Kleine Dinge im Stadtraum: Wien und andere Städte

Der öffentliche Raum ist allgegenwärtig. Auf den Straßen, Gassen und Plätzen findet sich eine Fülle an größeren und kleineren Details, darunter Laternen, Bodenbeläge und Poller. Solche Mikroarchitekturen stehen hier im Fokus.

Diese Seite wird von Zeit zu Zeit mit neuen Fotos ergänzt (zuletzt im April 2024).

Augen auf den öffentlichen Raum

Das Design von Straßen, Gassen und Plätzen ist so alltäglich, dass wir es manchmal bewusst kaum wahrnehmen. Die Beleuchtung, die Materialität und Farben der Gehsteige, kleine Dinge wie Poller, Gitter, Stangen, Bänke, Mistkübel und Haltestellen machen den öffentlichen Raum aus. Sie haben nicht nur eine Funktion, sondern auch eine Form. Ihre Gestaltung ist historisch gewachsen und variiert zwischen und innerhalb von Städten. Mancherorts ziehen sich einheitlichere Gestaltungen durch, woanders bietet sich eine Vielfalt bzw. scheinbare Zufälligkeit dar. Die kleinen Details sind oft einem raschen Wandel unterworfen, da sich Notwendigkeiten und Technologien verändern. Der Architekt und Architekturtheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani nennt die Mikroarchitekturen im öffentlichen Raum „bedeutsame Belanglosigkeiten“:

Jedes kleine Objekt des Stadtraums ist ein Ort, wo konkrete Bedürfnisse zu einer materialisierten Form finden. (…) [W]o Leben und Gestaltung zusammenkommen, im Idealfall Leben und Schönheit. Dies ist aber nichts anderes als das, was die Stadt insgesamt ist; und die Bedingungen, die ihre kleinen Objekte formen, formen auch sie. Tatsächlich erzählen die kleinen Objekte des Stadtraums nicht nur die eigene, sondern auch die Geschichte ihrer Stadt. [1]

In diesem Artikel werden Ansichten von Objekten und Straßen einander gegenübergestellt. Die jeweiligen Eigenheiten, aber auch die Gemeinsamkeiten, sollen auf diese Weise klarer sichtbar und aus dem Alltag herausgeholt werden. Ein direkter Vergleich oder eine Verallgemeinerung kann das aber nicht sein, denn jeder Ort ist einzigartig. In jeder Stadt finden sich immer auch andere Gestaltungen. Die Beispiele sind also nie allgemein gültig, sondern fangen bloß zwei spezifische Orte ein. Manchmal wird eine Ansicht für eine weithin sichtbare Tendenz in einer Stadt stehen, manchmal nicht. Dabei wird auch ein kritischer Blick auf Wien gerichtet.

Straßendesign

In diesem ersten Abschnitt ist der ganze öffentliche Raum im Fokus, aber nicht die Architektur der Gebäude. Es handelt sich um durchaus umkämpfte Flächen, die oft durch Automobilität geprägt sind:

Auch nach über 50 Jahren stellt die funktionalistische Ungestalt – vor allem in Form unstädtischer Verkehrsanlagen – noch immer die größte Herausforderung für die Schönheit des öffentlichen Raums mit seinen Details dar. Als nicht minder gefährliche Schwester hat sich ihr ein Zuviel an Design an die Seite gesellt: zu viele Gegenstände, zu viele Formen, zu viele Materialien, zu viele Ambitionen, die alle im Stadtraum nicht zueinanderfinden. [2]

Die Fragen zu den folgenden Beispielen sind: Wie ist das Design von Gehsteigen und Beleuchtungen? Wie sieht es mit Begrünung aus? Welche Farben und Materialien herrschen vor? An welchem Wort fühlt man wohl und wo eher nicht? Wie sind die Flächen aufgeteilt, wer bekommt besonders viel Platz?

Gehsteige & Bodenbeläge

Als ein wichtiges Element der Gestaltung öffentlicher Räume charakterisiert Vittorio Magnago Lampugnani den Bodenbelag. Dass dieser heute oft aus Asphalt besteht, hat seine Gründe:

Die Vorstellung der autogerechten Stadt, die in den zwanziger Jahren aufkam und in den sechziger Urstände feierte, sah glatte, gut befahrbare und unterhaltsarme Straßen vor: Asphaltstraßen eben. Das neue Material eroberte den Stadtboden und machte ihn ebenso gleichförmig wie ausdruckslos. [1]

Lampugnani über Asphaltbeläge auf Gehsteigen:

Gerade die Befreiung von der funktionalen Notwendigkeit, als Zufluchtsort zu dienen, ermöglicht dem zeitgenössischen Bürgersteig die Konzentration auf die Anmutung des Schutzes. Und eröffnet ihm neue und glückliche Möglichkeiten einer anspruchsvollen Gestaltung, die den grauschwarzen Asphalt zugunsten von freundlichen, lebendigen, bereits in sich attraktiven Materialien verdrängt. [1]

Die technischen Anforderungen an die Bodenbeläge sind hoch. Sie müssen lang haltbar sein, hohe Temperaturschwankungen und Belastungen aushalten und barrierefrei sein. In Wien ist Asphalt seit Jahrzehnten gängig, in anderen Städten Stein oder Klinker. Meist finden sich Mischungen unterschiedlicher Beläge in ein und derselben Stadt.

Jede Stadt ist mehr als die Summe ihrer Häuser. Die große andere Hälfte wird vom Raum dazwischen gebildet – und von den Menschen, die ihn bevölkern. Vor den Häusern, wo sich private und öffentliche Sphäre berühren, vollzieht sich auf dem steinernen Parkett der Gehsteige das städtische Leben. [3]

Straßenbeleuchtung

Die Straßenbeleuchtung hat eine ganz offensichtliche Funktion. Sie hat aber auch eine Form: Laternen, in mannigfachen Designs aus unterschiedlichen Jahrzehnten und Architekturströmungen. Vom Jugendstil über rein funktionalistische Modelle bis zu modern reduzierten Ausführungen. Es gibt sie auf Drähten in der Luft hängend, an Häusern befestigt oder als hohe Laternen. Vittorio Magnago Lampugnani über die Straßenbeleuchtung:

[U]nsere Städte brauchen mehr als eine möglichst regelmäßige, blendfreie, moderate Beleuchtung mit angenehm warmem Licht. Sie verlangen nach zusätzlicher Definition ihrer Räume, nach ihrer leichten oder stärkeren Fassung, ihrer Rhythmisierung und Gliederung. Nach ihrer zarten Charakterisierung. Nach Zierde. [1]

Kreuzungen, Poller & co

Poller gab es bereits in Städten der Antike, wo sie wie heute noch als Schutz gegen Fahrzeuge fungierten. In Europa setzten sich erhöhte Gehsteige gegenüber Pollern durch, was den Straßen aber Höhenunterschiede (Gehsteigkante) bescherte, die für Fußgänger und für Rollstühle, Kinderwägen und dergleichen Hinternisse darstellen können. Poller erlauben die Schaffung einer einheitlichen Fläche und können zugleich den Autoverkehr beschränken. Sie dienen auch als Modalfilter, die Radfahrern das Durchfahren erlauben, größeren Fahrzeugen aber nicht. Und sie haben eine eigene Ästhetik. Lampugnani über Poller:

Nur als ubiquitäre, austauschbare Elemente dürfen sie nicht verstanden werden: Sie müssen im Einklang mit dem jeweiligen stadträumlichen und architektonischen Umfeld sorgfältig gestaltet sein, ohne Gestaltung und Sorgfalt zu stark in den Vordergrund zu rücken. [1]

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Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).
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(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen

  • [1] Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Dinge im Stadtraum (Vittorio Magnago Lampugnani, 2019)
  • [2] StadtRaumDetail. Die Ausstattung des öffentlichen Raums vom Bordstein zur Straßenlaterne (Konstanze Sylva Domhardt, Ruth Hanisch, Paul Kahlfeldt, Rainer Schützeichel, Wolfgang Sonne (Hg.), 2020) – Vorwort
  • [3] Pflaster, Platte, Mosaik. Material und Ästhetik des Berliner Gehwegs (Frank Peter Jäger), in: ebd.

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