Wipplingerstraße 33​: Abriss trotz Ortsbild-Schutzzone

Ein Abriss eines historischen Gebäudes, mitten im 1. Bezirk, trotz Schutzzone, trotz extrem sensibler Lage nahe der Ringstraße und der alten Börse – auch das gibt es in Wien.

Das riesige dreiseitige Jugendstilgebäude in der Wipplingerstraße 33 hätten durch die Schutzzone eigentlich gegen einen Abriss geschützt sein sollen. Trotzdem wurde es 2003 abgebrochen – mit expliziter Zustimmung der Wiener Magistrate. Heute befindet sich hier die Zentrale der OPEC.

Architekt des abgerissenen Gebäudes war Arnold Karplus (1877-1943):

Das um 1906 gegründete Atelier von Arnold Karplus dürfte über eine betuchte Klientel verfügt haben. Einige der gutbürgerlichen Fassaden der bis etwa 1911 konzipierten Wohnhäuser in Wien zeigen sich in ihrer Formensprache durch Elemente der Wiener Werkstätte und im Bereich der Erker und Giebel von der Heimatschutzbewegung beeinflusst.

Karplus entwarf aber auch Wohnhausbauten, deren Fassaden vor allem im Bereich der Erker ausschließlich mit der stark unterschnittenen geometrisierenden Ornamentik im Stile von Josef Hoffmann überzogen wurden. Zusätzlich wurden figürliche Reliefs im Stil der Wiener Werkstätte angebracht.

Der 1917 fertiggestellte Altbau wurde von den Wiener Magistraten zum Abriss freigegeben, wie die Wiener Zeitung berichtete:

[Der Opec] war das ehemalige „Gisela-Verein“-Versicherungshaus angeboten worden – ein Spätwerk des Architekten Wilhelm Jelinek zwischen Historismus und Moderne aus den Jahren 1915/17 (…)

Der alte Wirtschaftspalast sollte renoviert werden – doch dann gab ihn die Stadt Wien (MA 19) blitzschnell zum Abbruch frei – trotz Ensembleschutz und einem Aufschrei der Unesco-Weltkulturerbe-Schützer.

Der Abriss hatte durchaus eher politische Gründe:

Wie nun weitere Recherchen der „Wiener Zeitung“ ergeben, ist die Abbruch-Entscheidung nicht bloß aus rein sachlichen, sondern auch aus politischen Gründen gefallen: Die Opec würde nämlich nur in Wien bleiben, wenn ein Neubau im Herzen Wiens bezogen werden kann. Dies ist insofern brisant, als damit die Unabhängigkeit der Rathaus-Beamten deutlich in Frage gestellt wäre.

Faktum ist, dass nach dem Denkmalschützer Friedmund Hueber nun mit Manfred Wehdorn auch der zweite involvierte Sachgutachter eine Abriss-Empfehlung klar dementiert: „Weder Hueber noch ich haben hier einen Abriss empfohlen – kein Gutachter der Welt würde das tun. Jeder Wiener wäre glücklich, wenn das Haus erhalten bliebe“, sagt Wehdorn.

Der Leiter der Magistratsabteilung für Architektur (MA 19), Franz Kobermaier, sagte zur Wiener Zeitung:

Das Gebäude ist störend, die Fassade weist zu viele Brüche auf. Daher ist ein Neubau die bessere Lösung.

Der Neubau wurde u. a. vom Architekten Dieter Hayde entworfen. Dieser …

… vertritt mit Rüdiger Lainer und Silja Tillner die Architektur im Fachbeirat der Magistratsabteilung 19 – zuständig unter anderem für Abriss- und Neubaubewilligungen in Schutzzonen.

Der Leiter des Planungsausschusses, Karlheinz Hora (SPÖ), sagte 2007:

Das Haus in der Wipplingerstraße 33 ist weder denkmalgeschützt, noch besteht ein öffentliches Interesse an einer Nutzung. Die Entscheidung der Stadt, dem Eigentümer eine Abriss-Erlaubnis zu geben, ist rechtens.

Das heißt demnach: Jener Architekt, der für den Neubau verantwortlich ist, saß auch in einem Gremium, das den Abriss des Altbaus befürwortete. Trotz Schutzzone und extrem sensibler Innenstadtlage. Und der Leiter jener Magistratsabteilung, die sich um die Schutzzonen für historische Gebäude kümmert, wollte explizit den Abriss. Die Stadtregierung war damals eine SPÖ-Alleinregierung unter Bürgermeister Michael Häupl. Planungsstadtrat – und damit Vorgesetzter der Magistratsabteilung für Architektur (MA 19) – war Rudolf Schicker.

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