Die Argentinierstraße liegt perfekt und könnte eine einladende Straße sein. Tatsächlich sieht es aber düster aus: Grauer Asphalt, viele Parkplätze und fehlende Begrünung machen den öffentlichen Raum unattraktiv. Hier geht nur durch, wer muss. Doch Bezirk und Rathaus haben Verbesserungen angekündigt.
Hinweis: Dieser Artikel wurde im Mai 2023 aktualisiert.
Wer hat Angst vor schönen Straßen?
Der öffentliche Raum wird in Wien seit Jahrzehnten sträflich vernachlässigt. Fast jede Straße, jede Gasse und auch viele Plätze sind bloße Asphaltflächen. Der Asphalt zieht sich meist über die ganze Straßenbreite (inkl. Gehsteige und Parkplätze). Für fahrende und parkende Autos wird viel Fläche bereitgestellt (meist zwei Drittel des Querschnitts), Fußgänger und Radfahrer haben oft das Nachsehen. Eklatant ist auch das Fehlen von Bäumen und Begrünung. Hinzu kommt die unattraktive Straßenmöblierung.
Viele der oben genannten Punkte treffen auch auf die Argentinierstraße zu. Einzig der baulich ausgeführte Radweg zeichnet die über einen Kilometer lange Straße gegenüber vielen anderen aus. Doch dieser Radweg ist stellenweise viel zu schmal und reicht für die in den letzten Jahren gestiegene Zahl an Radfahrern nicht mehr aus.
Umgestaltung angekündigt
2022 sprachen sich die Anwohner in einer Abstimmung für eine Fahrradstraße aus – also eine Straße, in der der Radverkehr priorisiert ist (womit der baulich ausgeführte Radweg wegfällt). Eine neue Einbahnregelung soll das Durchfahren für Kfz verhindern und der motorisierte Verkehr damit reduziert werden. Auch der Platz um die Elisabethkirche und einige Querstraßen sollen verkehrsberuhigt werden. Bei einer gesonderten Befragung wurden Begrünung, Abkühlung und weniger Asphalt als wichtigste Wünsche von den Bewohnern geäußert. Baubeginn ist Herbst 2023. Das Projekt wird vorangetrieben durch Bezirksvorsteherin Lea Halbwidl und Stadträtin Ulli Sima (beide SPÖ).
Grüne für Umbau
Kritik kam von den Grünen, die befürchteten, dass sich der Autoverkehr durch zu viele Querungen störend auswirken könnte. Gefordert wurde ein Gesamtkonzept, das auch Grünflächen, Bäume und Sitzgelegenheiten einplant. In der Vergangenheit forderte die Partei wiederholt mehr Bäume, eine helle Pflasterung und eine Verkehrsberuhigung, doch wurden die Anträge abgelehnt. Schon 2021 hatten die Grünen eine Umfrage unter den Bewohnern durchgeführt und ein Rendering veröffentlicht. (Sobald eine Grafik vonseiten der SPÖ bzw. der Bezirksvorstehung veröffentlicht wird, wird diese Grafik in diesen Artikel eingefügt.)
Gefahr: sinnloser Umbau
Die Erfahrung lehrt: Umgebaut wird in Wien oft nach dem Motto „zwei Schritte vor, ein Schritt zurück“. Zwar wird meist eine gewisse Verbesserung erreicht, die aber weit hinter den Möglichkeiten bleibt (z. B. Otto-Bauer-Gasse, Thaliastraße). Die typischen Fehler: auto-orientierte Gestaltung, viele Parkplätze, Asphalt und Beton (statt Natursteinpflasterung), unattraktive und unbequeme Sitzgelegenheiten, graues und fades Design.
Wieder Asphalt?
Die allererste grobe Visualisierung ließ vermuten, dass zahlreiche Parkplätze eingeplant sein dürften, was die Begrünung natürlich erheblich erschweren würde. Die eingezeichneten Gehsteige hätten auf grauen Asphalt hindeuten können, was keine Verbesserung im Vergleich zum Ist-Zustand gebracht hätte. Erst mit der letzten Visualisierung vom April 2023 (siehe weiter unten) wurde klar: Die Asphaltflächen sollen tatsächlich deutlich reduziert werden.
Schelleingasse: viel Asphalt nach Umbau
Als Negativbeispiel für eine Umgestaltung kann der asphaltlastige Umbau der im selben Bezirk liegenden Schelleingasse (Foto unten) gelten, wo aber auch neue Bäume gepflanzt und mehr Platz für Radfahrer geschaffen wurde. So war zu befürchten, dass auch die neue Argentinierstraße von Asphalt geprägt sein könnte, sodass nach wenigen Jahren schon wieder nachgebessert werden müsste (wie in der Seestadt Aspern)? Dass die Bezirksvorstehung bei der Argentinierstraße den Erhalt vieler Parkplätze betonte, legte diese Befürchtung nahe.
Bei der Umfrage zur Argentinierstraße wurde übrigens die Option „möglichst viele Stellplätze für PKW“ als am wenigsten wichtig erachtet. In der Prioritätenliste hingegen ganz oben: „weniger Asphalt“.
Wünsche für die Umgestaltung
Die Möglichkeiten für Verbesserungen sind in jedem Fall gewaltig. Salopp gesagt: Viel unattraktiver als jetzt kann die Straße ohnehin nicht mehr werden. Eine nachhaltige Lösung könnte so aussehen:
- Möglichst viele Flächen für Fußgänger und Radfahrer
- So viele Bäume und so große Baumscheiben wie möglich
- Bepflanzte Baumscheiben mit hitzeresistenten anspruchslosen Pflanzen
- Verringerung der Kfz-Flächen auf eine Fahrspur und einige Halteplätze
- So wenige Kfz-Querungen wie möglich, kein Transitverkehr
- Pflasterung der Gehsteige mit hellem Naturstein, heller Belag für die Fahrbahn
- Viele Sitzbänke
- Straßenlaternen in historischem Design
- Entfernung der Mauern zum Theresianum und Anton-Benya-Park
April 2023: Stadt stellt Pläne vor
Einige Wochen nach dem Erscheinen der ersten Version dieses Artikels wurden die Pläne für die Umgestaltung vorgestellt. Etliche der oben genannten „Wünsche“ finden sich in diesem Plan wieder. Aber auch einige Schwächen fallen auf:
- Teilweise wird der Asphaltbelag beibehalten.
- Es wird nur stellenweise auf Naturstein gesetzt. Auch Betonstein (zu Platten gepresster Beton) kommt zum Einsatz, obwohl das Material weniger haltbar und weniger attraktiv ist.
- Parkplätze sind weiterhin vorhanden.
- Die rote Farbe für die Fahrbahn – übernommen aus den Niederlanden – könnte sich mit der hiesigen Putzarchitektur schlagen.
In Summe zeigt sich aber eine für Wien ungewohnt hochwertige Optik. Die Pläne gehen deutlich über das übliche Niveau von Umgestaltungen hinaus.
Ein Spaziergang durch die Tristesse
Die hier beginnende Fotostrecke ist im März 2023 entstanden. Der fotografische Spaziergang startet am Gürtel. Besucher erahnen wahrscheinlich nicht, dass es hier direkt zum Karlsplatz in Richtung Stadtzentrum geht. Dass Wien nie die Chance wahrgenommen hat, die Argentinierstraße als einladende Meile für den Tourismus mit vielen Geschäftsflächen und Bäumen auszubauen, ist erstaunlich.
Asphalt und ruhender Verkehr dominieren zwischen Gürtel und Elisabethkirche. Auf dem Foto unten ist schon die typische Straßenaufteilung zu sehen: drei Spuren für Kfz, ein baulich ausgeführter Radweg, links und rechts asphaltierte Gehsteige.
Der in den 1980ern erbaute Radweg ist für damalige Verhältnisse ungewöhnlich breit, aufgrund des gestiegenen Radverkehrsaufkommens inzwischen aber stellenweise deutlich zu schmal. Abgesehen davon fehlt Begrünung – wie hier zwischen Weyringergasse und Elisabethplatz:
Der Sankt-Elisabeth-Platz unterbricht die Argentinierstraße. Der Platz um die Kirche ist eine kleine, freundlich gestaltete Fußgängerzone samt Marktständen und angenehmen Sitzplätzen. Weite Flächen werden aber für Parkplätze bereitgestellt. Die Erdgeschoßzonen (Geschäfte, Lokale) können sich so nur bedingt entwickeln.
Der kurze Abschnitt zwischen Elisabethkirche und Theresianumgasse ist gesäumt von historischen Gebäuden. Was fehlt: eine Baumallee.
Zwischen Theater Akzent und ORF-Funkhaus verläuft die Mauer zum Gelände des Theresianums. Seit Jahrzehnten versuchen Bezirkspolitiker, diese Mauer wegzubekommen und den Park zu öffnen. Bislang vergebens. Leichter entfernen ließe sich die Mauer des gegenüber liegenden Anton-Benya-Parks, der der Arbeiterkammer gehören dürfte. Im 19. Jahrhundert befand sich hier übrigens keine Straße, sondern eine durchgehende Gartenfläche. Mit dem Einreißen beider Mauern könnte dieser Zustand annähernd wiederhergestellt werden.
In der Argentinierstraße steht eines der größten und bekanntesten Gebäude, das zur Zeit des Austrofaschismus („Ständestaat“) geplant worden ist: das heute nur noch teilweise vom ORF genutzte Radiokulturhaus.
Als Beleuchtung kommen trotz Ortsbild-Schutzzone und der Lage in der Pufferzone des Unesco-Weltkulturerbes nur wenig attraktive Hängelampen auf Drähten zum Einsatz. Formschöne Straßenlaternen, die zur Umgebung passen, finden sich nicht. Früher gab es sie aber, wie historische Aufnahmen zeigen (ganz unten im Artikel).
Selbst bei der Karlskirche wurden in der Vergangenheit keinerlei Maßnahmen getroffen, um die Argentinierstraße freundlich und grün zu gestalten. Asphalt, Hängelampen und graue Stangen (für Verkehrsschilder, Ampeln) sind die primären Gestaltungsmittel.
Die alte Argentinierstraße
Früher hieß die Argentinierstraße Alleegasse. Eine durchgehende Baumallee ist aber auf keinem der auffindbaren Fotos zu sehen.
Das Foto unten ist besonders alt (1878) und zeigt, wie die heutige Argentinierstraße ursprünglich aus zwei Straßen bestand, die in der Mitte durch eine große Grünfläche unterbrochen waren. In der Mitte der Aufnahme ist die Kreuzung mit der Theresianumgasse, wo an der rechten Seite heute das Theater Akzent steht. Auf einem Stadtplan von 1887 ist bereits eine durchgehende Straße eingezeichnet.
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Quellen
- Argentinierstraße in Wien wird zur Fahrradstraße, 140 Stellplätze fallen weg (Der Standard, 25.4.2023)
- Die Belvederegasse auf der Wieden wird zur Sackgasse (meinbezirk.at, 31.1.2023)
- Grüne Wien/Stark, Riepl zu Argentinierstraße: Endlich Bekenntnis zur Fahrradstraße (Presseaussendung, 27.1.2023)
- Argentinierstraße in Wien wird nach Abstimmung zur Fahrradstraße (Der Standard, 6.7.2022)
- Argentinierstraße wird zur Fahrradstraße (wien.gv.at, 2022)
- Neuer Anlauf für Argentinierstraße-Umbau (ORF, 22.10.2021)
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