Franz-Josefs-Kai 47​

Der sogenannte Kai-Palast war das erste in Stahlbeton-Bauweise errichtete Bürogebäude Wiens. Die Pläne stammten vom bekannten Architekten Ignaz Reiser (1863-1940), der zahlreiche Mietshäuser und etliche Synagogen und Gebäude für jüdische Gemeinden entwarf (einige im 2. Weltkrieg zerstört). Das 1911-1912 erbaute Wohn- und Geschäftshaus am Franz-Josefs-Kai 47 stand in einer Schutzzone, wurde aber 2001 aufgrund statischer Mängel trotzdem abgerissen.

Kritiker des Projektes sahen den Abbruch als Gefahr für die Aufnahme des Wiener Stadtzentrums in die UNESCO-Liste des Welterbes. Darunter der Schauspieler Herbert Fux:

Wie glaubwürdig kann noch das Bemühen der Stadt Wien um Anerkennung der Altstadt als Weltkulturerbe sein, wenn so fragwürdig mit so fadenscheinigen Argumenten der Demolierung dieser Altstadt Vorschub geleistet wird?

Der Sprecher der Initiative zum Erhalt des Gebäudes, Markus Landerer (heute Vorstand der Initiative Denkmalschutz), sagte:

Wir werden solange für den Erhalt kämpfen, solange uns nicht diese schweren Bauschäden konkret und nachvollziehbar genannt werden können. 1000 Unterschriften für den Erhalt, Unterstützung von der Österreichischen Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege, DOCOMOMO, und 50 Wissenschafter aus dem In- und Ausland bestärken uns in dieser Forderung, scheinen aber für eine sachliche und transparente Diskussion wenig zu nützen.

Investor und Eigentümer waren und sind Zürich Kosmos Immobilien, die „schweren Herzens um den Abbruch angesucht“ hatten. Ob ein Investor mit entsprechend umfassenden finanziellen Möglichkeiten nicht zumindest die Fassade erhalten hätte können (Entkernung)? Hätte eine Förderung durch die Stadt Wien den Erhalt vielleicht ermöglicht?

Dazu die oben erwähnten Kritiker:

Die Zürich Kosmos Versicherung (…) ist sich der Genehmigung des Abbruchs offenbar (…) sicher, sonst hätte sie nicht vor Erhalt der Abbruchbewilligung einen Architektenwettbewerb gestartet. Auch erklärte sie (…) großzügig: „Wir haben nichts gegen eine Veröffentlichung des Gutachtens“. Ein daraufhin erfolgtes Ersuchen um Ermächtigung zur Einsicht in das Gutachten, die umgehend Klarheit bringen könnte, blieb bisher unbeantwortet.

Anlässlich des Abbruchs berichtete die Tageszeitung Der Standard:

Mit der Ausfertigung eines Abbruchbescheids für den frühen Stahlbetonbau des Architekten Ignaz Nathan Reiser sei „innerhalb der nächsten 14 Tage“ zu rechnen, heißt es im Büro von Wohnbaustadtrat Werner Faymann.

Die Baupolizei sei nach eingehender Prüfung in ihrer abschließenden Stellungnahme zu der Einschätzung gekommen, dass mehr als die Hälfte der raumbildenden Elemente (…) des Kaipalastes durch neue Bauteile ersetzt werden müssten. Diese baulichen Eingriffe würden zu einer derartigen Veränderung führen, dass das Gebäude nach der Instandsetzung technisch ein anderes wäre. Deshalb sei die Abbruchgenehmigung zu erteilen.

Der 2002 fertiggestellte Neubau ist für Wiener Verhältnisse durchaus nicht unattraktiv, erscheint aber im Vergleich zum Vorgängerbau und unter Berücksichtigung der Umgebung (exponierte Lage beim Donaukanal) schwer deplatziert. Ein „modernes Bürogebäude mit Tiefgarage in zentraler Lage mit ausgezeichneter Fernsicht“, wie der Eigentümer schreibt.

Lob kam auch von einem Kommentar im Der Standard:

Bauen im gewachsenen Gefüge ist immer schwierig, besonders prekär ist die Lage in der Schutzzone Innere Stadt, wo die Auflagen strenger und Baulücken rar sind (…) Das Siegerprojekt (…) besticht durch die auf den spezifischen Ort und die Bauaufgabe zugeschnittene Umsetzung einer Grundhaltung (…)

Gute Architektur braucht gute Bauherren, das „k47“ ist ein Glücksfall für die Schutzzone. Es steigert nicht nur das Lebensgefühl derer, die zukünftig hier arbeiten, es putzt auch das Textilviertel auf, ohne die alten Bauten protzig-penetrant an die Wand zu spielen (…)

Außen zeigt sich das Haus fast als monolithischer Block mit einer ausgetüftelten Fassade aus satinierten Mattglaselementen (…) Mit dem „k47“ haben [die Architekten] die gewachsene Schönheit der Altstadt um ein zeitgenössisches Juwel bereichert (…)

Anmerkung: In der Schutzzone ist – entgegen der Aussage des Artikels – alles erlaubt. Rücksicht auf die umgebende historische Bebauung muss seit einer Gesetzesreform in den 1980ern nicht mehr genommen werden.

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