Abriss-Schutz für das Fasanviertel

Seit 2021 gilt im Fasanviertel im 3. Bezirk eine Schutzzone. Damit sind viele alte Häuser zwischen Rennweg und Landstraßer Gürtel besser vor Abrissen und groben Umbauten geschützt. Nur auf die Wohnhäuser aus der Nachkriegszeit wurde dabei vergessen.

Gründerzeithäuser im Fasanviertel, Wien
Fasanviertel: Die Gründerzeithäuser in der Khunngasse sind seit 2021 in einer Schutzzone.

Der Fasan auf der Landstraße

Das Fasanviertel liegt ziemlich gut. Zwischen dem Schloss Belvedere, der S-Bahn-Station Rennweg und dem Stadtentwicklungsgebiet „Eurogate“ bei St. Marx. Auch die Nähe zum Hauptbahnhof und zum Schweizer Garten macht das lange wenig beachtete Grätzl interessant. Nicht nur für Bewohner, sondern auch für Investoren.

Um Investitionen in verträgliche Bahnen zu lenken, ist eine Schutzzone unumgänglich. Sie erschwert Abbrüche von erhaltenswerten Altbauten und schützt die Fassaden vor groben Umbauten. Davon profitieren Mieter, aber auch Eigentümer, denn durch den Erhalt einer hochwertigen Umgebung werden Wohngebiete langfristig noch interessanter. Zudem lassen sich auch innerhalb von Schutzzonen Dächer und hofseitige Gebäude(-teile) ohne weiteres ausbauen und verändern.

Karte, Wien, Fasanviertel
Das Fasanviertel liegt zwischen Gürtel, Botanischem Garten (beim Belvedere) und Rennweg.

Schutzzonen kennt das Wiener Baurecht seit den 1970ern. Warum nicht schon frühzeitig eine umfassende Schutzzone im Fasanviertel eingerichtet wurde, lässt sich vielleicht so erklären: Viele Gründerzeithäuser im Fasanviertel wurden im 2. Weltkrieg zerstört oder nach Schäden nur vereinfacht wiederaufgebaut. Bei anderen wurde in der Nachkriegszeit der Fassadenschmuck abgeschlagen, was meist im Rahmen geförderter Sanierungen geschehen sein dürfte.

Auf den ersten Blick gibt es auch wesentlich besser erhaltene Gegenden in Wien. So ist das Fasanviertel also nie recht in den Fokus des Ensembleschutzes gekommen. Nur wenige Häuser beim Botanischen Garten (Jacquingasse) waren schon vorher in einer Schutzzone.

Schutzzone schon 2017 beantragt

Den ersten Schritt in Richtung Schutzzone setzten die Parteien im 3. Bezirk schon 2017. Anlass waren Abrisspläne für das Gründerzeithaus am Landstraßer Gürtel 17. In einem von Grünen und SPÖ eingebrachten Antrag wurde eine Überprüfung des gesamten Fasanviertels hinsichtlich Schutzzonen gefordert. Auch FPÖ und Wien Anders (heute: Links) stimmten für den Antrag.

Im Gemeinderat wurde der neue Plan samt Schutzzone im März 2021 mit den Stimmen von SPÖ und NEOS angenommen. Dass Grüne, FPÖ und ÖVP dagegen stimmten, hat wohl andere Gründe als die Schutzzone: (1) Alle drei sind Oppositionsparteien und (2) neben der neuen Schutzzone wurde auch eine Parkwidmung zu Bauland geändert, was höchst problematisch ist. Mehr dazu in Kürze.

Mehr Schutz für historische Häuser

Zahlreiche gut erhaltene Häuser im Fasanviertel sind seit 2021 in der Schutzzone. Beispiele:

Im Fasanviertel stehen deutlich weniger gut erhaltene Altbauten als in anderen Teilen des 3. Bezirks. Aber einige Gründerzeithäuser haben sich doch erhalten, die meisten aus der Jahrhundertwende. Sie sind jetzt alle in der Schutzzone. Nur das 1892 erbaute Wohnhaus in der Mohsgasse 31 ist nicht dabei.

Keine Schutzzone für Gebäude aus der 1. und 2. Republik

Während die vor und um 1900 errichteten Häuser in die Schutzzone aufgenommen wurden, ist auf die meisten jüngeren Gebäude vergessen worden. So auch auf folgende Häuser aus den 1930ern bis 1960ern:

Viele kurz nach dem 2. Weltkrieg erbaute Wohnhäuser haben sich gut erhalten, Details wie Nutungen (Rillen), Fensterfaschen (Umrandungen) und Kunst am Bau sind bis heute zu sehen. Als schutzwürdig wurden diese Häuser aber nicht eingestuft.

Die Schutzzone könnte mehr

Die Schutzzone ist gesetzlich folgendermaßen definiert:

In den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen können die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete (Schutzzonen) ausgewiesen werden.

Nichts in diesem Absatz lässt darauf schließen, dass nur Häuser aus bestimmten Bauperioden für die Schutzzone geeignet sind. Trotzdem haben die Magistrate in den vergangenen Jahrzehnten oftmals nur sehr selektiv Häuser in die Schutzzone aufgenommen. Früher wurden vor allem typische Gründerzeithäuser für die Schutzzone oft nicht berücksichtigt. Oder schlicht von Behörden oder Politikern – jede Partei kann Schutzzonen beantragen – vergessen. Unzählige Abrisse waren die Folge, u. a. am Mariahilfer Gürtel, in der Sobieskigasse, Weinzingergasse, Heigerleinstraße und am Wiedner Gürtel. In der Zwischenzeit jedoch ein Umdenken stattgefunden, sodass die Gründerzeit erhöhte Aufmerksamkeit bekommt.

Nachkriegsarchitektur am Abstellgleis?

Noch ist aber eine Epoche merklich unterrepräsentiert: Die Zeit nach 1945. Die Gebäude aus den 1950ern und 1960ern, die indes ebenfalls schon als historisch gewertet werden können, bleiben bei fast allen neuen Schutzzonen außen vor. Dabei sind es besonders die klare sachliche Gestaltung und der oftmals noch im Ansatz verwendete Dekor, der diese Gebäude auszeichnet. Besonders kurz nach 1945 errichtete Wohnhäuser fügen sich oft einigermaßen nahtlos in die ältere Umgebung ein, da viele Architekten der Nachkriegszeit schon in der 1. Republik tätig waren. Natürlich sind aber bei weitem nicht alle Gebäude aus dieser Zeit für das Stadtbild relevant.

Die Nachkriegsarchitektur mag bei vielen nicht allzu beliebt sein, aber: Genau dasselbe galt ehedem auch für die Häuser aus der Gründerzeit. Der üppige Dekor wurde als veraltet empfunden, die Fassaden in der Folge nicht selten zerstört oder die Gebäude überhaupt gleich abgebrochen. Diesen nicht wiedergutzumachenden Fehler sollte jetzt nicht mit den Häusern aus den 1950ern wiederholt werden.

Zwar hat die Stadt Wien eine „Bewertungsmethode für Architektur der Nachkriegszeit“ eingerichtet. Erkennbare Folgen für die Schutzzonenwidmung hatte das aber bisher nicht. Dass Häuser aus der Nachkriegszeit fast nie gezielt in die Schutzzone kommen, wiegt besonders schwer: Seit der Bauordnungsnovelle 2018 gilt nämlich ein besserer Schutz für alle vor 1945 errichteten Häuser. Alle späteren profitieren also von diesem Schutz nicht. Und da auch der Denkmalschutz zu limitiert und personell unterbesetzt ist, bleibt die Schutzzone die einzige Möglichkeit, diese Häuser zu erhalten.

Umbau mit fatalen Folgen

Bei nach 1945 errichteten Gebäuden geht es weniger um den Schutz vor Abbrüchen, sondern vielmehr um Sanierungen und Umbauten. Denn bei Umbauten wird zuweilen nicht gerade schonend vorgegangen. So geschehen etwa im 10. Bezirk, wo bei einer Sanierung ein Kunstwerk aus den 1950ern zerstört wurde.

Weniger auffällig als das obige Beispiel ist die problematische Sanierung in der Marxergasse 18 (3. Bezirk). Die Fensterfaschen (Umrandungen) des 1951 erbauten Wohnhauses wurden nach einer thermischen Sanierung zerstört bzw. nicht wieder angebracht. Es sind gerade diese kleinen Details, die viele um 1950 erbauten Häuser auszeichnet. Eine systematische Zerstörung wäre ein großer Verlust.

Zuweilen trifft es auch deutlich ältere Häuser. In der Favoritenstraße 129 – ebenfalls 10. Bezirk – wurde bei einer Sanierung der Fassadenschmuck aus dem 19. Jahrhundert einfach abgeschlagen. Mit Zustimmung der Behörden. Schutzzone galt nicht.

Bei all diesen Punkten geht es übrigens nicht um die Verhinderung von Sanierungsmaßnahmen, sondern darum, dass die Architektur von erhaltenswerten Bestandsbauten nicht negativ beeinträchtigt werden sollte. Prinzipiell ist natürlich jede Sanierung als positiv zu werten, da Häuser (und damit Ressourcen) und im besten Fall auch Mietverträge erhalten bleiben. Grundsätzliche Fragen zum Thema thermische Sanierung können natürlich auch gestellt werden:

  • Inwiefern ist Wärmedämmung trotz Klimawandel nötig?
  • Ist das Dämmmaterial von heute der „Sondermüll“ von morgen?
  • Ist effektive Kühlung durch Umbauten im öffentlichen Raum (Baumpflanzungen, Entfernung von Asphalt und Parkplätzen) nicht viel drängender?

Wie es besser gehen könnte

Dieses Kapitel hat sich dem Thema Schutzzonen gewidmet. Zwar handelt es sich dabei um ein bewährtes Instrument, doch besteht trotzdem dringender Reformbedarf im Wiener Baurecht. Einige wichtige Punkte:

  • Schutz für alle Bauperioden: Auch für Häuser aus der Zwischen- und Nachkriegszeit sollten Schutzzonen eingerichtet werden.
  • Verträgliche Gestaltung fördern: Bei der äußeren Gestaltung von Neubauten muss keine Rücksicht auf die Umgebung genommen werden (Beispiel: Mariahilfer Gürtel 7), auch nicht in und nahe von Schutzzonen (Beispiel: Hernalser Hauptstraße). Auch einen Gestaltungsbeirat, der jeden Entwurf prüft und Änderungen einfordern kann, gibt es nicht. Beides lässt sich durch eine Reform der Bauordnung ändern.
  • Prüfung vor jedem Abriss: Derzeit braucht es die Zustimmung der Behörden vor dem Abbruch von Häusern, die vor 1945 erbaut wurden. Diese Bestimmung sollte auch auf neuere Häuser ausgedehnt werden (was natürlich nicht heißt, dass jedes Gebäude schützenswert ist).
  • Korrekte Bauklassen: Bei Umwidmungen sollten die Bauklassen (Höhen) den Höhen der Häuser entsprechen, sofern es sich um schützenswerte Gebäude handelt. Zu hohe Bauklassen fördern Abrisse.
  • Geschoßzahl statt Höhe: Die Bebauungspläne legen die maximale Bauhöhe fest, aber nicht die maximale Anzahl an Geschoßen. Das fördert niedrige Raumhöhen, mangelnde Flexibilität im Neubau und Abrisse von Altbauten. Per Bebauungsplan sollte für jedes Grundstück die maximale Anzahl an Geschoßen festgeschrieben werden.
  • Mehr Förderungen für Eigentümer: Der Altstadterhaltungsfonds hat zu geringe Mittel, um Sanierungen umfassend unterstützen zu können. Ein fixer Anteil aus der Ortstaxe (Tourismusabgabe) könnte direkt in den Altstadterhaltungsfonds fließen.
  • Flexibilisierung der Mietzinsbeschränkung bei stark sanierungsbedürftigen Gebäuden: Per „wirtschaftlicher Abbruchreife“ lassen sich Altbauten derzeit relativ einfach abreißen – trotz Schutzzone. Basis für die Berechnung sind die erwarten Mieteinnahmen, die häufig nicht ausreichen, um die Sanierungskosten zu decken. Daher braucht es neben höheren Förderungen auch mehr Flexibilität im Mietrecht, damit solche Abrisse effektiv verhindert werden können. (Von kompletten Abrissen haben auch Mieter freilich nichts.)
  • Keine teuren Garagen: In Neubauten und bei Dachausbauten müssen verpflichtend Garagenplätze gebaut oder Ausgleichszahlungen geleistet werden – unabhängig vom tatsächlichen Bedarf. Die noch aus der Zeit des Nationalsozialismus („Reichsgaragenordnung“) herrührende Regelung verteuert den Wohnbau. Eine Reform des Wiener Garagengesetzes kann Abhilfe schaffen.

Kontakte zu Stadt & Politik

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Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

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Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

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