmitted into buildings and the atmosphere (…)

Trees and vegetation absorb water through their roots and emit it through their leaves—this movement of water is called“transpiration.” (…) Evaporation, the conversion of water from a liquid to a gas, also occurs from the soil around vegetation and from trees and vegetation as they intercept rainfall on leaves and other surfaces. Together, these processes are referred to as evapotranspiration. Evapotranspiration cools the air by using heat from the air to evaporate water. Evapotranspiration, alone or in combination with shading, can help reduce peak summer air temperatures (…)

Shading pavement in parking lots and on streets can be an effective way to help cool a community. Trees can be planted around perimeters and in medians inside parking lots or along the length of streets. Strategically placed shade trees also can benefit playgrounds, schoolyards, ball fields, and similar open spaces (…)

Trees and large shrubbery also can shade pavements to reduce their surface temperatures. Planting trees at regular intervals of 6 to 12 meters along both sides of a street, as well as along medians is a common way to provide valuable shading.

Die Wiener Wirtschaftskammer untersuchte, welche wirtschaftlichen Auswirkungen Umgestaltungen haben (Kurier, 2019):

Den Verkehr in Geschäftsstraßen zu beruhigen oder sie zu sanieren, bringt Umsatz, Jobs und Steuereinnahmen.

Einkaufsstraßen umzubauen, zahlt sich auch langfristig aus. Der Grund: Fertig sanierte oder umgestaltete Shoppingmeilen werden stärker besucht. Davon profitiert die Unternehmerschaft – und in weiterer Folge auch die öffentliche Hand. Wie die Studie auf Basis von Zahlen aus dem Jahr 2014 zeigt, hängen Frequenz und Umsatz direkt zusammen (…) Konkret bringt jeder Passant auf den Wiener Einkaufsstraßen rund 27 Euro Extra-Umsatz (…) Der gesteigerte Umsatz entspricht im Wesentlichen der dauerhaften Wertschöpfung, die ein Umbau generiert.

Verkehrsberuhigung fördert das Geschäft. Aber mit einer gewissen Anpassungszeit muss gerechnet werden (Shoppers and how they travel, Sustrans, 2006):

“There is strong evidence of the proven benefits of limited road closures” and that” a large number of studies conducted in Europe and elsewhere show that levels of retail activity are generally improved”. However the report also noted that “there can be a reduction in turn-over during a transition period of 1-2 years“.

Eine 2008 in der Thaliastraße (1160 Wien) durchgeführte Studie ergab (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Knapp 80 Prozent der zu Fuß Gehenden war vor nicht mehr als zwei Tagen das letzte Mal in der Thaliastraße einkaufen. Dagegen war nur knapp die Hälfte der NutzerInnen anderer Verkehrsmittel vor nicht mehr als zwei Tagen zum letzten Mal zum Einkauf in der Thaliastraße. Im Durchschnitt besuchen die zu Fuß Gehenden die Thaliastraße 3,3 mal pro Woche zum Einkaufen, die NutzerInnen anderer Verkehrsmittel dagegen nur rund 2,2 mal pro Woche (…)

Zusammenfassend kann aus den Befragungsergebnissen geschlossen werden, dass in der Thaliastraße zu Fuß Gehende pro Woche mehr ausgeben als die NutzerInnen anderer Verkehrsmittel. Im Durchschnitt gaben die zu Fuß Einkaufenden rund 72 Euro pro Woche aus, die NutzerInnen der anderen Verkehrsmittel dagegen nur rund 65 Euro pro Woche. Unter Einbeziehung der Verkehrsmittelanteile (…) kann der Umsatzanteil der zu Fuß Gehenden mit rund zwei Drittel abgeschätzt werden.

Beispiel aus Madrid (Spanien) (Forbes, 2019):

Cities which want to boost takings in shops and restaurants should restrict access for motorists, a new study suggests. Madrid closed its central business district to cars for the first time during the 2018 Christmas period and an analysis informed by Spain’s second largest bank has found that, year-on-year, till transactions were significantly boosted by the measure. The closure also had another benefit: cleaner air.

Verkehrsberuhigungsmaßnahmen (Umbauten) bringen Steuereinnahmen und Arbeitsplätze (Der Standard, 2019):

Laut WKW [Wirtschaftskammer Wien] (…) bringen diese Zonen [u. a. Stephansplatz, Rotenturmstraße, Herrengasse] nach ihrer Fertigstellung insgesamt 9,1 Millionen Euro Wertschöpfung im Jahr und 122 Jobs. Allein in der Herrengasse gebe es eine jährliche Wertschöpfung von 1,1 Millionen Euro. Alle fünf Projekte zusammen sollen für die Dauer der Bauphase zudem 277 Arbeitsplätze geschaffen haben oder schaffen und dem Staat 14,8 Millionen Euro an Steuern und Abgaben bringen.

2019 wurde die Rotenturmstraße in Wien zur Begegnungszone umgebaut. Die anfangs skeptischen Geschäftsbetreiber waren hernach zufrieden (Der Standard, 2019):

Eine kleine STANDARD-Befragung von Geschäftsleuten in der seit Juni im Umbau befindlichen Rotenturmstraße zeigt, dass man sich zwar über den Baustellenlärm („laut“, „nervig“) ärgert und dass es mindestens einen Monat deutlich weniger Kundenfrequenz gegeben habe. Der Umbau sei aber eine „Aufwertung“, die Straße nun „viel schöner“.

Fußgängerzonen sind bei Geschäftsbetreibern sehr beliebt, wie eine Umfrage unter Händlern in Finnland zeigte (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Im Falle eines Umzugs würden zwei Drittel der befragten Geschäftsleute mit aktuellem Standort in einer Fußgängerzone wieder einen solchen wählen. Die Hälfte der Geschäftsleute mit einem aktuellen Standort in einer Pkw-Straße würden im Falle eines Umzugs einen Standort in einer Fußgängerzone wählen.

Studie aus Wien (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Eine Mitte der 1990er Jahre in Wien durchgeführte Analyse des Einkaufsverhaltens ergibt ein sehr ähnliches Bild (…) Zu Fuß Einkaufende geben pro Einkauf weniger aus als solche, die mit dem öffentlichen Verkehr oder dem motorisierten Individualverkehr zum Einkauf fahren. Durch die höhere Frequenz werden die geringeren Ausgaben je Einkauf aber mehr als kompensiert. Dies gleichzeitig bei deutlich geringerem Energieverbrauch.

Eine 2014 in London durchgeführte Studie (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Die Ausgaben der befragten zu Fuß Gehenden lagen im Durchschnitt bei 91 Pfund pro Woche. Damit geben die zu Fuß Gehenden im Durchschnitt etwa das eineinhalb bis zweifache der NutzerInnen der anderen Verkehrsmittel aus. Zu Fuß Gehende kaufen deutlich häufiger ein als die NutzerInnen der anderen Verkehrsmittel (…)

Die Hälfte der befragten zu Fuß Gehenden gab an, die Einkaufsmöglichkeiten im Erhebungsgebiet pro Woche fünfmal oder häufiger zu besuchen. Die Ausgaben je Besuch der Verkehrsmittel zu Fuß Gehen, Fahrrad und öffentlicher Verkehr unterscheiden sich nur wenig und liegen im Bereich von rund 23 bis 25 Pfund. Mit nicht ganz 40 Pfund je Besuch liegen die Ausgaben der Pkw-NutzerInnen deutlich höher. Die größere Häufigkeit der Besuche führt allerdings zu den eingangs erwähnten insgesamt höheren Ausgaben der zu Fuß Gehenden.

Eine Studie aus London zeigt, dass bei der Gestaltung von Straßen besonders auf Fußgänger und deren Bedürfnisse Rücksicht genommen werden sollte. Das hat nicht zuletzt positive wirtschaftliche Auswirkungen (Street Appeal. The value of street improvements, 2018):

The research found that improvements to the quality of the publically owned and managed areas of London’s mixed streets, such as high streets and town centres, return substantial benefits to the everyday users of streets, and to the occupiers of space and investors in surrounding property (…)

The most important level of intervention (…) should involve improving the pedestrian experience by making adequate space for pedestrian movement and activity. Next comes the enhancement of social space, notably the creation of attractive and comfortable space for sitting, observing, socialising and so forth (…)

Britische Studien (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Verbesserungen des öffentlichen Raums in Peace Gardens, Sheffield führten zu einer Zunahme der Frequenz von 35 Prozent und einer Steigerung des Umsatzes um 4,2 Millionen Pfund.

Verbesserungen für FußgängerInnen in Coventry und Bristol führten zu einer 25 prozentigen Steigerung der Frequenz und einem Umsatzplus von 1, Millionen Pfund (…)

Die Umsetzung eines Shared Space in der New Road in Brighton brachte eine 162 prozentige Erhöhung der Frequenz (…)

Nach Einführung der diagonalen Fußgängerquerung am Oxford Circus erhöhte sich der Umsatz des dortigen Nike-Standorts um 25 Prozent (…)

In einer Studie aus Neuseeland von 2014 (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016) …

… liegen Daten über die Umsätze vor, während und nach der Umgestaltung der Einkaufsstraßen im Fort Street Area in Aukland (…) Während der Bauphase war ein leichter Rückgang der Einzelhandelsumsätze zu beobachten. Die Bewirtungsumsätze stiegen dagegen deutlich an. Der Konsum der Bauarbeiter ist eine mögliche Erklärung für diesen Anstieg.

Im Jahr nach der Einführung des Shared Space lagen die Einzelhandelsumsätze rund 16 Prozent über dem Niveau des Jahres vor dem Umbau. Im selben Zeitraum verfünffachten sich die Bewirtungsumsätze. Der Gesamtumsatz wurde mehr als verdoppelt. Obwohl der Zeitraum für eine endgültige Evaluierung noch relativ kurz ist, scheint es zulässig einen Großteil der Umsatzsteigerung der Umgestaltung in einen Shared Space zuzuschreiben.

Studienergebnisse u. a. aus Großbritannien (The pedestrian pound, 2018):

Case study evidence suggests that well-planned improvements to these public spaces can boost footfall [=Kundenfrequenz] and trading by up to 40%.

Investing in better streets and spaces for walking can provide a competitive return compared to other transport projects; walking and cycling projects can increase retails sales by 30%.

There are case study examples of where public investment has been associated with subsequent increases in employment. In Dublin, the redevelopment of the Temple Bar District led to a 300% increase in employment before the economic boom. Cultural quarters in Sheffield and Manchester have also seen increases in employment, albeit less dramatic ones.

Geschäftsleute überschätzen die Bedeutung des Pkw. Eine Umfrage in vier Wiener Einkaufsstraßen  (Favoritenstraße, Kärntner Straße, Landstraßer Hauptstraße, Mariahilfer Straße) ergab Folgendes (durchgeführt 1994; in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Der Anteil der zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Verkehr zum Einkauf Kommenden wird durch die Geschäftsleute unterschätzt. Die Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs wird dagegen beinahe um das Dreifache überschätzt.

Auch eine 2003 durchgeführte Grazer Umfrage kommt auf vergleichbare Ergebnisse (Quelle s. o.):

Auch hier unterschätzen die Geschäftsleute den Anteil der zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Verkehr zum Einkauf Kommenden. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs wird dagegen signifikant überschätzt.

In einer Studie von 2008 wurden Passanten in der Thaliastraße (16. Bezirk, Wien) befragt (Quelle s. o.):

70 Prozent der befragten Personen haben ihren Wohnsitz im Bezirk Ottakring, in etwa gleich viel kommen aus den Nachbarbezirken bzw. anderen Bezirken Wiens (12 bzw. 13 Prozent), der Rest aus den Bundesländern Burgenland und Niederösterreich. Rund 55 Prozent der Befragten gab an, am Befragungstag in der Thaliastraße bereits eingekauft zu haben oder dies vorzuhaben. Rund 11 Prozent der befragten Personen gab an, nie in der Thaliastraße einzukaufen. Bezüglich des Hauptverkehrsmittels, mit dem die Thaliastraße erreicht wurde, besteht kein Unterschied zwischen der Gruppe jener, die zum Einkaufen in der Thaliastraße war und der Gruppe jener, die nicht zum Einkauf in der Thaliastraße waren. Nicht ganz zwei Drittel kamen zu Fuß, weniger als 10 Prozent benutzten einen Pkw.

Aus einer finnischen Studie von 2013 (in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens …, TU Wien, 2016):

Die Kaufleute in Fußgängerzonen überschätzen den Anteil der zu Fuß Gehenden, jene in Pkw-Straßen unterschätzen ihn dagegen. Besonders auffällig ist die sehr hohe Überschätzung des Pkw-Anteils durch die Kaufleute in Pkw-Straßen sowie die generelle Unterschätzung des Anteils der Radfahrenden und der ÖV-NutzerInnen.

Viele Haushalte in Wien besitzen gar kein Auto (Lebensqualität in einer wachsenden Stadt, 2018):

(Studie: Lebensqualität in einer wachsenden Stadt, 2018)

Der britische Verein Sustrans erläutert die Vorteile des Radverkehrs und wie Geschäftsinhaber den Anteil von Kunden, die mit dem Auto kommen, weit überschätzen. Anhand einer Studie aus Bristol (2006):

[W]e found that retailers overestimate the importance of the car. We also found that they overestimate how far their customers travel and underestimate how many shops each customer visits (…)

It is traditional for retailers to pursue more car access and parking, and to resist measures to promote walking, cycling and public transport use – although pedestrian shopping areas tend to be commercially most successful. Our findings suggest that retail vitality would be best served by traffic restraint, public transport improvements, and a range of measures to improve the walking environment (…)

Retailers overestimated the importance of car-borne trade by almost 100%; they estimated that 41% of their customers arrived by car, whereas only 22% had done so. In fact, more than half of shoppers walked to the shops. Walking to neighbourhood shops, and meeting friends and acquaintances there, is an enjoyable social activity, as well as an efficient way of shopping.

Eine Studie aus Edinburgh (Schottland) aus dem Jahr 2000 (Traffic restraint and retail vitality, Sustrans, 2003):

Pedestrian Surveys found that most people arrived by bus (39.5%), followed by people travelling on foot (25.2%). The car had less than 25% of the total transport spread.

Örtliche Einkaufsmöglichkeiten sind wichtig, damit die Menschen nicht anderswo einkaufen. Das relativiert auch die Bedeutung von Parkplätzen, wie eine britische Studie aus dem Jahr 2000 zeigt (Traffic restraint and retail vitality, Sustrans, 2003):

[T]he range and quality of facilities offered by local centres, especially the availability of food shops, is an important determinant of the extent to which people use neighbourhood centres, rather than travel to centres elsewhere. The availability of facilities is substantially more important than other transport related factors such as public transport or parking.

Die meisten Einkäufer (Einkaufsstraßen und Einkaufszentren) kommen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß (Studie der Wirtschaftskammer von 2008):

Im Jahr 2008 führte die Wirtschaftskammer Wien nach 20 Jahren zusätzlich zur PassantInnenzählung erstmals wieder eine PassantInnenbefragung durch. Die Ergebnisse dieser Befragung zeigen, dass bei der Verkehrsmittelwahl dem öffentlichen Verkehr und dem zu Fuß Gehen mit rund 47 bzw. 38 Prozent die größte Bedeutung zukommt. Der Anteil jener, die mit dem Auto in die Einkaufsstraßen kommen, ist dagegen mit 13 Prozent gering.

Dies deckt sich mit Ergebnissen der sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung der MA 18, die besagen, dass bis zu 34 Prozent der Befragten ihre Einkäufe und Besorgungen hauptsächlich zu Fuß erledigen. Dies ist umso bemerkenswerter, da diese Umfrage auch Großeinkäufe in Einkaufszentren einschließt.

Fußgängerzonen sind auch deswegen erfolgreich, weil Fußgänger Autoverkehr meiden und folglich auch Einkaufsstraßen, die verkehrsbelastet sind. Aus einer britischen Studie (The pedestrian pound, 2018):

It is often assumed that more parking is the answer to struggling high streets. However across Europe, studies have linked the quality of public spaces to people’s perceptions of attractiveness of an area, contributing towards their quality of life and influencing where they shop.

Pedestrianisation has also been blamed for falling sales, ignoring the many contributing factors. Contrary to this claim, there is consistent evidence that customers like pedestrian environments and dislike traffic.

Geschäftsinhaber überschätzen die Bedeutung des Autos. Viele Kunden kommen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Rad oder zu Fuß, viele wohnen in der Nähe des Geschäfts. Kunden, die mit dem Auto kommen, geben tendenziell sogar am wenigsten aus (Local Business Perception vs. Mobility Behavior of Shoppers: A Survey from Berlin, 2021):

Business voices often oppose a redistribution of urban traffic space in favor of active transport modes. We surveyed 145 traders about their perceptions of their customers’ mobility behavior and interviewed 2,019 shoppers on two shopping streets in Berlin, Germany. Our results indicate that traders overestimate car use and underestimate active transport. Further, potential customers more often live close to their shopping destinations than retailers perceive (…)

While only 6.6% of shoppers travelled to the streets by car, on average traders estimated 21.6% of their customers use this mode (…) Further they underestimate transit, pedestrian, and bicycle travel by 8.1%, 6.2% and 3% respectively (…)

The results indicate that transport mode of traders (positively) influences their estimate of the proportion of customers who use the same mode. For example, traders who drive to their business estimated much higher customer car use (28.6%) than traders using other modes, who estimated between 10% and 19% (…) The car was the mode of choice for 42.1% of merchants; much higher than actual use by shoppers (…)

Traders were found to overestimate the distance customers travel to visit their businesses. Our results showed that over half (51.2%) of shoppers lived less than 1 kilometer from the shopping street. In contrast, traders on average estimated that only 12.6% of customers live within this distance (…)

On average shoppers who arrived by car spent 23.45€, while cyclists and pedestrians spent 11.98€ and 11.63€, respectively (…) However, drivers represent just 6.58% of the sample and report visiting the streets less frequently than cyclists and pedestrians. To estimate the relative revenue contribution by mode we calculated a weekly spend based on reported frequency of visit to the street and the representation of the mode in the sample. This assumes that spending behavior will, on average, be replicated at each visit to the street. Mid-point values were applied to the spans and 125€ was assumed for answers of “more than 100€.” Results show that automobile drivers are responsible for the lowest proportion of revenue at 8.7% compared to pedestrians (61%), transit users (16.5%), and cyclists (13.5%). That is, despite spending less than half that of car users per visit, the higher proportion of transit and active transport users combined with greater frequency of visits means these modes contribute the large majority of total revenue (91%).

 

Im 20. Jahrhundert wurde der Autoverkehr massiv von den Staaten und Kommunen gefördert (Zukunft Mobilität, 2020):

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden nahezu flächendeckend Flächen vom ÖPNV, Fußverkehr und Radverkehr zugunsten des Kfz-Verkehrs umverteilt, um die “Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs” sicherzustellen. Die durch die massive Förderung des Automobils entstandenen negativen externen Effekte und die übergeordneten gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen haben über die vergangenen Jahrzehnte die verkehrs- und umweltpolitischen Zielsetzungen verändert, die mit Maßnahmen unterlegt werden. Für das Erreichen der Ziele ist die Lösung der Nutzungskonkurrenz um den vorhandenen Raum entscheidend. So ist beispielsweise eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV nur mit “Tarifinnovationen” nicht zu erreichen, hierfür braucht es auch Angebotsausweitungen und Infrastrukturverbesserungen.

Autofahren kommt der Gesellschaft in Summe teuer (Klimaziele nur mit mehr aktiver Mobilität erreichbar, VCÖ, 2019; Studie: The Social Cost of Automobility, Cycling and Walking in the European Union, 2019):

Während in Europa ein mit dem Pkw zurückgelegter Kilometer Kosten von durchschnittlich 11 Cent für die Gesamtgesellschaft verursacht, schaffen Radfahren und Gehen einen gesellschaftlichen Nutzen – vor allem durch Einsparungen im Gesundheitssystem – im Wert von 18 beziehungsweise 37 Cent je Kilometer. Die volkswirtschaftlichen Kosten, die durch ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel entstehen, betragen in Österreich jährlich acht bis zwölf Milliarden Euro. Eine Verdoppelung des Radverkehrsanteils auf 13 Prozent würde den Gesundheitsnutzen durch das Radfahren auf über eine Milliarde Euro jährlich erhöhen.

Radfahren und Gehen ist im (wirtschaftlichen) Kosten-Nutzen-Verhältnis sehr positiv (The Social Cost of Automobility, Cycling and Walking in the European Union, 2019):

Extrapolated to the total number of passenger kilometers driven, cycled or walked in the European Union, the cost of automobility is about €500 billion per year. Due to positive health effects, cycling is an external benefit worth €24 billion per year and walking €66 billion per year.

Die vergesellschaftlichten (also nicht vom einzelnen Fahrer) getragenen Kosten des Autoverkehrs sind beträchtlich (Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland, Allianz pro Schiene e.V., 2017/2019):

Die gesamten externen Kosten des Verkehrs belaufen sich in Deutschland für das Jahr 2017 auf rund 149 Mrd. Euro (…) 94,5% (…) davon verursacht der Straßenverkehr, 3,8% (…) der Schienenverkehr, 0,9% (…) der inländische Luftverkehr und 0,8% (…) die Binnengüterschifffahrt (…)

Der größte Anteil verursachen mit 41% (…) die Unfallkosten, dann mit 21% (…) die Kosten der vor- und nachgelagerten Prozesse, die Klimakosten mit 18% (…), die Natur und Landschaftskosten mit 9% (…), die Luftschadstoffe mit 6% (…) und die Lärmkosten mit 5% (…)

Die höchsten durchschnittlichen externen Kosten verursachen die Motorräder mit rund 54 €-cent / Pkm [Pkm = Personenkilometer]. Der Hauptgrund dafür sind die Unfallkosten, die vergleichsweise hoch sind bei den Motorrädern. Die zweithöchsten Durchschnittskosten fallen mit rund 13 €-cent / Pkm beim Inlandsluftverkehr an. Mehr als die Hälfte der durchschnittlichen Kosten beim Luftverkehr sind auf die Klimakosten zurückzuführen. Rund 11 €-cent / Pkm betragen die Durchschnittkosten der PKW und rund 3 €-cent / Pkm diejenigen der Busse (Linien-und Reisebusse). Die Durchschnittskosten des Eisenbahnpersonenverkehrs betragen 3,2 €-cent / Pkm und sind ein gewichtetes Mittel aus 2,1 €-cent / Pkm des Personenfernverkehrs und 4,1 €-cent / Pkm des Personennahverkehrs (Diesel und elektrisch).

Negative Folgen des Autos für den Einzelhandel (The pedestrian pound, Living Streets, 2018):

Between 1998–2009 the UK’s population grew by 5.8 per cent and retail spend grew by £10 billion. In spite of this, over the last decade 16 per cent of high street shops across Britain became vacant. This has been driven partly by the growth of out-of town shopping since the 1980s. On average, people made 19% fewer shopping trips in 2011 than in 1995–7, as they moved to longer, less frequent car trips. A quarter of all UK journeys are made on foot, but two thirds of shopping trips are made by car, even though many of these are short and potentially walkable.

Parkenden Kfz werden oft viele öffentliche Flächen zur Verfügung gestellt. Diese Fläche ist dann für andere Nutzungen blockiert (breitere Gehsteige, Radwege, Bänke, Bäume, Begrünung). In Summe lohnt sich ein Umbau, denn häufig profitieren dadurch mehr Menschen als durch kostengünstige Parkplätze (Quartiersmobilität gestalten, Deutsches Umweltbundesamt, 2020):

Sollen Parkgebühren eingeführt werden oder Park­plätze zu Radwegen und Busspuren umgenutzt werden, regt sich häufig Protest. Wichtig ist zu erkennen, dass derartige Maßnahmen angesichts der bestehenden Flächenknappheit nicht ohne Konflikte umzusetzen sind. Deswegen muss geklärt werden, wie viele Menschen im Quartier überhaupt ein Auto besitzen oder nutzen.

In vielen dicht bebau­ten Stadtteilen profitieren weitaus mehr Menschen von strengeren Parkregeln und einer neuen Straßen­raumverteilung als von kostenlosen Parkplätzen am Straßenrand. Gerechte Prioritätensetzungen sind daher notwendig. Außerdem gibt es in der Regel Alternativen – viele Parkhäuser haben freie Kapazitäten. Auch auf pri­vatem Grund verfügen viele Menschen über Garagen. Diese werden jedoch oft nicht zum Parken, son­­dern beispielsweise als Lagerraum genutzt, weil das kostenlose Parken im Straßenraum als komfor­tabler empfunden wird.

Eine kurze kritische Geschichte der Mobilität vom Verkehrsplaner Hermann Knoflacher (Ursachen der Mobilität, in: Verkehr und Mobilität, 2001)

Mehrere Millionen Jahre bewegte sich die Menschheit aufrechten Ganges auf der Erdoberfläche und entwickelte in dieser Zeit Zivilisationen und Kulturen, gekennzeichnet durch eine unglaubliche Vielfalt, in einzelnen Gebieten auch charakterisiert durch eine Nachhaltigkeit der Wirtschaft und des Verkehrssystems. Bereits in den vortechnischen Zivilisationen ist aber erkennbar, daß rücksichtslos und nicht nachhaltig agierende Strukturen oft kurzfristig zu mehr Macht und Einfluß gelangen, wenngleich sie nicht selten damit die Grundlage ihrer Existenz mittelfristig zerstören.

Für Mobilität stand im wesentlichen nur die Körperkraft des Menschen zur Verfügung. Damit konnte er sich selbst bewegen, aber Lastentransporte wurden dadurch begrenzt. Um Überleben zu können, war eine unglaublich hochwertige Logistik in dem Augenblick notwendig, als die Menschen begannen, seßhaft zu werden. Arbeitsteiligkeit, geistige Mobilität, technischer Erfindergeist unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten, Rücksichtnahme auf die ökologische Tragfähigkeit, die ja sinnlich wahrgenommen werden konnte, all das bei minimalem Aufwand für physische Mobilität, kennzeichnen diese Periode. Trotzdem mußten überall auf der Welt ungefähr 12 bis 14% der Körperenergie für physische Mobilität eingesetzt werden.

Mit dem Zugriff auf andere Energiequellen für Mobilität, der Zähmung und Nutzung der Reittiere, wurde (…) sofort die Macht der Geschwindigkeit zum eigenen Vorteil genutzt. Schnelligkeit der Heere und der Zugriff auf externe Energiequellen durch Raub ziehen sich seit dem wie ein roter Faden durch die Geschichte der Mobilität. Mit Hilfe externer Energie, die man billig nutzen konnte (Sklaven, fremde Weidegründe, etc.) konnte der Mangel des Standortes durch die Ausbeutung der Zielgebiete immer leichter kompensiert werden. Das römische, chinesische, ägyptische Reich, auch die Reiche der Inkas, werden von dieser Ursache der Mobilität, dem Machtstreben der Herrscher oder Herrscherfamilien (Potential am Ausgangspunkt), über Jahrtausende geprägt. Die Raubzüge der Wikinger etwa waren nur möglich durch den geringen Transportwiderstand und die geringen Transportkosten, die ihre Segelschiffe und die Kunst der Segelschiffahrt möglich machten. Obwohl diese bereits im Altertum beliebte Mobilitätsform zu den ökologisch besten überhaupt gehört, wurden ihr die Wälder der Adriaküsten teilweise geopfert, die Verkarstung ist ihr zu verdanken. Der Reichtum der Hafenstädte hat seine Ursachen in dieser Mobilität und umgekehrt die Mobilität – in dem Fall die Seeschiffahrt – ihre Ursachen im Reichtum, in Macht und Wohlstandsstreben der Herrscher, Kaufleute und besitzenden Schichten dieser Städte.

Mit der Nutzung externer Energie in speicherbarer Form ergaben sich neue Möglichkeiten, die man bisher immer zur Steigerung der Fahrgeschwindigkeiten nutzte, obwohl dadurch sowohl die Eingriffe in die Natur als auch die Kosten immer größer wurden. Investitionen in schnelle Verkehrssysteme werden in erster Linie aus den Steuermitteln der Bevölkerung bezahlt, den größten Nutzen haben aber die wenigen Prozent der reichen Oberschicht (…)

Mehr als 90% der heutigen Bevölkerung zahlen – und leiden – für schnelle Verkehrssysteme, wenige Prozent der Bevölkerung – und auch die großen Konzerne – ziehen ihren wirtschaftlichen Vorteil aus diesem für den Einzelnen nicht mehr durchschaubaren System.

Alle in diesem Abschnitt erwähnten Fakten und Studien sind in der Verkehrswissenschaft schon lange bekannt. Bis in die breite Öffentlichkeit und in die Politik ist diese Evidenz aber nur sehr begrenzt vorgedrungen. Unter den unzähligen wissenschaftlichen Erkenntnissen (die der Autor überhaupt nur ansatzweise überblicken kann), sind folgende Punkte besonders interessant:

Breitere Straßen – also mehr Spuren für Kfz – helfen nicht gegen Stau (Spiegel, 2020):

Den morgendlichen Stau mit einer zusätzlichen Fahrspur auflösen: Diese Herangehensweise erscheint logisch – tatsächlich gibt es zwischen dem Ausbau von Straßen und dem Rückgang der Staus einer US-Studie zufolge jedoch keinen Zusammenhang. Zwischen 1993 und 2017 wuchs die Kapazität der Freeways in den 100 größten städtischen Gebieten der USA laut einer Untersuchung der Organisation „Transportation for America“ (T4A), die sich für ein besseres Straßen- und Transportsystem in den USA einsetzt, um 42 Prozent.

Demnach wurden dort 30.511 neue Spurmeilen, bei denen die Länge der Straße mit der Anzahl ihrer Fahrspuren multipliziert wird, errichtet, das entspricht rund 49.000 Kilometern. Die Bevölkerung dieser Ballungsräume wuchs im gleichen Zeitraum laut T4A nur um 32 Prozent. Trotzdem stieg die Anzahl der durch Staus jährlich verlorenen Stunden laut T4A von 1993 bis 2017 um 144 Prozent.

Michael Schwendinger vom VCÖ zum Thema Verkehr(sentstehung) (VCÖ, 2021):

Der Spruch „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“ klingt pathetisch, ist aber eine unter dem Begriff „induzierter Verkehr“ wissenschaftlich gut belegte Erkenntnis. Verkehr ist also keine Konstante, denn verbesserte Bedingungen ziehen meist eine stärkere Nutzung nach sich – und vice versa. Deshalb ist es zum Scheitern verurteilt, Verkehrsbelastung und Staus durch Straßenausbau bekämpfen zu wollen.

So geschehen in Zell am See. Gegen den täglichen Stau wurde Anfang der 1990er-Jahre ein Umfahrungstunnel gebaut. Die angestrebte Entlastung war kurzlebig, heute fahren in Summe doppelt so viele Autos durch die Stadt.

Die gute Nachricht: der Zusammenhang gilt auch für andere Verkehrsmittel. Nach dem Ausbau von Radschnellwegen in der Region Kopenhagen nahm die Anzahl der Radfahrenden um rund ein Viertel zu.

Das sogenannte „Braess-Paradoxon“ zeigt, dass der Zusammenhang auch in die andere Richtung hält. Ein Rückbau von Straßen kann dazu führen, dass der Verkehr weniger wird. In Seoul verbesserte sich der Verkehrsfluss, nachdem im Jahr 2005 eine mehrspurige Stadtautobahn abgerissen wurde.“

Der nicht-motorisierte Verkehr ist effizient und platzsparend (Der Verkehrspolitische Standpunkt, ÖZV, Heft 2, Nr. 67, 2020):

Die krisensichersten Mobilitätsformen, das Fußgehen und Radfahren, sind auch die klimafreundlichsten und platzsparendsten. Ein massiver Ausbau entsprechender Infrastruktur sowie eine Neuaufteilung der Flächen in urbanen Räumen zur Förderung dieser Mobilitätsformen ist längst überfällig. Das Auto als Fortbewegungsmittel in dicht besiedelten Räumen kann künftig nur noch als Nischenanwendung für spezielle Anforderungen dienen dürfen.

Fahrbahnen für Pkw sind häufig zu breit (Wahrnehmung – Erkenntnis – Verantwortung. Der lange Weg von der Wissenschaft in die Praxis, Hermann Knoflacher, ÖZV, Heft 2, Nr. 67, 2020):

Überbreite Fahrbahnquerschnitte wirken nicht nur einladend für die Autobenutzung und verleiten zu hohen Geschwindigkeiten, sondern verleiten auch zur missbräuchlichen Verwendung des öffentlichen Raumes durch Verparkung. Das Unfallrisiko wird erhöht und auch der Aufwand für die Geschwindigkeitsüberwachung. Den aktiven Mobilitätsformen fehlt der Raum, in dem außerdem noch Verkehrszeichen für den Autoverkehr untergebracht werden.

Diese fachlich nicht begründbare Überdimensionierung erhöht nicht nur die Bau- und Erhaltungskosten, sondern auch die Kosten für die Entwässerungsanlagen durch die größere versiegelte Fläche und das Fehlen ausreichenden Baumbestandes, was zur Erhöhung der Umgebungstemperatur führt.

Wie Verkehr entsteht beschreibt das deutsche Umweltbundesamt (Determinanten der Verkehrsentstehung, 2005):

Der Verkehr ist in den letzten 40 Jahren deutlich schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung (…) Dieses überproportionale Verkehrswachstum hat erhebliche Auswirkungen auf den Ressourcenverbrauch und die Umweltqualität, sowie auf die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten (…)

Die Siedlungsentwicklung hat großen Einfluss auf den Berufsverkehr und die Einkaufswege. Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in Deutschland sind in den letzten Jahrzehnten immer weiter auseinandergerückt, so dass die Siedlungsfläche sich sehr stark vergrößerte und die Mobilität ohne Auto stark abnahm (…)

Das Phänomen „induzierter Verkehr“ lässt sich sowohl aus der ökonomischen Markttheorie als auch aus der Verkehrsplanungstheorie ableiten und begründen. Nach der ökonomischen Theorie steigt die Nachfrage nach einem Gut mit sinkendem Preis. Ist diese Aussage richtig, so steigt die Verkehrsnachfrage mit sinkenden Preisen, wobei zu den für die Verkehrsleistung zu zahlenden Preisen auch die aufzuwendende Zeit zu rechnen ist, um die Nutzerkosten der Verkehrsnachfrage zu erfassen.

Die Verkehrsplanungstheorie konstatiert in ihrem Verkehrsverteilungsmodul einen engen Zusammenhang zwischen der Zielwahl und dem sogenannten Raumwiderstand, wobei letzterer die Erreichbarkeit eines räumlichen Ziels von einem bestimmten Ausgangspunkt aus bezeichnet. D. h. bei der Berechnung der Verkehrsströme zieht eine regionale Einheit (Verkehrszelle) umso mehr Verkehr und Verkehr von umso weiter entfernten Zellen an, je geringer der Raumwiderstand zwischen diesen Zellen ist. Beide Theorien sagen damit eindeutig aus, dass eine Verbesserung der Infrastruktur zusätzlichen Verkehr zur Folge hat, soweit damit eine Verbesserung der Erreichbarkeit (Senkung der Reisezeiten und damit der Transportkosten) einhergeht.

Auch im Personenverkehr werden durch den Bau und Ausbau von Verkehrswegen die Reisezeiten auf gegebenen Quelle-Ziel-Relationen kürzer, und offensichtlich wird die gesparte Zeit für weiteren Verkehr verwendet: Die im Verkehr verbrachte Zeit hat sich seit Jahren kaum verändert (…), sie hat eher etwas zu- als abgenommen. Mit der Verbesserung der Erreichbarkeit rücken auch weiter entfernt liegende Ziele in erreichbare Nähe, die zurückgelegten Distanzen wachsen.

Mehr Straßen = oft auch mehr Verkehr (Quelle: s. o.):

Nach dem autobahnähnlichen Ausbau der Rheinbrücke wurde in Karlsruhe ein um 2 % erhöhter Verkehrsaufwand beobachtet.

Großräumige Verbesserungen im Straßennetz der Schweiz führten zu 20 % mehr Verkehr.

Kessel + Partner fassen ihre – im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) erstellten – Arbeiten so zusammen: Bezogen auf die jeweils zugrundeliegende räumliche Basis (…) liegt der Anteil des induzierten Neuverkehrs am Verkehrsaufwand bei 5 bis 8 %.

Die OECD hat Untersuchungen zum induzierten Verkehr aus verschiedenen Ländern zusammengetragen. Ihr Bericht zitiert eine Studie aus Frankreich, der zu Folge ein Straßenbauprojekt kurzfristig 20 % zusätzlichen Verkehr erzeugte, der nach zehn Jahren sogar auf 40 % gestiegen war.

Die Einrichtung einer Straßenverbindung von Kristiansund (Norwegen) zum Festland hatte ebenfalls 20 % Mehrverkehr zur Folge, der zum größten Teil durch Pendler zustandekam (OECD 2001).

Eine viel zitierte Studie des britischen Komitees für die Bewertung von Fernverkehrsstraßen (SACTRA) rechnet pro 10 % Zeiteinsparung mit 5 bis 10 % induziertem Verkehr (…) Etwa die Hälfte des Effekts kann auf Veränderungen der Siedlungsstruktur zurückgeführt werden, ist also sekundär induzierter Verkehr.

(…) Die Zunahme fällt in hochverdichteten Räumen deutlich geringer aus als in ländlichen Räumen (…)

Mehr Straßen und Zersiedlung führen zu mehr Verkehr (The Congestion Con, Transportation for America, 2020):

In an expensive effort to curb congestion in urban regions, we have overwhelmingly prioritized one strategy: we have spent decades and hundreds of billions of dollars widening and building new highways (…) Yet this strategy has utterly failed to “solve” congestion (…)

First, the average person drives significantly more each year in these 100 urbanized areas. Vehicle-miles traveled (VMT) per person increased by 20 percent between 1993-2017. This increase in driving is partially due to how we have allowed these urbanized areas to grow: letting development sprawl, creating greater distances between housing and other destinations, and forcing people to take longer and longer trips on a handful of regional highways to fulfill daily needs.We should be addressing those sources of congestion, but instead, we accept more driving and more traffic as unavoidable outcomes that we must address through costly highway expansion. This is a significantly more expensive and less effective approach than reducing the need to drive or length of trips. And unfortunately, spending billions to expand highways can actually make congestion worse by encouraging people to drive more than they otherwise would, a counterintuitive but well-documented phenomenon known asinduced demand.

Die Alternativen (Quelle: s. o.):

  • Reorient our national program around access—connect people to jobs and services. The only viable way to reduce traffic is to tackle the issue at the source: bring jobs, housing, and other destinations closer together to shorten and reduce the number and length of car trips people need to take. We need to reorient our national transportation program around advancing that goal instead of focusing narrowly on vehicle speed and delay.
  • Require that transportation agencies stop favoring new roads over maintenance (…) [H]ighway expansions ultimately induce yet more traffic, while simultaneously increasing the cumulative annual price tag to keep the nation’s highways in good repair.
  • Make short trips walkable by making them safe. Wide, high-speed roads force people to drive for even very short local trips. When local streets—not just highways—are designed to move vehicles at the highest speed possible, it denies people the healthy and affordable option to bike or walk.

Verkehrsberuhigung und die Sperre von Straßen wird oft mit „Chaos“ und „Stau“ als Folgen assoziiert. Eine Studie der TU Wien zeigt, dass das nicht so ist (Predicted congestions never occur, 2010):

Traffic adjusts relatively quickly to new conditions. Practical experience and implemented policies to reallocate public space (lane closure, etc.) show, that there is a huge elasticity in urban road networks (partly because of the over-dimensioning of the car-infrastructure, partly because of minimal occupancy rates, etc.) and the transport infrastructure in total. It is obvious that the infrastructure currently in use is inefficient. The examples often shows that traffic seems to disappear. Cities notice a short period of traffic disruption, but the frequently conjured (mostly by the media) traffic chaos rarely appears or never lasts longer than a few days.

Car drivers change their behaviour and adapt to the infrastructure more easily than always presumed. Those compensation measures range from changes in driving styles (…) via the shift to alternative routes or times (…), changes of mode, frequencies and destinations, the consolidation of trips, car-sharing and the substitution of trips (e.g. tele-working).

In our case study of the EURO 2008 in Vienna, the basic conditions were clear: the closure of the inner ring road would only be temporarily. Thus, we can not expect to see any long-term behavioural changes of the road users. However, the short-term effects were quite remarkable: the predicted traffic jam failed to materialise, and the public transport reached a historical high of passengers (…)

Reisebudget und Wegezahl sind in der physischen Mobilität konstant – trotz enormer technologischer und wirtschaftlicher Veränderungen (Hermann Knoflacher, Ursachen der Mobilität, in: Verkehr und Mobilität, 2001):

1. Konstantes Reisezeitbudget: Unabhängig vom Motorisierungsgrad oder dem Zugriff auf externe Energie ist der Zeitaufwand für Mobilität außer Haus weltweit konstant (…) Praktisch 100% des Nutzens, den man sich aus Verkehrsanlagen erwartete, wurde bisher mit einer Größe berechnet, die es nicht gibt, nämlich der eingesparten Zeit. Damit sind sämtliche wirtschaftlichen Berechnungen, die darauf beruhen, falsch – und auch die darauf fußenden Entscheidungen.

2.. Konstante Wegezahl: Die zweite entscheidende Größe in diesem System ist die Wegezahl. Auch mit zunehmenden technischen Verkehrssystemen ändert sich die Wegezahl nicht. Da die Ursache des Weges ein bestimmter Zweck ist, etwa der Arbeitsweg, der Dienstweg, der Besuch, die Ausbildung, der Einkauf, usw. blieb auch die Wegezahl trotz grundlegender technischer Veränderungen im Verkehrssystem konstant. Es gibt daher in diesem Sinne kein Mobilitätswachstum. Wächst eine Mobilitätsform, wie in den vergangenen 50 Jahren der Autoverkehr, dann nehmen alle anderen Mobilitätsformen im gleichen Ausmaß ab.

Die Sperre von Straßen für den Individualverkehr kann tatsächlich zu weniger Verkehr führen. Da die Menschen ihr Verhalten langfristig ändern, verschwindet ein Teil des Verkehrsaufkommens (Reclaiming city streets for people, EU Kommission, 2004):

There is a growing body of evidence that where well-planned measures to reduce road space for private cars are implemented in congested areas and where no alternative network capacity is available, over the long term the predicted traffic chaos does not occur (…)

Wide range of results, with a 25 % average overall reduction in traffic and a 14 % median reduction in traffic (i.e.‘traffic evaporation’). A proportion of traffic which had previously used the affected road(s) could not be found in neighbouring streets.

Traffic evaporation is likely to occur where road space has been reduced for private cars and where, due to general traffic levels or the design and area covered, drivers cannot find an alternative route, or an alternative time of day to travel, without experiencing severe congestion (recognising that driver behaviour will also be affected by additional factors such as the availability of alternatives including avoiding the need to travel or making use of public transport). Contrary to widespread assumptions car drivers adapt to changes in road conditions in highly complex ways which computer models cannot accurately predict (…)

Support for the concept of traffic evaporation can be found indirectly in the similar, but opposite phenomenon known as traffic induction (where traffic generation occurs in response to new road provision).

Zur Verbesserung des Verkehrs und des Lebens in den Städten wünschen sich die Europäer vor allem bessere und günstigere öffentliche Verkehrsmittel (Eurobarometer, 2013):

Nearly nine out of ten Europeans encounter problems when travelling within cities that can limit their access to important goods and services (…) Respondents see road congestion, air pollution, noise pollution and travelling costs as particularly important urban problems (…)

The most frequently cited measures that Europeans support to improve travel within cities concern transport costs, and include better public transport and lower prices for public transport. Many respondents also mention improved walking and cycling facilities, as well as restrictions on the use of certain vehicles such as trucks and incentives for car sharing and carpooling schemes (…)

Less than a quarter of Europeans are optimistic about the future urban traffic situation, which indicates that measures to improve urban mobility are of critical importance.

Wird per Platz für Kfz reduziert (z. B. durch Sperre bestimmter Straßen oder die Verringerung von Fahrspuren), dann „verschwindet“ der Verkehr teilweise einfach (Reducing roads can cause traffic to ‘Evaporate’, Rapid Transitions Alliance, 2019):

Imagine if we closed some roads to cars and traffic congestion actually reduced as a result. This sounds counter-intuitive; yet, it is exactly the effect that was revealed by research in the 1990s in a number of cities around the world. This result was described as ‘traffic evaporation’ in the seminal 1998 UK study of 100 locations. The report showed that after a ‘settling in period’, where road capacity was reduced for private cars there was a 25% average overall reduction in traffic. Case-by-case outcomes varied substantially, but in many cases, when you reduce road capacity, existing motor traffic doesn’t just find another route. Some of it ‘disappears’, or ‘evaporates’.

By the 1990s, the city of Copenhagen had already adopted what has since become their long-term strategy of reducing space for cars while developing public transport options. By cutting parking spaces, removing road lanes, and banning certain through traffic, in 1998, 80% of all journeys were made on foot, and 14% by bicycle. Car traffic in the city core was hugely reduced and congestion was no longer a problem (…)

In Kajaani, Finland, the High Street, which was taking 13,000 vehicles per day across the main square, was closed completely. Traffic in the adjacent streets rose, but only from 1,000 to 6,500 vehicles per day. Other surrounding streets saw no change in traffic flows. This means that over half the former traffic in the main square simply ‘evaporated’ (…)

There is no constant steady demand that we can point to as ‘traffic” for any site; instead, the flow of vehicles is revealed to be a fluctuating, highly changeable body made up of individuals making complex decisions. When alternative means of travel are available, people therefore shift surprisingly quickly to whichever mode works for them to get round the particular travel problem they face – traffic jams, strikes, road blockages etc. For shorter journeys, walking or cycling is the usual substitute, with buses, trams and trains taking up those travelling the longer distances (…)

In 1994, the UK Government-commissioned Sactra (the Standing Advisory Committee on Trunk Road Assessment) report provided evidence on the impact of new road building on local traffic levels. The report revealed that when new road capacity is provided, overall traffic levels in the vicinity of the scheme may actually increase. The evidence does not offer a reliable means of predicting the extent of this traffic increase, but case studies in the report suggested that it is typically around 10% in the short term, and 20% in the longer term. This went against popular thinking, which imagined that new roads were simply satisfying a steady demand – the approach of so-called ‘predict and provide’ – not stimulating extra demand. It established once and for all that the ‘induced traffic’ phenomenon – building new road capacity generates more motor vehicle trips – was a reality and should be taken into planning decisions (…)

In 1987, in Wolverhampton, England, private car through-traffic was gradually removed by closing the central core roads. Between 1990 and 1996 there was a 14% drop in central traffic on core routes.

In 1993, in Oxford, England –  Private car access to the city centre was restricted and predictions of increased traffic congestion did not materialise. Between June 1999 and June 2000, traffic flows on the inner cordon were down by an average of 20%. Traffic flows on the outer cordon remained largely unchanged, with a small reduction of 1.3% (…)

In 1999, in Vauxhall Cross, London, road capacity was reduced by 15% through a combination of road layout alterations and traffic-light sequencing adjustments. No significant congestion or tailbacks occurred, and the experiment appeared not to cause any significant problems in Lambeth or neighbouring boroughs. A 2–8 % reduction in peak time traffic was observed and traffic queues were shorter than before.

Autofahren ist eigentlich verhältnismäßig kostengünstig – da die meisten Kosten durch die Gesellschaft und nicht durch den Einzelnen getragen werden (The True Costs of Automobility, TU Dresden, 2012):

The fact that a trip has an individual surplus of benefits over costs does not automatically mean that benefits to society of this trip are higher than the costs for society (…) Today’s transport users are not covering large parts of the costs of noise emissions, pollutants emissions, greenhouse gas emissions and other cost factors. Costs of accidents are covered in part (mostly through the mechanism of insurances), but still some part of accident costs are paid for by society (…) Today’s transport causes considerable damage to the environment. Even though external costs do not have an explicit market value, they can be observed in expenditures on police and infrastructure management, hospital charges, public health spending and the loss of quality of life.

Based on the assumptions described in this study, the cars used within the EU-27 externalize about 373 billion € per year (high estimate) on to other people, other regions and other generations (low estimate: 258 billion €). This is a considerable sum, and it leads to a level of car use that is inefficient from the perspective of society. Because “others” pay for large parts of the costs of transport, Europeans travel by car too much to enable an efficient situation. This in part also explains why there is a high level of congestion in parts of the EU.

The findings of this study clearly show that the frequent claim “that cars cover all their internal and external costs” cannot be sustained (…)

[C]ar traffic in the EU is highly subsidized by other people and other regions and will be by future generations: residents along an arterial road; taxpayers; elderly people who do not own cars; neighbouring countries; and children, grandchildren and all future generations subsidize today´s traffic. They have to pay, or will have to pay, part of the bill (…)

Technology measures such as biofuels or electric vehicles focus mostly on higher energy efficiencies and on reduction of greenhouse gases. Their effects on all other cost components of external costs are smaller. Noise and air pollution, as well as the large cost component of accidents, remain high, causing ongoing negative effects on society.

Die externen (also durch die Gesellschaft) getragenen Kosten für den Autoverkehr sind sehr hoch (Soziale Aspekte von Mobilität, VCÖ, 2009):

Derzeit werden durch die Preise von Verkehrsleistungen nicht alle dadurch verursachten Kosten gedeckt. Auch der Wert, den diese Leistungen haben, ist unzureichend durch den Preis abgebildet. Mobilität und Transport sind Daseinsgrundfunktionen, die weitere Daseinsgrundfunktionen wie Arbeit, Ernährung, Wohnen, Ver- und Entsorgung, Kommunikation und Erholung miteinander verbinden. Auch die Pflege sozialer Kontakte braucht Mobilität. Mobilität hat also einen Wert und daher besteht Bereitschaft, einen Preis dafür zu bezahlen.

Die Begriffe Wert, Preis und Kosten werden oft verwechselt und im Alltag meist synonym verwendet. Doch besonders im Verkehrsbereich ist es sinnvoll und notwendig, sie zu unterscheiden. Die Kosten einer verkehrsbezogenen Leistung können beträchtlich über oder unter deren Preis liegen. Jener Anteil der Kosten, der nicht von den Verursachenden getragen wird, wird als „externe Kosten“ bezeichnet. Die Menschen verhalten sich so, als würden diese Kosten nicht existieren, weil sie dafür keinen Preis bezahlen müssen. Daher wird mehr konsumiert als für die Gesellschaft optimal ist, also beispielsweise viel gefahren, weil Treibstoff oder Infrastruktur-Benützung einen niedrigen Preis haben.

Im Jahr 2005 wendeten private Haushalte in Österreich durchschnittlich 16,1 Prozent ihrer Ausgaben für Verkehr auf. Bezogen auf das Jahr sind das etwa 4.900 Euro pro Haushalt. Dazu zählen beispielsweise Ankauf von Fahrzeugen, Treibstoff, Fahrkarten etc. Zusätzlich kommen auf jede Person in Österreich durchschnittlich rund 2.150 Euro pro Jahr an externen Verkehrskosten. Das sind Kosten durch den vom Verkehr mit verursachten Klimawandel, Kosten durch Schadstoffe, die Pflanzen, Gebäude und die menschliche Gesundheit schädigen, Lärmkosten, Unfallfolgekosten und Kosten der Zeitverluste durch Staus. Für diese Kosten kommt zum Teil der Staat mit Steuergeldern auf, zum Teil treffen sie die Opfer der externen Effekte selbst, wenn beispielsweise ihre Gesundheit oder ihr Wohlbefinden durch Lärm, Abgase oder Krankheit beeinträchtigt werden. Der Grad der Beeinträchtigung durch externe Effekte des Verkehrs ist indirekt auch vom Einkommen abhängig. Denn Besserverdienende können sich eher das Wohnen in guter Lage leisten.

In Summe machen die externen Kosten des Verkehrs in Österreich rund 17,5 Milliarden Euro pro Jahr aus, das entspricht sieben Prozent des Brutto-Inland-Produktes oder 25 Prozent der jährlichen Steuereinnahmen. Werden neben den externen Kosten auch andere marktverzerrende Effekte mit Auswirkung auf den Verkehr – unter anderem ungedeckte Infrastrukturkosten, der unbezahlte Wert knapper Straßenkapazitäten, der Netto-Verlust an Agglomerationsnutzen und Begünstigungen des Pkw-Verkehrs wie Pendlerpauschale oder Kilometergeld – berücksichtigt, so ergeben sich durch die Verursacherinnen und Verursacher nicht bezahlte Kosten des Verkehrs in Österreich in der Höhe von 29 Milliarden Euro pro Jahr. Davon sind 19,6 Milliarden Euro allein auf den Pkw-Verkehr zurückzuführen.

Radfahrer bringen mehr Umsatz (Radverkehr belebt das Geschäft, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, 2009):

RadfahrerInnen geben zwar pro Einkauf weniger Geld als AutofahrerInnen aus, kommen aber deutlich häufiger wieder und bringen daher mehr Umsatz als motorisierte KundInnen. Ausgaben, die sonst für Treibstoffe ins Ausland wandern, bleiben beim heimischen Handel.

Fußgänger und Radfahrer sind als Kunden besonders bedeutend, da sie an mehr Geschäften vorbeikommen (WirtschaftsRad, AGFK Bayern, 2016)

Studien zum Einkaufsverhalten in Innenstädten zeigen, dass nur knapp ein Drittel der Passanten gezielt einkauft. Die Mehrheit agiert stattdessen spontan und nutzt die Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Je mehr Geschäfte passiert werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Impulskaufs. Auf Grund geringer Geschwindigkeiten und der unmittelbaren Sinneserfahrung gilt dies besonders für Fußgänger und auch Radfahrer, wenn ihnen einladende Infrastruktur bereitgestellt wird.

Besonders in städtischen Zentren ist das Fahrrad von großen Bedeutung (Nichtmotorisierter Einkauf in Niederösterreich, 2007):

Am Beispiel von vielen österreichischen und deutschen Städten werden in den ländlichen Räumen wesentlich geringere Fahrradnutzungen festgestellt. Am Beispiel der Tiroler Landeshauptstadt zeigt sich dies bei der Detailbetrachtung im Modal Split „Einkauf“. Demnach gehen in der Stadt Innsbruck 45 % entweder zu Fuß zum Einkaufen oder benutzen das Fahrrad (12 %), im Umland hingegen nur 23 %, davon ein verschwindend kleiner Anteil von 3 % mit dem Fahrrad. Dieses Ungleichgewicht zeigt sich tendenziell ebenfalls in Niederösterreich, insbesondere zwischen St. Pölten und Umland sowie WienerNeustadt und Umland, allerdings nicht in dieser Deutlichkeit (…)

Radparkplätze sind sehr effizient (Fahrradservice des lokalen Einzelhandels, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, 2011):

Abstellanlagen für Fahrräder sind im Vergleich mit Pkw-Stellplätzen deutlich günstiger und benötigen nur einen Bruchteil des Platzes.

Die Bedeutung des Autos wird für Geschäftsstraßen überschätzt, die Bedeutung des Radverkehrs unterschätzt (WirtschaftsRad, AGFK Bayern, 2016):

Studien zeigen, dass der Anteil leerstehender Geschäftslokale mit dem KFZ-Verkehrsaufkommen der angrenzenden Straße zusammenhängt. In New York ist beispielsweise nach der Durchführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und dem Neubau von Radwegen diese Entwicklung belegt. Der Leerstand ging um über 45% zurück, das Radverkehrsaufkommen verdoppelte sich und der Umsatz bestehender Geschäfte stieg aufgrund der höheren Aufenthaltsqualität und gerechteren Flächenverteilung um 43%.

Eine durchgeführte Verbraucherbefragung zum Verhältnis Einkaufswert (nach Verkehrsmittel) und Kosten für Kundenparkraum stellt fest: Radfahrer bieten im Jahresdurchschnitt die höchste Kundenrentabilität und bringen dem Einzelhandel 7.500 € pro m², Autofahrer nur 6.625 € pro m² bereitgestelltem Parkraum. Bemerkenswert ist dabei, dass Radfahrer in ihrer Transportkapazität gemeinhin als deutlich limitiert wahrgenommen werden.

Ähnliches belegt eine australische Studie, die Autofahrern zwar höhere Ausgaben pro Stunde attestiert, auf Grund der Abstellmöglichkeit von 6 Rädern auf einem KFZ-Parkplatz allerdings dem Radverkehr eine 3-fach höhere wirtschaftliche Bedeutung zurechnet.

Quellen und weitere Infos

Artikel auf WienSchauen über Verkehrsberuhigungsprojekte

Verkehrsberuhigung, Umfragen
Lärm & Luft
Hitze & Begrünung
Radverkehr
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