Landstraßer Hauptstraße: Im Banne der Motoren

Die Landstraßer Hauptstraße liegt gut. Wollzeile, Ringstraße und Stadtpark sind nur wenige Minuten entfernt, vom Bahnhof Wien Mitte aus gibt es Schnellverbindungen ins Umland und zum Flughafen. Zudem haben sich in der Landstraße viele schöne historische Gebäude erhalten. Eigentlich das beste Rezept für eine gut funktionierende Einkaufsstraße.

Trotz dieser guten Voraussetzungen ist die Landstraße alles andere als attraktiv gestaltet: Der motorisierte Individualverkehr dominiert, Fahrbahnen und Parkplätze nehmen viel Raum ein. Radfahrer hingegen kommen förmlich unter die Räder, denn baulich getrennte Radwege fehlen. Zudem mangelt es stellenweise an Bäumen. Auch die Gehsteige könnten teilweise schöner und breiter sein.

– Über die Landstraßer Hauptstraße, ihre Stärken und Schwächen und was künftig verbessert werden könnte.

Landstraßer Hauptstraße bei der Kundmanngasse, fahrende und parkende Autos
Landstraßer Hauptstraße: schöne Häuser, viele Autos, viele Parkplätze, unsichere Radwege (Foto: 2020)

Mit über 90.000 Einwohnern ist der Bezirk Landstraße größer als zahlreiche österreichische Städte. Wird der Dritte als eigene Stadt betrachtet, fällt auf, dass es zwar etliche größere Straßen und Plätze mit prächtigen alten Häusern gibt, ein definitives Zentrum aber fehlt. Verkehrsberuhigte Straßen und Plätze finden sich quasi gar keine, ebenso keine zentrale Fußgängerzone. Auch sind viele Straßen, Gassen und Plätze teilweise lieblos gestaltet – wie die Landstraßer Hauptstraße:

  • Auf der Landstraßer Hauptstraße steht derzeit sehr viel Platz für fahrende und parkende PKW zur Verfügung.
  • Fußgänger und Radfahrer sind benachteiligt. Sichere Radwege fehlen.
  • Trotz Anschluss an den Bahnhof Wien Mitte und den 1. Bezirk und obwohl es sich um die zentrale Straße eines großen Bezirks handelt, ist die Landstraßer Hauptstraße wenig attraktiv gestaltet.
  • Verkehrsberuhigung ist positiv für Anrainer, Geschäfte und Gastronomie. Lärm und Unfallzahlen werden deutlich gesenkt, Fußgängerfrequenz und Zufriedenheit steigen.
  • Daher wäre es an der Zeit, auch die Landstraßer Hauptstraße schön und lebenswert zu gestalten.

So könnte eine nachhaltige Aufwertung gelingen:

  • Mehr Bäume: Vervollständigung der vorhandenen Baumreihen
  • Mehr Platz zum Gehen: Begegnungszone zwischen Rochusmarkt und Schlachthausgasse, Fußgängerzone zwischen Wien Mitte und Rochusmarkt (mit gestatteter Zufahrt für Anrainer), Einrichten von Haltezonen für Lieferanten und Handwerker
  • Sichere Radwege: Einrichten von baulich von der Fahrbahn getrennten Radwegen oder einer Begegnungszone
  • Ruhig und sicher fahren: Absenkung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 oder – sofern eine Begegnungszone gilt – Tempo 20
  • Schönes Licht: Aufstellen von Straßenlaternen in historischem Design
  • Mehr Märkte: Rochusmarkt vergrößern, u. U. Marktstände bei Wien Mitte einrichten

Dieser Artikel besteht aus drei Teilen:

  1. Infos zur derzeitigen Gestaltung der Landstraßer Hauptstraße (gleich im Anschluss)
  2. Daten und Fakten zum Klima, öffentlichen Raum und Verkehr (hier)
  3. Vorschläge, wie die Landstraße schöner und lebenswerter gestaltet werden könnte (hier)

Quellenangaben und weitere Infos sind ganz unten.

Teil 1: Die Landstraßer Autostraße

Von der Inneren Stadt in die Landstraße

Die Anbindung an die Innere Stadt könnte nicht besser sein: Über die Wollzeile, den Stubenring und vorbei am Stadtpark lässt sich die Landstraßer Hauptstraße bequem zu Fuß erreichen. Doch getrennt sind 1. und 3. Bezirk durch die bis zu sieben Spuren breite Vordere Zollamtsstraße. Verkehrsbelastung und Fahrzeuglärm prägen diese schöne Gegend.

Viele Urlauber sehen Wien genau hier das erste Mal, nämlich nach dem Aussteigen aus der Bahn. Ob das ein schöner erster Eindruck ist – das Wien der 2020er-Jahre als autogerechte Stadt?

Stadtbildkatastrophe Wien Mitte

Den Entscheidungsprozess, an dessen Ende der Gebäudekoloss in Wien Mitte stand, hat der Stadtplaner Reinhard Seyss in seinem unübertroffenen Buch Wer baut Wien? minutiös herausgearbeitet. Leider sind nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch die Straßen und Gassen der Umgebung alles andere als vorteilhaft gestaltet worden:

  • In der Umgebung stehen etliche gut erhaltene historische Gebäude (v. a. aus der Jahrhundertwende). Anstatt Rücksicht auf diesen schönen Bestand zu nehmen, wurde einfach ein absolut unverhältnismäßiger Gebäudekoloss in den sensiblen Stadtraum gesetzt.
  • Die alten Häuser bieten mit etwa 18-23 Meter Breite viel Abwechslung im Stadtbild. Der Gebäudekomplex Wien Mitte ist im Gegensatz dazu mit einer Grundfläche von ca. 117 mal 180 Metern extrem monoton und völlig überdimensioniert.
  • Anstatt den Markt in Wien Mitte zu erneuern, mit allen Mitteln zu erhalten oder an einen besseren Standort umzusiedeln, wurde er 2008 einfach abgedreht. Damit ist auch diese letzte Erinnerung an die einstigen historischen Markthallen getilgt.
  • Das große Einkaufszentrum The Mall mit seinen Allerweltsgeschäften saugt u. U. sogar Kundschaft aus der Landstraßer Hauptstraße ab und schädigt vielleicht sogar die ohnehin etwas kränkelnde Straße.
  • Die Stadt Wien hat ihre Gestaltungsmacht, die sie per Flächenwidmung ausübt, nicht nur nicht genutzt, um den Bau eines solch entsetzlichen Gebäudes zu verhindern, sondern den jetzigen Zustand auch noch wissentlich herbeigeführt. Ein schwerer Fehler, der auf die frühen 2000er Jahre zurückgeht.

Das traurige Entrée

Zwischen dem Bahnhof Wien Mitte, dem Kino und dem Hilton-Hotel wimmelt es von Touristen, Personen, die hier umsteigen, Radfahrern und Spaziergängern. Dass gerade eine Einkaufsstraße so stark auf die Bedürfnisse des PKW-Verkehrs ausgerichtet ist, verwundert sehr:

  • Die Gehsteige sind teilweise zu schmal, obwohl hier nahezu 19.000 Personen täglich zu Fuß unterwegs sind.
  • Bäume und Begrünung fehlen (wegen des U-Bahn-Tunnels?)
  • Durch die z. T. hohen Fahrgeschwindigkeiten ist es sehr laut.
  • Drei Fahrspuren stehen für den KFZ-Verkehr zur Verfügung.
  • Baulich getrennte Radwege fehlen auf der Landstraßer Hauptstraße durchgehend.
  • Auch Stadtbild und historische Gebäude leiden durch starken PKW-Verkehr (evtl. geringerer Sanierungsanreiz bei Häusern auf stark verkehrsbelasteten Straßen, (Fein-)Staub verdreckt die Fassaden).

Gerade an dieser Stelle könnten durch die Verbreiterung der Gehsteige und die Pflanzung weiterer Bäume eine enorme Verbesserung erzielt werden. Ob es vielleicht sogar möglich wäre, diesen ersten kurzen Abschnitt der Landstraßer Hauptstraße zu einer Fußgängerzone (mit gestatteter Zufahrt für Anrainer) zu machen? Laut einer Studie der Technischen Universität Wien ist das tatsächlich machbar.

Fahren statt Flanieren

Trotz der guten Lage ist die Landstraßer Hauptstraße teilweise alles andere als fußgängerfreundlich. Hätten sich die über 90.000 Einwohner des Bezirks nicht eine schöne und ruhigere Einkaufsstraße verdient?

Auf lauten, stark befahrenen Straßen spaziert sich’s nicht gerne. Diese simple Weisheit ist sogar durch Studien usw. belegt:

Je höher das Tempolimit ist, umso weniger Aktivitäten werden im öffentlichen Raum durchgeführt. In Begegnungszonen (…) werden mehr als doppelt so viele Aktivitäten durchgeführt wie in Tempo 50 Straßen. (…) Je niedriger das Tempolimit und je höher der Grad der baulichen Umgestaltung des Straßenraums ist, umso intensiver wird der öffentliche Raum von FußgängerInnen genutzt.

Zudem reist nur eine kleine Minderheit der Passanten in Einkaufsstraßen mit dem PKW an, wie sich in Umfragen auf Wiener Einkaufsstraßen herausgestellt hat.

Daten über das Ausmaß des fahrenden KFZ-Verkehrs im 3. Bezirk fehlen weitgehend. Nur für einen Abschnitt der Landstraßer Hauptstraße gibt es Verkehrszählungen (die leider nicht weit zurückreichen):

Der motorisierte Verkehr trübt das Spazieren und Einkaufen erheblich, was auch der erhöhten Geschwindigkeit (es gilt Tempo 50) geschuldet ist. In den Schanigärten der örtlichen Gastronomiebetriebe ist es folglich mitunter nicht besonders angenehm. Gerade in der alten dichten Stadt sind Räume zum Wohlfühlen entscheidend, sollen die Menschen nicht gezwungen werden, ihren Wohnbezirk verlassen oder anderswo einzukaufen bzw. zu speisen. Den Geschäftsbetreibern, Lokalbesitzern und Anwohnern der Landstraße entgeht jedenfalls eine enorme Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität.

Auch in den weiter stadtauswärts liegenden Grätzln wird dem PKW-Verkehr viel Platz eingeräumt. Durch Schrägparkplätze – eine Erfindung der Nachkriegszeit – geht noch mehr öffentlicher Raum dauerhaft verloren.

Die äußere Landstraßer Hauptstraße hätte großes Potenzial: Der Querschnitt ist sehr breit, sodass Veränderungen hier besonders leicht möglich sind. Alleine durch die Änderung der Parkordnung ließen sich baulich getrennte Radwege einrichten. Auch die vorhandenen Baumreihen könnten so vervollständigt werden.

Parkplätze statt Platz für alle

Der Parkplatz im öffentlichen Raum wird bei Lokalpolitikern oft als „heiliges Gut“ gehandelt. Das Prinzip der autoaffinen Zeit ab den 1960ern hält sich vielerorts mit eherner Kraft: Parkplatzmaximierung um jeden Preis.

Die Straßen gehören uns allen. Auch die parkenden Autos auf der Landstraßer Hauptstraße stehen auf öffentlichem Grund. Zugleich sind öffentliche Flächen in der dicht bebauten Stadt Mangelware. In der Landstraßer Hauptstraße und der nahen Umgebung stehen immerhin über 2000 Stellplätze in den öffentlich zugänglichen Garagen zur Verfügung. Dazu kommen noch unzählige weitere Garagen in Privathäusern.

Abgefahrene Garagenabfahrten

Auf der Landstraßer Hauptstraße wird einerseits sehr viel Platz für den parkenden PKW-Verkehr aufgewendet, andererseits gibt es etliche große Tiefgaragen in der näheren Umgebung. Während für einen sicheren Radweg kein Quadratmeter hergegeben wird, ist an prominenter Stelle Platz für eine riesige Garagenabfahrt – direkt neben dem Rochusmarkt, der barocken Rochuskirche und dem Zentrum der Landstraßer Schutzzone mit ihren über 200 Jahre alten Häusern.

Triste Seitengassen

Die gut erhaltenen historischen Gebäude in der Landstraße sind beeindruckend. Doch zwischen den schmucken Fassaden aus Historismus und Jugendstil sieht es weniger schön aus. Weite Asphaltflächen und fehlende Begrünung kennzeichnen die Gestaltung einiger Seitengassen. Öffentliches Leben kann sich hier kaum entwickeln. Auch baulich getrennte Radwege gibt es nicht.

Verblüffend ist der enorme Qualitätsunterschied von Gebäuden und öffentlichem Raum. Eine ähnliche Diskrepanz findet sich zum Beispiel auch in der Josefstadt.

Radfahren nur für Lebensmüde?

Wieder und wieder bekennt sich die Stadt Wien zur Förderung des Radverkehrs und zum Ausbau von Radwegen. Von den hehren Zielsetzungen bleibt im Endeffekt oft nicht viel übrig, denn über Straßen und Plätze entscheiden maßgeblich die Bezirke. Auch der 3. Bezirk ist durch eine noch wenig entwickelte Radinfrastruktur geprägt.

Würden Sie hier ihre Kinder mit dem Rad fahren lassen? Sind solche Radwege auch für ältere Menschen gefahrlos nutzbar?

Aufgepinselt zwischen Fahrbahn und Parkstreifen – das ist die beliebteste Form des Radwegs in Wien. Der Platzbedarf ist niedrig, ebenso die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer. Die Förderung von Rad- und Fußgängerverkehr bringt auch ökonomische Vorteile: Wer mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs ist, kauft bspw. häufiger auf lokalen Einkaufsstraßen ein (mehr Infos hier).

Rochusmarkt: Im Zangengriff der Fahrbahnen

Nach der Schließung der Markthalle in Wien Mitte im Jahr 2008 ist der Rochusmarkt der einzig durchgehend geöffnete Markt im 3. Bezirk. Obwohl das Einzugsgebiet riesig ist, ist selbst dieser eigentlich recht kleine Markt vom Autoverkehr förmlich eingeschlossen und bietet den Kunden nicht unbedingt viel Platz.

Teil 2: Klima, öffentlicher Raum, Verkehr

Die Gestaltung öffentlicher Räume ist nicht nur eine Frage der Ästhetik. Es geht auch und vor allem um folgende Punkte:
  • Effektiver Schutz vor Hitze vs. kein Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels
  • Gerechte Aufteilung öffentlicher Flächen vs. starke Bevorzugung eines einzelnen Verkehrsmittels
  • Schutz der Bewohner vor Lärm vs. kein Schutz vor Gesundheitsschäden
  • Förderung der lokalen Wirtschaft vs. Förderung von Einkaufszentren am Stadtrand
Alle Infos zu den Vorteilen von Verkehrsberuhigung gibt es in diesem Artikel.

Es wird immer heißer

Der Klimawandel ist eine Tatsache, der wir nicht entkommen. Die Sommer werden tendenziell immer länger und heißer, die Anzahl der Tropennächte steigt. Das Ansteigen der (über das Jahr gerechneten) Durchschnittstemperatur ist deutlich:

An immer mehr Tagen werden Höchsttemperaturen von mehr als 30°C gemessen:

Bäume senken Umgebungstemperatur

Die Aufheizung wird besonders für ältere Menschen und chronisch Kranke immer mehr zum Problem. Gerade in den dicht verbauten Bezirken wird deutlich, dass die Stadt noch viel zu wenig auf den Klimawandel vorbereitet ist. Soll Wien trotz des Klimawandels lebenswert bleiben, braucht es dringend mehr Bäume und mehr entsiegelte Flächen (also weniger Asphalt).

Bäume haben für den urbanen Raum eine enorme Bedeutung. Neben einer optischen Aufwertung ergeben sich auch ganz handfeste Vorteile:

Ein ausgewachsener Stadtbaum spendet bis zu 150 Quadratmeter Schatten, kühlt seine Umgebung im Sommer um bis zu 3 Grad und verdunstet gut 400 Liter Wasser pro Tag.

Den Behörden (von denen das Zitat stammt) ist also bewusst, dass es viel mehr Bäume in Wien braucht.

Zu wenige Bäume im 3. Bezirk

In vielen Bezirken sind Bäume Mangelware. Der 3. Bezirk hat im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl nur unterdurchschnittlich viele Straßenbäume (Zahlen ohne Privatgärten, Bundesgärten und nichtöffentliche Flächen).

Werden die Bäume in Parks dazugerechnet, sieht es etwas besser aus, denn im 3. Bezirk gibt es viele schöne öffentliche Parkanlagen. Hier die Bäume in absoluten Zahlen:

Die nächste Grafik zeigt, wie viele Straßenbäume es im Verhältnis zur gesamten Verkehrsfläche (Straßen, Parkplätze, Gehsteige usw.) gibt. Die Landstraße schneidet hier ganz schlecht ab, was also bedeutet: In vielen Straßen und Gassen gibt es keine oder zu wenige Bäume.

Die offizielle Hitzekarte der Stadt Wien zeigt an, wo bauliche Maßnahmen nötig sind, um die Bevölkerung vor Hitze zu schützen. Auch weite Teile des 3. Bezirks gehören zu den „heißen“ Gebieten, ganz extrem das Fasanviertel beim Landstraßer Gürtel:

Hitzekarte: orange/rot = Maßnahmen gegen Hitze erforderlich (Karte: Stadt Wien, bearbeitet)

Bäume fehlen in der Landstraßer Hauptstraße

Im Vergleich zur inneren Mariahilfer Straße (Fußgängerzone, Begegnungszone) gibt es in der Landstraßer Hauptstraße deutlich weniger Bäume:

Wenige Fußgängerzonen im 3. Bezirk

Nur 0,4% der Verkehrsflächen im 3. Bezirk sind Fußgängerzonen. Fahrbahnen und Parkplätze machen fast 65% aus. Somit gibt es rund 162-mal so viel Fahrbahnen und Parkplätze wie Fußgängerzonen.

Auch im Vergleich zu anderen Bezirken zeigt sich, dass Fußgängerzonen in der Landstraße fehlen:

In Relation zur Einwohnerzahl haben alle Bezirke außer der Inneren Stadt (die als historische Altstadt natürlich eine Sonderstellung hat) wenige Fußgängerzonen. Der 3. Bezirk ist weit abgeschlagen:

Landstraße muss für Fußgänger attraktiver werden

In der Landstraßer Hauptstraße sind viele Menschen zu Fuß unterwegs, doch nimmt die Zahl an Fußgängern rapide ab, um so weiter es stadtauswärts geht:

Im Vergleich zu anderen Einkaufsstraßen liegt die Landstraße nicht schlecht. Angesichts der zentralen Lage relativieren sich die Zahlen aber fast schon wieder:

Aus diesen Daten ergeben sich folgende Schlüsse:

  • Weite Teile der Landstraßer Hauptstraße werden von Fußgängern nicht intensiv genutzt. Das bringt Nachteile für die örtlichen Gewerbetreibenden.
  • Die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße ist etwa 27-30 Meter breit. Die Landstraßer Hauptstraße zwischen Wien Mitte und Rochusmarkt ist zwischen 18 und 35 Meter breit. In jenem Teil der Mariahilfer Straße sind aber fast dreimal so viele Personen unterwegs wie in der Landstraße.
  • Das heißt: Eine Umgestaltung der Landstraßer Haupstraße könnte einen enormen Schub an Passanten (und damit Kunden) bringen.

Die Macht des Automobils

Im 20. Jahrhundert wurden dem motorisierten Individualverkehr sukzessive immer mehr Flächen untergeordnet. Die heutige Gestaltung des öffentlichen Raums orientiert sich an einer Politik, die in den 1930ern ihre Anfänge hatte und seit den 1950ern massiv an Fahrt gewonnen hat.

Der Historiker Sándor Békési:

Die Straßen werden in Wien allgemein von Automobilität beherrscht und sind nur eingeschränkt fußgängerfreundlich. So beanspruchen fahrende oder parkende PKW durchschnittlich mehr als zwei Drittel der Straßenfläche. Zumal für jene Mobilitätsform mit der schlechtesten Umweltbilanz, die lediglich für ein Viertel der Wege in der Stadt benutzt wird. Gehen ist hingegen die einfachste und demokratischste Art und Weise der Fortbewegung.

Eine Studie aus Wien von 2013:

Der KFZ-Verkehr ist für viele Fußgängerinnen und Fußgeher ein wesentlicher Grund nicht mehr Wege in der Stadt zu Fuß zurückzulegen. Dabei werden die hohen Geschwindigkeiten des motorisierten Individualverkehrs als wesentliche Barriere empfunden.

Eine Studie des Verkehrsclub Österreich von 2019:

Während in Europa ein mit dem Pkw zurückgelegter Kilometer durchschnittlich rund 11 Cent an Kosten für die Gesamtgesellschaft verursacht, schaffen Radfahren und Gehen einen gesellschaftlichen Nutzen – vor allem durch Einsparungen im Gesundheitssystem – im Wert von 18 beziehungsweise 37 Cent je Kilometer.

Der öffentliche Raum gehört allen Bewohnern. Auf stark verparkten Straßen und Plätzen wird dieser Raum aber ineffizient genutzt. Letztlich muss die provokante Frage erlaubt sein: Wie lange sollen zentrale Straßen noch als bloße Abstellplätze für Privatgegenstände herhalten?

Das Parken und der Platz

Auch dem ruhenden PKW-Verkehr wird nach wie vor eine privilegierte Position eingeräumt. Dabei gilt:

  • Ein Parkplatz benötigt zwischen 10 und 15 m² öffentlichen Raum.
  • Ein PKW-Stellplatz nimmt genauso viel Raum ein wie ca. 10 abgestellte Fahrräder.
  • Statistisch gesehen wird ein Auto 23 Stunden am Tag gar nicht genutzt. Das Fahrzeug wird zum Stehzeug.
  • Selbst wenn ein Fahrzeug gefahren wird, sitzen durchschnittlich nur 1,15 Personen darin. Der Besetzungsgrad von PKW geht seit Jahrzehnten immer mehr zurück, das heißt: Immer mehr Autos transportieren immer weniger Personen bei gleichbleibendem Platzbedarf und wachsender Bevölkerung.
  • Ein Parkplatz bietet einen Vorteil für wenige bzw. oft nur eine einzige Person (den Besitzer des Fahrzeugs). Für alle anderen (inkl. Anwohner, Geschäftsleute, Konsumenten, Spaziergänger) ergeben sich u.U. erhebliche Nachteile.
  • Gerade im dichten Stadtgebiet, wo Begrünung und Platz für alle Menschen wichtig sind, werden verparkte Straßen zu einem großen Problem. Durch fehlende Begrünung wird die Auswirkung des Klimawandels auf die örtliche Bevölkerung noch extremer.

Wer nimmt wie viel Fläche in Anspruch?

Der Platzverbrauch von PKW ist im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln sehr hoch. Eine Person, die einen PKW mit 50 km/h fährt, benötigt über zweihundertmal so viel Platz wie ein Fußgänger.

Wie könnte der Platz anders genutzt werden?

  • Der Platz, den ein parkender PKW auf der Straße benötigt, könnte auch für Bäume, Schanigärten, Bänke und breitere Gehsteige genutzt werden.
  • Auch ein sicherer Radweg kann anstatt eines Parkstreifens gebaut werden – so können auch Kinder und ältere Menschen das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel gefahrlos nutzen. Im besten Fall reduziert der Umstieg auf das Rad auch den PKW-Verkehr, was für Autofahrer wiederum vorteilhaft ist.
  • Durch die Reduktion von Parkplätzen in belebten Straßen (Einkaufsstraßen, Plätzen, bei Parks usw.) ergeben sich Platzvorteile für die große Mehrheit der Menschen. Hätte sich die Politik in der Vergangenheit gegen jede Veränderung gesträubt, würden sich die Autos auch heute noch am Stephansplatz, Graben und in der Kärntner Straße stauen bzw. dort parken.
  • Zugleich können Haltezonen usw. für Handwerker, Lieferanten etc. eingerichtet werden. Damit ist es für solche Dienstleister noch einfacher, direkt bis zum gewünschten Ort zu kommen. Sie leiden nicht mehr unter zugeparkten Straßen.

Die Vorteile von Verkehrsberuhigung

Wo ist es schöner: Auf engen, überfüllten Gehsteigen, eingeklemmt zwischen parkenden Fahrzeugen und Hausmauern? Oder auf breiten Gehsteigen und in Begegnungs- und Fußgängerzonen, wo es viel Platz für alle gibt?

  • Die Wiener Wirtschaftskammer, die sich ehedem gegen die Umgestaltung der Mariahilfer Straße ausgesprochen hatte, fordert nun mehr Begegnungszonen. Die Parkplatzfrage verliere zunehmend an Bedeutung, während Fußgängerzonen die Innenstädte beleben.
  • Mit der Herrengasse im 1. Wiener Bezirk waren die örtlichen Geschäftsleute und Hausbesitzer so unzufrieden, dass sie eine Umgestaltung sogar aus eigener Tasche finanzierten. Seither gibt es dort mehr Platz für Fußgänger, eine schöne Pflasterung, historisierende Straßenlaternen und keine raumfordernden Parkplätze mehr. So ist die Herrengasse zu einer der schönsten Gassen der Wiener Altstadt geworden.
  • Die Geschäftsleute der Rotenturmstraße hatten während des Umbaus zur Begegnungszone mit Baustellenlärm und sinkender Kundenfrequenz zu kämpfen. Nach Fertigstellung wurde die Begegnungszone als deutliche Aufwertung wahrgenommen.
  • Geschäftsleute in Einkaufsstraßen überschätzen die Zahl der mit dem PKW kommenden Kunden massiv. Die allermeisten Kunden kommen zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Bei Studien in Wiener Einkaufsstraßen gaben 10% bzw. 13% der Befragten an, mit dem Auto angereist zu sein.
  • „Werden Verbesserungen im öffentlichen Raum gut geplant, können Kundenfrequenz und Umsatz bis zu 40 Prozent steigen.“ (eine britische Studie)
  • Erste Überlegungen für Fußgängerzonen in der Inneren Stadt kamen schon in den 1960ern auf. Wie auch bei späteren Verkehrsberuhigungen befürchteten die Geschäftsleute das Ausbleiben ihrer motorisierten Kundschaft. Bekanntlich passierte aber etwas ganz Anderes: Durch die Fußgängerzonen am Graben, Stephansplatz und in der Kärntner Straße blühten Handel und Gastronomie auf, der Tourismus profitierte enorm und der Bevölkerung gefiel die Veränderung.

Verkehrsberuhigung macht das Stadtbild schöner

Durch Begegnungs- und Fußgängerzonen wird auch das Stadtbild transformiert (z. B. Rotenturmstraße, Königsegggasse, Stephansplatz, Mariahilfer Straße, Neubaugasse, Zollergasse, Stadtzentrum von Ljubljana). Hier einige Vorher-Nachher-Vergleiche:

Förderung des Radverkehrs nutzt allen

  • Laut Verkehrsclub Österreich sind 40 Prozent der privaten Autofahrten in Österreich kürzer als fünf Kilometer und jede fünfte Autofahrt sogar kürzer als zweieinhalb Kilometer.
  • Angebot erzeugt Nachfrage: „Schafft eine Gemeinde oder Stadt gute Bedingungen zum Radfahren, dann wird dort häufiger Rad gefahren.“
  • Auch E-Bikes werden immer wichtiger. „Elektro-Fahrräder ermöglichen es, längere Distanzen bequem zurückzulegen. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei guter Radfahr-Infrastruktur E-Fahrräder zu signifikanten Verlagerungen vom Auto auf das Fahrrad führen können.“
  • Unzureichende Radwege behindern die alltäglichen Radnutzung: Jeder Fünfte, der das Fahrrad zum Einkaufen nicht benutzt, gibt in einer Umfrage als Grund an, sich nicht sicher beim Radfahren zu fühlen.
  • Radfahrer „besuchen den lokalen Einzelhandel häufiger als PKW-EinkäuferInnen.“ (Studie von WKO und Lebensministerium)
  • Die Hälfte aller Einkäufe wiegt weniger als 5 kg. 70% der Einkäufe lassen sich per Fahrrad oder Korb nach Hause transportieren.
  • „Fahrradnutzende Personen kaufen gern dort ein, wo sie wohnen oder arbeiten. Somit belassen Sie ihre Kaufkraft in der eigenen Gemeinde. Radverkehr sichert somit die Struktur der Ortskerne und Innenstädte.“
  • „RadfahrerInnen geben zwar pro Einkauf weniger Geld als AutofahrerInnen aus, kommen aber deutlich häufiger wieder und bringen daher mehr Umsatz als motorisierte KundInnen.“

Langsamer fahren = mehr Lebensqualität

In vielen Wohngebieten Wiens gilt ein zu hohes Fahrtempo, was negative Folgen wie Lärm und erhöhte Unfallgefahr nach sich zieht. Die einfache Lösung: Tempo 30 und bauliche Umgestaltungen der Straßen. Tempo 30 bringt viele Vorteile:

  • Lärm hat massive Auswirkungen auf die Gesundheit. In Umfragen wird vor allem Verkehrslärm als Problem gesehen. Durch Tempo 30 ist es deutlich leiser. So ist der Lärmpegel eines PKW mit 50 km/h in etwa vergleichbar mit dem Lärmpegel von vier PKW mit 30 km/h. Abrollgeräusch und Beschleunigungslärm sind deutlich geringer. Auch die Weltgesundheitsorganisation warnt vor den gesundheitlichen Schäden von Lärm und fordert die Politik zum Handeln auf.
  • Die Gefahr von bzw. bei Unfällen sinkt, da der Bremsweg länger ist und Autofahrer bei niedrigeren Geschwindigkeiten aufmerksamer gegenüber Details im Straßenraum sind.
  • Die Sicherheit für Radfahrer steigt, da sie sich bei Tempo 30 einfacher im Fließverkehr fortbewegen können (was bei Tempo 50 nicht möglich ist).
  • Der Schadstoffausstoß dürfte ebenfalls leicht geringer sein, da die emissionsstarken Beschleunigungsphasen kürzer ausfallen.
  • Der Verkehrsfluss wird gleichmäßiger, da die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Fahrzeugen geringer sind. So kommen sogar mehr Autos voran.
  • Für Fußgänger ist es leichter, spontan und gefahrlos die Straße zu überqueren.
  • Durch Tempo 30 ist mehr Platz für alle möglich, da Tempo-30-Straßen schmäler gebaut werden können.
  • Im dichten Stadtgebiet erreichen die öffentlichen Verkehrsmittel selten Geschwindigkeiten von mehr als 30 km/h. Somit wirkt sich eine Absenkung des allgemeinen Fahrtempos nicht negativ auf Bus und Bim aus.

Zum Thema Geschwindigkeit sagt der Verkehrsforscher Hermann Knoflacher von der Technischen Universität Wien:

Städte für Menschen müssen von Menschen gehalten, belebt und verändert werden und Menschen sind Zweibeiner, die sich mit eigener Körperenergie fortbewegen und Menschen bleiben, solange sie Zweibeiner sind. Ihre Geschwindigkeit ist niedrig, was sich auch an der Gesundheit der Städte zeigt. Je näher die Durchschnittsgeschwindigkeit einer Stadt, eines Viertels, einer Siedlung dem Fußgeher kommt, umso vitaler werden diese. Je mehr sich die Geschwindigkeit von der des Fußgehers entfernt, umso unwirtlicher wird die Stadt. Sie wird krank.

Straßenlaternen in Wien: schön schaut anders aus

Oft liegt das Schöne und Liebenswerte im Detail. Dazu gehört auch die oft wenig beachtete Straßenbeleuchtung:

  • In Wien kommen fast überall Hängeleuchten zum Einsatz, die auf Drähten zwischen den Häusern befestigt sind.
  • Diese Drähte (und auch die Lampen selbst) sind für die Attraktivität des Stadtbildes nicht sehr förderlich.
  • Hängeleuchten erhellen vor allem die Mitte der Straße. An den Rändern des Straßenraums, der von Fußgängern genutzt wird, ist es im Gegensatz dazu oft dunkler.
  • Auch wenn konventionelle Straßenlaternen aufgestellt sind, werden meist sehr schlichte Modelle verwendet. Auch auf der Landstraßer Hauptstraße (Beispiele: beim Herz-Jesu-Krankenhaus, nahe der Invalidenstraße, beim Rochusmarkt).

Erst vor einigen Jahren wurden die alten Straßenlaternen in der Landstraßer Hauptstraße gegen neue Modelle ausgewechselt. Seither gibt es stromsparende LED-Leuchtkörper, doch wollen die Laternen selbst nicht recht zu den schönen Häusern der Umgebung passen.

Einst wurde in Wien viel Wert auf eine ästhetisch ansprechende Straßenbeleuchtung gelegt (siehe alte Aufnahmen unten). Ob es möglich wäre, künftig in der Landstraßer Hauptstraße bzw. in ganz Wien wieder vermehrt auf solche schönen Straßenlaternen zu setzen? Lassen sich solche historischen Designs nicht auch problemlos mit moderner LED-Technologie kombinieren?

Teil 3: Von der grauen Stadtstraße zum schönen Boulevard

Der 3. Bezirk hat eigentlich alles, was es braucht, um beliebt und lebenswert zu sein. Alleine die zwei von Friedensreich Hundertwasser gestalteten Gebäude – Kunsthaus und Hundertwasserhaus – locken jedes Jahr über hunderttausend Besucher in den Bezirk. In Kombination mit Prachtbauten wie dem Belvedere, dem Palais Rasumofsky und vielen alten Wohnhäusern aus dem 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert mangelt es der Landstraße an Attraktivität nicht. Auch viele Parks gibt es im Dritten (Belvederepark, Botanischer Garten, Arenbergpark usw.).

Und im Zentrum des 3. Bezirk ist die Landstraßer Hauptstraße, die nur auf eine Aufwertung zu warten scheint. Schon jetzt gibt es z.T. viele Bäume, ein gutes Angebot an Geschäften und eine exzellente Öffi-Anbindung. Stellenweise sind die Gehsteige deutlich breiter als der Wiener Durchschnitt und sogar – wenn auch nicht unbedingt sehr schön – gepflastert. An diese Stärken kann eine künftige Umgestaltung anknüpfen.

  • Mehr Bäume: Vervollständigung der vorhandenen Baumreihen
  • Mehr Platz zum Gehen: Begegnungszone zwischen Rochusmarkt und Schlachthausgasse, Fußgängerzone zwischen Wien Mitte und Rochusmarkt (mit gestatteter Zufahrt für Anrainer), Einrichten von Haltezonen für Lieferanten und Handwerker
  • Sichere Radwege: Einrichten von baulich von der Fahrbahn getrennten Radwegen oder einer Begegnungszone
  • Ruhig und sicher fahren: Absenkung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 oder – sofern eine Begegnungszone gilt – Tempo 20
  • Schönes Licht: Aufstellen von Straßenlaternen in historischem Design
  • Mehr Märkte: Rochusmarkt vergrößern, u. U. Marktstände bei Wien Mitte einrichten

Hier Details zu diesen Punkten:

(1) Mehr Bäume für die Landstraßer Hauptstraße!

In Zukunft wird es sinnvoll sein, die vorhandenen Baumreihen an beiden Straßenseiten über die ganze Länge der Straße zu vervollständigen. Hier ist zu sehen, wo noch Bäume fehlen, um beidseitig auf durchgehende Baumreihen zu kommen:

(2) Mehr Platz zum Gehen!

Eine Studie der TU Wien, die im Auftrag der Grünen durchgeführt wurde, empfiehlt u.a. einen Umbau der Landstraßer Hauptstraße zur Begegnungszone, die Schaffung einer abschnittsweisen Fußgängerzone und die Einrichtung einer neuen Straßenbahnlinie in der Landstraßer Hauptstraße.

Inwieweit diese Änderungen möglich und sinnvoll sind, müssen letztlich Verkehrsexperten entscheiden. Lässt sich zeigen, dass diese Maßnahmen für die Landstraßer Hauptstraße positiv sind, sollten einem schrittweisen Umbau keine Steine in den Weg gelegt werden.

Skeptisch macht nur die Idee einer Straßenbahnlinie durch eine Begegnungszone, denn dann würden Fußgänger, Radfahrer, PKW und Straßenbahnen eine gemeinsame Fläche nutzen. Es besteht die Gefahr, dass der nichtmotorisierte Verkehr erst recht an den Rand gedrängt wird und der Ist-Zustand ungewollt perpetuiert wird. (Wobei das u. U. durch eine Buslinie, die auch jetzt schon hier verkehrt, auch der Fall sein könnte.)

In Summe wären folgende Änderungen bestimmt sehr positiv:

  • Fußgängerzone zwischen Invalidenstraße und Rochusmarkt (mit Zufahrt für Anrainer und Lieferanten)
  • Begegnungszone zwischen Rochusmarkt und Schlachthausgasse
  • Soll die geplante Veranstaltungshalle in St. Marx durch eine zusätzliche Straßenbahnlinie erschlossen werden, ginge das vielleicht auch über das bestehende Schienennetz (Ungargasse > Rennweg > Schlachthausgasse). Diese Lösung wäre auch finanziell günstiger, da die Schienen schon vorhanden sind.

Wie sehr der PKW-Verkehr die Landstraße derzeit prägt, zeigt der Vergleich mit der Mariahilfer Straße (Fotos unten). Ob die Mariahilfer Straße als Vorbild für eine Umgestaltung der Landstraße dienen könnte?

(3) Sichere Radwege für die Landstraße!

Sollen die Wienerinnern und Wiener für regelmäßige Wege auf das Rad umsteigen, muss sich die Infrastruktur entsprechend anpassen. Die derzeit in der Landstraßer Hauptstraße zwischen Park- und Fahrspuren aufgemalten Radwege bieten keine Alternative zu baulich von der Fahrbahn getrennten Radwegen.

Zwei Maßnahmen sind sinnvoll:

  • Schaffung baulich getrennter Radwege auf allen größeren Straßen des 3. Bezirks
  • Einrichtung von Begegnungszonen (in denen alle Verkehrsmittel gleichberechtigt sind)

Damit können künftig auch Konflikte zwischen Radfahrern, Fußgängern und PKW-Fahrern minimiert werden.

(4) Langsamer ist besser

Die Absenkung der Höchstgeschwindigkeit in dicht besiedelten Gebieten hat viele Vorteile (siehe oben). Nicht umsonst gilt im 6. und demnächst im 7. Bezirk fast überall Tempo 30. Warum sollen also die Bewohner der Landstraße noch länger auf Tempo 30 warten müssen?

Wird in der Landstraßer Hauptstraße einmal eine Begegnungszone eingerichtet, würde dort Tempo 20 gelten. Leiser, sicherer und lebenswerter – warum nicht?

(5) Her mit den schönen Laternen!

Die Wiener Straßenbeleuchtung ist nicht besonders schön, was auch auf die Landstraßer Hauptstraße zutrifft. Früher war das noch anders (Fotos oben).

In anderen Wiener Bezirken kommen auch heute noch schöne Lampenmodelle zum Einsatz (z. B. am Jodok-Fink-Platz, in der Lenaugasse, am Heldenplatz und am Graben). Warum nicht auch künftig in der Landstraße? Gerade solche zeitlosen Modelle haben den Vorteil, dass sie nicht alle Jahrzehnte gegen neue Modelle getauscht werden müssen, weil sich der ästhetische Geschmack geändert hat.

(6) Mehr Märkte

357.917 Menschen besuchen pro Woche die Wiener Märkte (…) Das ist der höchste Wert, der jemals erreicht wurde. Das Ergebnis bedeutet im Vergleich zu den letzten Zählungen einen Zuwachs von 11 Prozent

Das verkündete die Stadt Wien im Jahr 2019. Kurz gesagt: Märkte sind beliebt. Für den 3. Bezirk könnte das heißen:

  • Aufwertung des öffentlichen Raums um den Rochusmarkt
  • Evtl. Einrichtung von Marktständen bei Wien Mitte

Rochusmarkt aufwerten

Der Rochusmarkt auf der Landstraßer Hauptstraße ist der zweit-meistbesuchte Markt in Wien, noch vor dem Naschmarkt. Über 56.000 Personen besuchen den Rochusmarkt pro Woche (Erhebung im Mai 2019). Wäre das nicht ein guter Grund, um über eine Attraktivierung nachzudenken? Verbesserungen könnten bspw. so aussehen:

  • Durchziehen des Gehsteigs zwischen Landstraßer Hauptstraße 39 und 41, Entfall der Durchfahrt. Die Einbahnen bleiben unverändert, alle Straßen bleiben für PKW weiterhin ohne Einschränkungen erreichbar. Für Fußgänger bringt das viel mehr Platz, der Markt wird aufgewertet.
  • Verbreiterung der Gehsteige und Entfall der Parkplätze in der Erdbergstraße und Landstraßer Hauptstraße, Einrichten von Park- und Haltezonen für Gewerbetreibende.
  • Begrünung der kurzen Begegnungszone
  • Ersetzen des Asphaltbelags am Markt und in der Umgebung durch eine (verfugte/glatte) Pflasterung, die sich an der z.T. schon vorhandenen Pflasterung orientiert.
So könnte der Rochusmarkt schöner gemacht werden (Kartenbasis: ©ViennaGIS)

Trauen sich die Politiker?

Die Straßen fallen maßgeblich unter die Zuständigkeit der Bezirke. So muss sich auch erst eine politische Mehrheit für eine nachhaltige Aufwertung der Landstraßer Hauptstraße finden. Es ist an der Zeit, dass die Parteien konstruktiv Ideen austauschen und mit Experten zusammenarbeiten. Eine bessere Zukunft darf nicht einfach durch politischen Opportunismus und durchschaubares Parteidenken verhindert werden. Die Bürgerinnen und Bürger hätten sich das wirklich verdient.

Mehr Infos zum Thema Verkehrsberuhigung gibt es hier.

Kontakte zu Stadt & Politik

www.wien.gv.at
post@bv03.wien.gv.at
+43 1 4000 03110

Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen und weitere Infos

Verkehrsberuhigung, Begegnungszonen, Fußgängerverkehr
  • „Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden nahezu flächendeckend Flächen vom ÖPNV, Fußverkehr und Radverkehr zugunsten des Kfz-Verkehrs umverteilt, um die “Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs” sicherzustellen. Die durch die massive Förderung des Automobils entstandenen negativen externen Effekte und die übergeordneten gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen haben über die vergangenen Jahrzehnte die verkehrs- und umweltpolitischen Zielsetzungen verändert, die mit Maßnahmen unterlegt werden. Für das Erreichen der Ziele ist die Lösung der Nutzungskonkurrenz um den vorhandenen Raum entscheidend. So ist beispielsweise eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV nur mit “Tarifinnovationen” nicht zu erreichen, hierfür braucht es auch Angebotsausweitungen und Infrastrukturverbesserungen.“ (zukunft-mobilitaet.net/171460/urbane-mobilitaet/angebotsverbesserungen-ohne-einschraenkungen-push-and-pull-verkehr/)
  • Platzverbrauch von PKW: Grundlagen der Fußverkehrsplanung, Harald Frey, Institut für Verkehrswissenschaften, Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, TU Wien, S. 23 (fvv.tuwien.ac.at/fileadmin/mediapool-verkehrsplanung/Bilder/Lehre/Aktive_Mobilit%C3%A4t/2015-03-10_frey.pdf). Die Daten nehmen einen Besetzungsgrad von 1,4 Personen pro PKW an.
  • Die Daten zum Platzbedarf von Radfahrern und Fußgängern sich (auch) hier zu finden: zukunft-mobilitaet.net/78246/analyse/flaechenbedarf-pkw-fahrrad-bus-strassenbahn-stadtbahn-fussgaenger-metro-bremsverzoegerung-vergleich/
  • „Der KFZ-Verkehr ist für viele Fußgängerinnen und Fußgeher ein wesentlicher Grund nicht mehr Wege in der Stadt zu Fuß zurückzulegen. Dabei werden die hohen Geschwindigkeiten des motorisierten Individualverkehrs als wesentliche Barriere empfunden.“ – Ausserer et.al, NutzerInnenbefragung: Was gefällt am Gehen und was hält davon ab? Studie im Auftrag der Magistratsabteilung 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung, Wien, 2013 (Link siehe oben).
  • Seit 2019 fordert die Wiener Wirtschaftskammer Begegnungs- und Fußgängerzonen in allen Bezirken: derstandard.at/story/2000110059521/begegnungszonen-sind-gut-fuers-geschaeft
  • Werden Verbesserungen im öffentlichen Raum gut geplant, können Kundenfrequenz und Umsatz bis zu 40 Prozent steigen. – The Pedestrian Pound, 2018 (justeconomics.co.uk/education-employment-and-economic-development/the-pedestrian-pound)
  • Wirtschaftskammer Wien: „Die Parkplatzfrage, eines der Hauptmotive für Einkaufszentren, verliert zunehmend an Bedeutung. (..) Neue Fußgängerzonen entstehen und beleben die Innenstädte.“ (wko.at/site/standortanwalt-wien/Berichte.html)
  • Die Geschäftsleute der Rotenturmstraße hatten während des Umbaus zur Begegnungszone (im Jahr 2019) mit Baustellenlärm und sinkender Kundenfrequenz zu kämpfen. Nach Fertigstellung wurde die Begegnungszone als eine deutliche Aufwertung wahrgenommen („viel schöner“). (derstandard.at/story/2000110059521/begegnungszonen-sind-gut-fuers-geschaeft)
  • 47% der Passanten in Einkaufsstraßen kommen mit dem öffentlichen Verkehr, 38% kommen zu Fuß und nur 13% mit dem Auto (laut einer Umfrage der Wiener Wirtschaftskammer von 2008, in: Die Förderung des Zu Fuß Gehens als wesentliches Element einer zukunftsfähigen Umwelt- und Verkehrspolitik für die Stadt Wien (ZEUS), Endbericht, TU Wien, 2016; auch die folgenden Daten und Zitate sind dieser Studie entnommen).
  • Bei einer Umfrage (2008) unter Passanten/Einkaufenden in der Thaliastraße (Ottakring) gaben weniger als 10% an, mit dem Auto gekommen zu sein: „Aus den Ergebnissen kann geschlossen werden, dass zu Fuß Gehende häufiger in die Thaliastraße zum Einkauf kommen als die NutzerInnen anderer Verkehrsmittel.“
  • „Der Anteil der zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Verkehr zum Einkauf Kommenden wird durch die Geschäftsleute unterschätzt. Die Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs wird [von den Geschäftsleuten] dagegen beinahe um das Dreifache überschätzt.“ (Umfrage in Wien, ähnliche Ergebnisse auch bei Studien in anderen Städten)
  • „Zu Fuß Einkaufende geben pro Einkauf weniger aus als solche, die mit dem öffentlichen Verkehr oder dem motorisierten Individualverkehr zum Einkauf fahren. Durch die höhere Frequenz werden die geringeren Ausgaben je Einkauf aber mehr als kompensiert. Dies gleichzeitig bei deutlich geringerem Energieverbrauch.“ (Studie aus Wien, 1990er)
  • „Die Aufwertung von öffentlichen Flächen und Schaffung von Grünraum sind die von den Wienerinnen und Wienern in der Befragung am häufigsten genannten Wünsche zur Verbesserung der Lebensqualität in ihrem Wohnumfeld.“ (Umfrage von 2014)
  • In Hinblick auf das Zufußgehen wünschen sich die Wiener u.a. einen geringeren und langsameren Autoverkehr und ein rücksichtsvolleres Fahren von Auto- und Radfahrern.
  • „BewohnerInnen der zentral liegenden Gründerzeitgebiete, welche sich durch sehr hohe Dichten und gute Wohnqualität auszeichnen, legen rund 36 bis 38 Prozent ihrer Wege zu Fuß zurück.“
  • „Je höher das Tempolimit ist, umso weniger Aktivitäten werden im öffentlichen Raum durchgeführt. In Begegnungszonen (Tempo 20) werden mehr als doppelt so viele Aktivitäten durchgeführt wie in Tempo 50 Straßen. Gleiches gilt für die Nutzungsintensität durch FußgängerInnen. Je niedriger das Tempolimit und je höher der Grad der baulichen Umgestaltung des Straßenraums ist, umso intensiver wird der öffentliche Raum von FußgängerInnen genutzt. In Straßen mit Tempo 50 gaben drei Viertel der Befragten an, den Straßenraum nicht als FußgängerIn zu nutzen. In Begegnungszonen sank deren Anteil auf knapp unter die Hälfte.“
  • Nach einer Umfrage der Wiener Linien von 2013 werden in Wien etwa 27% aller Wege zu Fuß zurückgelegt, mit einem deutlichen Geschlechtsunterschied: „Während Männer nur rund 24 Prozent ihrer Wege zu Fuß zurücklegten, lag der Anteil des zu Fuß Gehens bei Frauen bei knapp 30 Prozent. Das zu Fuß Gehen war damit bei Frauen die am zweithäufigsten genutzte Art mobil zu sein.“ Eine besonders große Bedeutung hat das Zufußgehen für Kinder und ältere Menschen.
  • Die Menschen gehen gerne zu Fuß, wenn folgende Punkte gegeben sind (laut Umfrage): attraktive Umgebung, gut beleuchtete Gehsteige, getrennte Rad- und Gehwege, niedriges Fahrtempo von PKW
  • „Während in Europa ein mit dem Pkw zurückgelegter Kilometer durchschnittlich rund 11 Cent an Kosten für die Gesamtgesellschaft verursacht, schaffen Radfahren und Gehen einen gesellschaftlichen Nutzen – vor allem durch Einsparungen im Gesundheitssystem – im Wert von 18 beziehungsweise 37 Cent je Kilometer.“ (VCÖ, 2019; The Social Cost of Automobility, Cycling and Walking in the European Union. In: Ecological Economics, Volume 158, S. 65-74)
  • „Cities which want to boost takings in shops and restaurants should restrict access for motorists, a new study suggests. Madrid closed its central business district to cars for the first time during the 2018 Christmas period and an analysis informed by Spain’s second largest bank has found that, year-on-year, till transactions were significantly boosted by the measure. The closure also had another benefit: cleaner air.“ – Forbes, 2019 (forbes.com/sites/carltonreid/2019/03/08/closing-central-madrid-to-cars-resulted-in-9-5-boost-to-retail-spending-finds-bank-analysis/#7e066a0855a7)
  • Das Zitat von Hermann Knoflacher ist entnommen aus: Städtebau aus idealisierter Sicht eines Verkehrsplaners, 2010, S. 13.
Zur Geschichte der Landstraße

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