DC Tower 2: Die hochhaushohe Peinlichkeit von Wien

Die DC Towers an der Donau waren als Ensemble aus zwei komplementären Hochhäusern geplant. Turm 1 wurde 2013 fertiggestellt. Turm 2 fehlt noch. Er wurde in der Zwischenzeit gleich zweimal umgeplant. Von der ursprünglichen Idee ist dabei nichts übriggeblieben. Das geplante Ensemble ist hinfällig – mit Zustimmung des Wiener Fachbeirats für Stadtplanung.

drei Versionen des DC Tower 2
DC Tower 2: doppelt umgeplant (Grafik links: S+B Gruppe; Fotos Mitte/rechts: Plakate, 2023)

DC Towers: Eine Idee schmilzt dahin

Seit den 1990er-Jahren wird an der Donaucity geplant und gebaut. Der Stadtteil im 22. Bezirk ist geprägt durch riesige Gebäude, unattraktive öffentliche Räume und die Nähe zu großen Naherholungsgebieten. Als vertikaler Abschluss wurden unter der Regierung von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) die Pläne für drei Hochhäuser, die DC Towers, vorgestellt. Planer ist der französische Architekt Dominique Perrault. Die Umwidmung der Bauplätze erfolgte 2007 unter einer SPÖ-Alleinregierung. Kritik am gesamten Konzept kam von Stadtplaner Reinhard Seiß, der 2014 im Magazin Bauwelt schrieb:

Mangels eigener Vorstellungen zur Zukunft von Wiens „zweiter City“ erfüllte die Planungspolitik die Wünsche des – mit der Rathaus-SPÖ ebenso gut wie mit Österreichs größter Bank vernetzten – Projektentwicklers und genehmigte die beiden Wolkenkratzer (…) Während es der DC Tower 1 (…) auf stolze 250 Meter bringt, wurde die Realisierung seines kleineren Zwillings mangels Nachfrage auf unbestimmte Zeit verschoben. Und angeblich hat der Projektentwickler auch den größeren Turm nur deshalb gebaut, weil mit der internationalen Hotelkette Meliá vor Jahren schon die fristgerechte Übergabe von 15 der insgesamt 60 Geschosse vertraglich vereinbart worden war (…) Nichts geworden ist auch aus dem versprochenen Einkaufszentrum in der Sockelzone des Turms und damit aus einer besseren Nahversorgung des Hochhausviertels mit seinen 3500 Bewohnern und 5000 Beschäftigten. Stattdessen hat ein Fitnesscenter hier Einzug gehalten.

Zwei der drei Türme sollten mit einer aufeinander bezogenen Architektur errichtet werden – deutbar als Wellen eines Flusses oder als ein in zwei Teile aufgebrochenes Gebäude. Der DC Tower 1 wurde 2013 fertiggestellt. Am Turm 2 wird seit 2022 gebaut, mit 180 Metern wird er etwas kleiner. Hinter den Plänen steht die zur Bank Austria gehörenden Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum (WED).

Aufnahme der Donau City von der Donauinsel aus
Donau City mit DC Tower 1 und Wohnturm Danube Flats (in Bau) (Foto: März 2023)

Schritt 1: DC 2 als Komplementärturm

Die Grafik unten zeigt, wie die DC Towers ursprünglich geplant waren. Der große Turm ist der DC Tower 1, der kleinere Turm im Hintergrund, der DC Tower 3, wurde 2022 fertig. Der weiße Wohnturm rechts (Danube Flats) wird 2024 fertiggestellt. In der Mitte ist der DC Tower 2, der in dieser Form aber nicht gebaut wird.

Rendering von Hochhäusern in der Donau City in Wien, Reichsbrücke, DC Towers, Danube Flats
ursprünglicher Plan der DC Towers (Rendering: S+B Gruppe, www.oln.at)

Architekt Perrault sagte 2014 in einem Interview:

Es geht darum, die Flusslandschaft der Donau in die Stadt einzubinden (…) Die „flüssige“ Fassade mit ihren wellenförmig verlaufenden vertikalen Bändern bezieht sich auch visuell auf die Wasseroberfläche der Donau. Mein Turm ist der erste Schritt einer Transformation des alten Wiens mit seinem historischen Stadtkern zu einer Weltmetropole. Er steht für die Idee der vertikalen Stadt, die hier nun mit der horizontalen Stadt verbunden wird.

Kritisch merkte Reinhard Seiß an:

Während er bei einer Begehung mit Journalisten über einen „gläsernen Monolithen, der wie ein geometrischer Wasserfall neben der Donau steht“ fabulierte und dabei betonte, wie wichtig ihm diese Wassermetapher sei, gab er in einem Fernsehinterview bekannt, dass ihn nicht der Fluss, sondern viel mehr die archaischen Skulpturen auf den Osterinseln inspiriert hätten (…)

[A]uch das Schwadronieren Perraults über den Freiraum und die Urbanität im Umfeld des Projekts erweist sich als substanzlos. Der ursprüngliche Masterplan für die Donau City von 1991 sah für den gesamten Stadtteil einen verkehrsfreien öffentlichen Raum vor (…) Beim DC 1 unterlief der Generalentwickler dieses Konzept nun aber und senkte einen weiten Teil des Vorbereichs – gleich einem Burggraben – um einige Meter ab. Damit ist es auto­mobilen Besuchern möglich, aus dem unterirdischen Straßennetz aufzutauchen und unter freiem Himmel vor Perraults Glasturm vorzufahren, anstatt den Turm – wie in der Donau City üblich – über die Tiefgarage zu betreten. Der Freiraum wurde so einer städtischen Nutzung entzogen und einer anachronistischen Autogerechtigkeit geopfert.

Pressefoto von der Grundsteinlegung für den DC Tower 1 in Wien
Grundsteinlegung für den DC Tower 1 mit Bürgermeister Michael Häupl (2.v.l.) und Architekt Dominique Perrault (2.v.r.) (Foto: 2010, ACTS/RGE Photography, Rainer Gregor Eckharter)

Schritt 2: Wohnturm mit Welle

Der in Wien seit jeher schwache Büromarkt und die konstant hohe Nachfrage nach Wohnungen haben wohl dazu geführt, dass beim DC Tower 2 in Richtung Mischnutzung mit vielen Wohnungen umgeplant wurde. Die wellenförmige „Innenseite“ des Turms sollte zu Terrassen umfunktioniert werden. Die grundlegende Form wäre aber unverändert geblieben.

Plakat von geplanten Gebäuden in der Donau City in Wien
DC Tower 2 nach der ersten Umplanung (Foto: 2023)

Das Grundstück des DC Tower 2 wurde 2016 um einen zweistelligen Millionenbetrag an den deutschen Immobilienfonds Hausinvest des Vermögensverwalters Commerz Real verkauft. Bau, Planung und Vermarktung übernimmt die S+B Gruppe aus Wien.

Rendering von Hochhäusern in der Wiener Donaucity, im Vordergrund Danube Flats, dahinter DC Towers
DC Tower 2 (Mitte) nach der ersten Umplanung (Grafik: Squarebytes, IFA)

Noch im April 2023, als der Entwurf schon längst nicht mehr aktuell war, fand er sich noch auf einem Plakat am Eingang zur Donaucity:

Plakat von geplanten Gebäuden in der Donau City in Wien
Der umgeplante DC Tower 2 (Mitte rechts) auf einem Plakat. (Foto: 2023)

Schritt 3: Idee getilgt

2020 kam die große Änderung: Die Wellenform mit Ergänzung zu Turm 1 wurde komplett gestrichen, die Farbe verändert und ein ausdrucksschwacher Fensterraster als neue Hülle gewählt. Eine auffällig goldschimmernde Farbe fand sich nur in einer kurzen Zwischenstufe der Planung.

Werbeplakate für den DC Tower 2 bei der Baustelle
DC Tower 2 nach der kompletten Umplanung (Foto: 2023)

Architekt Perrault erhält somit den schon 2014 von ihm herbeigesehnten Turm, jedoch nur in einer bis zur Unkenntlichkeit veränderten Form:

Der DC Tower I ist nicht als Solitär geplant, sondern formt mit seiner zweiten Hälfte, dem DC Tower II, ein Tor für die Donaucity. Aus dieser Idee resultiert auch die geknickte Fassade – die gegenüberliegenden Türme formen zusammen das Bild eines auseinandergebrochenen Monoliths. Leider ist nur der erste Teil dieser Entwurfsstrategie bisher verwirklicht, dabei ist mir städtebaulich besonders der Raum wichtig, der zwischen den beiden Hochhäusern entstehen wird. Ich habe noch nie einen einzelnen Turm gebaut: vier für die Nationalbibliothek in Paris, drei für ein Hotel in Mailand und jetzt eben zwei in Wien.

Fachbeirat segnet Änderung ab

Martin Putschögl berichtete anlässlich der Umplanung im Standard:

Auch der Wiener Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung legte kein Veto ein; in einer Sitzung vor einigen Wochen wurde vielmehr beschlossen, dass man vom ursprünglichen Zwillingsturm-Konzept des französischen Stararchitekten abgehen könne bzw. sogar sollte. Denn der „sehr starke“ Entwurf Perraults könne schlicht nicht mehr beibehalten werden, sagt Architektin Elke Delugan-Meissl, Vorsitzende des Fachbeirats, dem STANDARD.

Der doppelt abgeänderte DC Tower 2 ähnelt damit ein wenig der Architektursprache des Büros der oben erwähnten Vorsitzenden des Fachbeirats. Beispielsweise ist das Hotel Bassena in Kagran samt Hochhausumgebung – geplant vom Architekturbüro Delugan-Meissl – ebenfalls in einem minimalistisch-monotonen Stil gehalten.

Hier wie dort wird die eklatante Planungsschwäche der Stadt Wien deutlich, die einmal mehr Investorenwünsche erfüllt, ohne langfristig sicherzustellen, dass ästhetisch ansprechende und für die Umgebung belebende neue Architektur entsteht. Dass im Fachbeirat – übrigens unbezahlt – Akteure sitzen, die in Wien wirtschaftlich tätig sind, ist dabei nur eine Randnotiz.

DC Tower 1: Höchstes Haus bleibt allein

Das Gebäude ist 250 Meter hoch und hat über 72.000 m² Nettonutzfläche. Bauherr war die WED AG (Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum). Mit seiner charakteristischen Architektur wird der Turm alleine bleiben. Die Fassade hat damit ihren Sinn verloren, das Gebäude wird zur isolierten Skulptur.

DC Tower 3: Raspel aus Betonfertigteilen

Der zurückversetzte dritte Turm war schon den ersten Visualisierungen zufolge nicht als Teil des Ensembles gedacht gewesen. Die spektakulär schlechte Lage zwischen der U-Bahn-Trasse und der verkehrsbelasteten Wagramer Straße wurde für ein vom Wiener Büro Dietrich Untertrifaller entworfenes Wohnheim mit 110 Metern Höhe genutzt. An der zur Reichsbrücke gerichteten Seite bietet sich eine fantastische Perspektive auf die Fassade. Die breiten Fronten links und rechts machen den Eindruck einer übergroßen Grobfeile.

DC Tower 2: Baubeginn 2022

Im März 2022 wurde mit dem Bau des DC Tower 2 begonnen. 2025 soll das Gebäude fertig sein.

Glasfassaden: Nachhaltig oder nicht?

Auffällig sind bei den Plänen von Anfang an die durchgehenden Glasfassaden. Wie nachhaltig ist das? Was passiert in einigen Jahrzehnten damit? Wird bei einer künftigen Sanierung dann die gesamte Fassade ausgewechselt? Oder das Gebäude wieder abgerissen? Wo sind die Mauern, die wie bei Altbauten Kühle im Sommer speichern? Hätte die charakteristische Form der DC Towers nicht auch ohne so viel Glas realisiert werden können?

Der Gebäudeenergieexperte Werner Eicke-Henni resümiert nach einer Untersuchung von über zwanzig Glasgebäuden:

Die Glasbauten weisen im Sommer tagsüber häufig Innentemperaturen auf, die über der Außentemperatur liegen. Massivbauten (Altbauten) lagen in diesem Sommer [2003] maximal bei 27-29 °C Innentemperatur, bei Außentemperaturen zwischen 35-37 °C. Letzteres war aber die Innentemperatur in nichtgekühlten Glashäusern (…)

Die Transparenz der Fassaden führt offensichtlich nicht zu Einsparung von Beleuchtungsstrom. Alle Gebäude wurden tagsüber besichtigt und in allen Gebäude war die elektrische Beleuchtung ganz oder in Gebäudeteilen eingeschaltet (…) Die von den Architekten gewollte Transparenz findet in der Realität ihre Grenzen am Sonnenschutz, der die Gebäude wieder nach außen abriegelt und zum Kunstlichteinsatz führt.

Glasfassaden erzeugen viele kleine“ Probleme (…): Vogelschlag an der Fassade, in der sich die umliegende Natur spiegelt (…), Höhenangst von Angestellten (…), Hallprobleme im Innern (…)

Doppelschalige Glasfassaden weisen hohe Investitionskosten auf (…) Die Betriebskosten für Glasdoppelfassaden sind zusätzlich erhöht (…) Glasbauten sind die falsche Antwort, wenn es um energiesparsame Bürogebäude geht. Bürobauten weisen ihren Energieverbrauchsschwerpunkt bei Kühlung und Stromverbrauch auf, wobei die Abwärme des Stromeinsatzes überwiegend wieder weggekühlt werden muss. Sie sind „Sommerproblemgebäude“, wobei hier der Sommer mit der Frühlingszeit beginnt.

Wie wird hoch auch schön?

Das Hochhaus hat in der Bevölkerung keinen guten Stand. Seine Höhe allein wird oft als störend empfunden. Ein anderes Problem: Wien ist eine windige Stadt und besonders um und jenseits der Donau kann es leicht stürmisch werden. Wenn es also in die Höhe geht, muss mit Wind gerechnet werden. Dazu gehören auch Fallwinde in der Umgebung von Hochhäusern.

An sich hat der Bau hoher Gebäude in jedem Fall seine Berechtigung, da sich so auf kleiner Grundfläche viel Platz schaffen lässt. Also weniger Bodenversiegelung. Werden Hochhäuser nahe an öffentlichen Verkehrsmitteln errichtet, hält sich auch die Verkehrsbelastung durch den motorisierten Individualverkehr in Grenzen (etwa im Vergleich zu flächenintensiven Einfamilienhaussiedlungen).

Wird hoch gebaut, werden die Fragen aktuell, wie die Baumasse angeordnet und die Fassade aussehen soll. Durch Abstufungen lassen sich hohe Gebäude leichter ins Stadtbild einfügen (schon beim „Hochhaus“ in der Herrengasse angewandt). Wird bei der Fassade nicht bloß auf Glas gesetzt, sondern auf Detailreichtum und hochwertige Materialien, wird das Ergebnis auch langfristig ansprechender und weniger unterkühlt als bei den immer gleichen Bürotürmen. Die 1930er-Jahre und die auf diese rekurrierende Postmoderne haben viele spannende Häuser hervorgebracht, ebenso die Nachkriegszeit:

Interessant ist die Skyline der niederländischen Stadt Den Haag. Bei den nahe dem Stadtzentrum gebauten Hochhäusern halten sich Variation und Zusammenpassung gerade noch die Waage. Es bietet sich das Bild einer vergnüglichen Lockerheit und durchdachten Planung.

Hochhäuser in Den Haag
Skyline von Den Haag (Foto: 2021, Patrick Rasenberg, CC BY-NC 2.0)

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Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum.

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