Zollergasse: Mehr Platz, mehr Grün, mehr Leben

Die Zollergasse im 7. Bezirk wurde 2021 neu gestaltet. In der Seitengasse der Mariahilfer Straße gibt es jetzt mehr Platz für Fußgänger, neue Bäume und konsumfreie Sitzgelegenheiten. Der Asphalt wurde durch eine hochwertige Pflasterung ersetzt.

Das zeigt: Auch im dichten Stadtgebiet lässt sich Platz für viele Menschen und unterschiedliche Nutzungen schaffen. Denn der öffentliche Raum kann mehr sein als ein Parkplatz.

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Zollergasse in Wien-Neubau vor und nach der Umgestaltung

Früher viel Asphalt und keine Bäume

Die Zollergasse liegt zwischen Mariahilfer Straße und Siebensterngasse im 7. Bezirk. Die Gestaltung der Gasse war die längste Zeit eigentlich ziemlich unauffällig, denn sie unterschied sich kaum von vielen anderen Gassen in Wien: Nur Asphalt, viele Parkplätze, Fußgänger an die Ränder gedrängt, keine Bäume. Erst im Vergleich zur Mariahilfer Straße und anderen umgestalteten Straßen und Plätzen wird deutlich, wie verbesserungswürdig diese Normalität eigentlich ist. Im Sommer kommt zu dem Platz- und ästhetischen Problem auch der Faktor Hitze hinzu: Asphalt speichert die Wärme besonders stark, sodass die Straße nachts nicht abkühlt. Leidtragende sind die Anwohner.

Zollergasse vor der Umgestaltung, Parkplätze, Asphalt
Zollergasse vor der Umgestaltung: Asphalt, Parkplätze, keine Bäume (Foto: 2021)

Neue Fußgänger- und Begegnungszone

2021 wurde ein Teil der Zollergasse umgestaltet. Die Initiative ging von Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne) aus, die Umsetzung erfolgte zusammen mit Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Für jede größere Umgestaltung braucht es nämlich beide politischen Ebenen: Die Bezirksvorstehung und die Stadtregierung. Ohne die finanziellen Mittel vom Rathaus lassen sich aufwendige Umbauten im öffentlichen Raum nicht finanzieren.

Umgestaltungen scheitern in der Praxis meist frühzeitig am Unwillen der Bezirke (z. B. bei der Wallensteinstraße, Landstraßer Hauptstraße) oder an der Weigerung der Stadtregierung, eine Umgestaltung zu unterstützen. Wie bei der Neubaugasse haben auch bei der Zollergasse alle an einem Strang gezogen und damit einen dauerhaft schönen öffentlichen Raum geschaffen.

2021 wurde die Zollergasse zur Fußgänger- und Begegnungszone umgebaut.

Die Neuerungen in der Zollergasse: Konsumfreie Sitzgelegenheiten, acht große Bäume, Trinkbrunnen, Radbügel und eine Pergola (Rankgerüst für Pflanzen). Beim Umbau wurde der ganze Asphalt entfernt. Ein Teil der Zollergasse ist nun eine Begegnungszone, da eine Zufahrt weiterhin nötig ist, u. a. für die Postfiliale. Das kurze Stück bei der Mariahilfer Straße ist jetzt eine Fußgängerzone. Die Größe der kommerziell genutzten Flächen (Gastgärten vor den Lokalen) hat sich durch den Umbau aber kaum verändert, erklärte die Bezirksvorstehung.

Abkühlung sollen Nebelduschen und ein kleiner künstlicher Bach bieten. Ob diese Wasserelemente den Test der Zeit bestehen und sich als dauerhaft funktional erweisen, wird sich erst zeigen.

Zollergasse in 1070 Wien
Neue Begrünung in der Zollergasse (Foto: 2020)

Neue Bäume und Grünflächen

Auf einer Länge von rund 130 Metern wurde der öffentliche Raum grundlegend umgestaltet. Die neuen Bäume stehen teilweise nahe an der Straßenmitte. Der Grund sind unterirdische Einbauten (Rohre, Kabel usw.), die Baumpflanzungen am Straßenrand häufig erschweren. Mit der Einrichtung von Fußgängerzonen wird also auch die Begrünung viel einfacher.

Schöner Boden

Auch auf Details wurde Wert gelegt, so die Stadt Wien:

Namensgebend für die Zollergasse ist der Tuchhändler Michael von Zollern (1665 bis 1756). Inspiriert von Stoffmustern wurden die quadratischen Granitpflastersteine angeordnet: Die gepflasterte Fläche soll einen Teppich symbolisieren. Pergolen, die an Webstühle erinnern, werden mit modernen Sitzmöbeln versehen und ebenfalls begrünt.

Es ist fast ungewöhnlich, dass in Wien auch auf attraktiven Bodenbelag gesetzt wird. Meist wird für Fußgängerbereiche nämlich Asphalt bevorzugt (Asphalt ist per Verordnung als Standardmaterial für Gehsteige festgelegt). So ist die Zollergasse eine willkommene Abwechslung.

Lokale in der Zollergasse, Café Europa
Zollergasse: Die neue Pflasterung erinnert an einen Teppich. (Foto: 2022)

Auch das sogenannte Schwammstadtprinzip findet Anwendung:

Im Bereich (…) der Straßenmitte kommt das Schwammstadtprinzip zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein innovatives System zur Verbesserung des Lebensraums der Bäume sowie des Regenwasser-Managements. Bäume bekommen durch dieses System mehr Luft und Wasser (…) Zudem wird die Kanalisation bei Starkregen-Ereignissen entlastet. Dafür sorgt eine Schicht aus grobkörnigem Schotter sowie wasserspeichernden Materialien wie Aktivkohle, die im Straßenraum eingebracht wird. Die Bäume stehen in ihren Baumscheiben, haben aber direkten Kontakt zu den Schotter-Schichten und können diese durchwurzeln.

Der Abschnitt bei der Mariahilfer Straße ist als Fußgängerzone ausgeführt. Ein nahtloser Übergang, der einen großstädtischen und modernen Eindruck macht:

Zollergasse bei der Mariahilfer Straße: Priorität für Fußgänger, Radfahrer und Begrünung (Foto: 2022)

Die alte Zollergasse

Die nächste Aufnahme zeigt die Zollergasse um die Jahrhundertwende. Die niedrigen Vorstadthäuser in der Mitte des Fotos wurden indes durch Gründerzeithäuser und Neubauten ersetzt (u. a. Zollergasse 9-11 und 13). Auffällig ist, dass Begrünung damals keine Rolle spielte. Durchgehende Alleen wurden zwar auch im 19. Jahrhundert angelegt, jedoch bloß bei größeren Straßen. Das Fehlen von Straßenbäumen ist also oft auch historisch bedingt. Das sollte aber keine Ausrede für mangelnden politischen Willen sein, denn auch über 100 Jahre nach dem Ende der Gründerzeit haben es viele Bezirke nicht geschafft, in jeder Straße Bäume zu pflanzen.

vor 1905: Zollergasse an der Ecke zur Mariahilfer Straße (Foto: ÖNB)

Auf dem Foto wird auch deutlich: Zur Jahrhundertwende waren alle Straßen quasi „Begegnungszonen“ – Fußgänger, Radfahrer, Fuhrwerke und Straßenbahnen teilten sich eine Fläche (siehe Artikel zum Stephansplatz). Exklusiv vorbehalten waren Fußgängern aber die Gehsteige. Erst in den 1950ern füllten sich die Straßen allmählich mit Autos. Durch Verkehrsberuhigung wird also in gewisser Weise ein alter Zustand wiederhergestellt.

Zollergasse: vorher vs. nachher

Die folgende Fotostrecke zeigt, wie sich die Zollergasse verändert hat. Die Vorher-Fotos sind im Herbst/Winter 2020 und Frühjahr 2021 entstanden. Die Nachher-Fotos wurden an unterschiedlichen Tagen und Tageszeiten gemacht.

Zollergasse noch nicht ganz umgebaut

2021 wurde nur ein Teil der Zollergasse umgestaltet. Der Abschnitt zwischen Lindengasse und Siebensterngasse ist noch unverändert. Weitere Umgestaltungen in der Gegend werden wohl auf das Ende des U-Bahn-Baus warten müssen. Die U3-Station Neubaugasse wird bis etwa 2026 zu einem Linienkreuz ausgebaut, was auch umfangreiche Bauarbeiten in der Umgebung mit sich bringt.

Zollergasse zwischen Lindengasse und Siebensterngasse in 1070 Wien
Zollergasse in Richtung Siebensterngasse: viel Asphalt, keine Begrünung (Foto: 2021)

Kontakte zu Stadt & Politik

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Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

Die Bezirksvertretungen sind die Parlamente der Bezirke. Die Parteien in den Bezirksvertretungen werden von der Bezirksbevölkerung gewählt, meist gleichzeitig mit dem Gemeinderat. Jede Partei in einem Bezirk kann Anträge und Anfragen stellen. Findet ein Antrag eine Mehrheit, geht er als Wunsch des Bezirks an die zuständigen Stadträte im Rathaus. (Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Sitze in der Bezirksvertretung im Jänner 2021.)
+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im Jänner 2021.)

Quellen

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum.

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