Ein Spaziergang durch die Gumpendorfer Straße

Viele Geschäfte, Lokale und Unternehmen, schöne Häuser, ein bunt gemischtes Publikum – das ist die Gumpendorfer Straße. Doch wie attraktiv ist die Straße wirklich? Wird nämlich der öffentliche Raum betrachtet, sieht das gleich ganz anders aus: viel Autoverkehr, viel Asphalt und das Fehlen von Bäumen prägen die Straße.

fahrende und parkende Autos in der Gumpendorfer Straße, alte Häuser, Fußgänger, Asphalt, Geschäfte
Gumpendorfer Straße: viele Geschäfte, viel Asphalt, viele Autos, fast keine Bäume (Foto: 2021)

Gumpendorfer Straße: trist und belebt?

Die Stärken, die die Gumpendorfer Straße hat, sind eigentlich alle aus der Vergangenheit ererbt: prachtvolle Architektur, viele Geschäftslokale, interessante Perspektiven und an sich sehr schöne Plätze. Die letzten Jahrzehnte haben hingegen nur wenig zur Attraktivität der Straße beigetragen: autogerechte Verkehrsplanung, fehlende Pflanzung von Bäumen, unattraktive neuere Architektur und viel Asphalt. 2023 herrscht eine Gestaltung, wie sie vielleicht noch in die 1960er passte, heute aber nicht mehr zeitgemäß erscheint. Im Vergleich zu anderen Straßen in Wien, etwa der Neubaugasse, oder zur Gestaltung in anderen Städten ist der öffentliche Raum in der Gumpendorfer Straße beinahe heruntergekommen.

Radfahrer fährt entlang der Gumpendorfer Straße, Blick in Richtung Haus des Meeres
Gumpendorfer Straße: Autoverkehr, Asphalt und unsicheres Radfahren zwischen historischer Architektur (Foto: 2021)

Seit vielen Jahren werden Stimmen laut, die eine Umgestaltung fordern. 2022 reagierte die von der SPÖ geführte Bezirksvorstehung. Eine Befragung wurde abgehalten – mit dem Ergebnis, dass Änderungen von der Bevölkerung gewünscht werden. Mehr Begrünung und bessere Bedingungen für das Zufußgehen und das Radfahren stehen ganz oben auf der Liste (siehe dazu auch den Artikel von 2024).

In diesem Artikel wird der Ist-Zustand beleuchtet. Einige Eckpunkte:

  • In der Gumpendorfer Straße gibt es viele Geschäfte, Lokale, Büros und Ateliers. Die Erdgeschoßzonen funktionieren deutlich besser als anderswo, der Leerstand dürfte eher gering sein.
  • Mehr als 60% des öffentlichen Raums wird für fahrende und parkende Fahrzeuge bereitgestellt.
  • In der Straße gibt es 404 Pkw-Stellplätze, 114 Fahrradabstellplätze und 19 Motorradstellplätze.
  • 0,2% der Fläche sind Grünflächen. Auf rund 2,4 Kilometer stehen nur etwa 15 Straßenbäume bzw. größere Sträucher. 
  • Die Gehsteige erfüllen die Mindestbreite von zwei Metern, sind für eine Einkaufsstraße aber schmal.
  • Die Plätze sind vielfach grau und unattraktiv gestaltet. Manche sind als solche gar nicht erkennbar.
  • Radfahren ist nur auf schmalen Streifen zwischen fahrenden und parkenden Autos möglich. Weiter stadtauswärts fällt der Radstreifen ganz weg.
  • Die Gehsteige sind fast ausschließlich asphaltiert. Eine Pflasterung mit Natursteinen und freundlichen Farben gibt es nicht.
  • Bei Auto- und Radabstellplätzen finden sich keine versickerungsfähigen Beläge (Pflasterung, Rasenstein).
  • Als Straßenbeleuchtung fungieren Hängelampen auf Drähten. Straßenlaternen in ansprechenden Designs sind nicht aufgestellt.
  • Vandalismus ist in Form von Graffiti verbreitet (gemeint sind Schriftzüge/“Tags“, keine street art).
  • Viele Altbauten mit reich dekorierten Fassaden haben sich erhalten.
  • Bei etlichen nach 1945 errichteten Gebäuden (bis hinauf zur Gegenwart) wurde wenig Wert auf die äußere Gestaltung gelegt.

Ein Spaziergang durch die Gumpendorfer Straße

Die Fotostrecke startet am Getreidemarkt, an der Grenze zum 1. Bezirk. Die Aufnahmen sind zwischen 2019 und 2023 entstanden. Im Fokus steht der öffentliche Raum.

Getreidemarkt, Rahlgasse

An der Technischen Universität nimmt die Gumpendorfer Straße ihren Anfang. Die vier Fahrspuren breite Fahrbahn lässt an dieser Stelle nicht erahnen, dass die Gumpendorfer Straße nur knapp dahinter eine Fülle an Geschäften und Lokalen bietet und sehr belebt ist.

Johanna-Dohnal-Platz

Der nach der Frauenministerin Johanna Dohnal (1939-2010) benannte Platz liegt an der Kreuzung von Theobaldgasse, Rahlgasse und Gumpendorfer Straße. Der Platz ist eine von zwei Bäumen, Bänken und einem Brunnen gebildete Fläche, umgeben von Fahrbahnen, parkenden Autos und Asphalt.

Vom Johanna-Dohnal-Platz zum Helene-Bauer-Platz

Es geht weiter in Richtung Café Sperl. Auf diesem Abschnitt steht die einzige Baumreihe der gesamten Straße. Der verhältnismäßig großzügige Straßenquerschnitt wird für Schrägparkplätze genutzt. Die Gehsteige sind asphaltiert, als Beleuchtung fungieren Lampen auf Drähten zwischen den Häusern.

Helene-Bauer-Platz

Das Café Sperl ist eine Wiener Institution. So schön das Café und das 1880 errichtete Gebäude, in dem es sich befindet, auch sein mögen – der öffentliche Raum ist auch an dieser Stelle wenig einladend gestaltet.

Helene-Bauer-Platz bis Haus des Meeres

Auf diesem Abschnitt schlägt die typische Straßengestaltung der Wiener Gründerzeitviertel zu: Kfz-Fahrspuren in der Mitte, Parkplätze an den Rändern, ausschließlich Asphaltbeläge, Hängeleuchten auf Drähten. Keine Bäume, keine Sträucher, keine Gehsteige mit Natursteinpflasterung, kein Rasenstein bzw. lockere Pflasterung für Parkplätze, keine angenehmen Sitzmöglichkeiten.

Haus des Meeres bis Hofmühlgasse​

Vor dem Haus des Meeres, dem zum Aquarium umgebauten Flakturm aus dem Zweiten Weltkrieg, befindet sich der kaum als Platz erkennbare Fritz-Grünbaum-Platz. Asphalt und graue Stangen sind die beherrschenden Stilmittel. Immerhin wartet der 2021 erneuerte Esterházypark mit vielen angenehmen Sitzgelegenheiten und einer modernen Gestaltung samt Maßnahmen zur Abkühlung auf.

Auf dem folgenden Abschnitt ist eine eigene Spur für Busse und Taxis eingerichtet. Die Gehsteige sind stellenweise schmal, Fußgänger sind dem Autoverkehr hier stärker ausgesetzt.

Die Gehsteige entlang der Gumpendorfer Straße sind bei den Seitengassen nicht durchgezogen. Wer also die Straße entlanggeht, muss bei Seitengassen vom Gehsteig hinunter auf die Straße und dann wieder hinauf auf den Gehsteig auf der anderen Seite. Ein fast unmerklicher, aber folgenreicher Ausdruck autogerechter Straßenplanung. Die Alternative: Gehsteige werden durchgezogen, also nicht abgesenkt. Das erleichtert das Zufußgehen und zwingt den übrigen Verkehr, langsamer zu fahren, da es eine Schwelle gibt.

Otto-Bauer-Gasse bis Brückengasse

Die Dichte an Lokalen, Geschäften und hochwertiger alter Bausubstanz ist an der Ecke zur Otto-Bauer-Gasse besonders hoch. Beeindruckend sind die drei Gebäude, die an dieser Stelle aufeinandertreffen – alle mit akzentuierten Ecken, Dekor und in den 1900er-Jahren errichtet.

Zwischen den Prachtbauten aus Historismus und Jugendstil hat die hier bis heute nachhallende Nachkriegszeit eine graue Schneise aufbereitet. Eine asphaltlastige Gestaltung, die eher in die Industrieperipherie passen mag. Der öffentliche Raum ist auf das funktionalistische autogerechte Minimum reduziert.

Kurt Pint-Platz

Der Platz mit seinen schönen alten Bäumen und der 1770 geweihten Kirche St. Ägyd öffnet sich zur Gumpendorfer Straße hin.

Kurt Pint-Platz bis Lutherplatz

Während die Gestaltung des öffentlichen Raums annähernd gleich bleibt, ändert sich ab dem Kurt-Pint-Platz ändert allmählich die Bebauung. Häuser aus der Zeit nach 1945 bis hinauf zur Gegenwart lösen die Gründerzeitensembles vermehrt ab. Die Detailarmut der Fassaden ist für die neuere Architektur in Wien charakteristisch. Trotz des teils tristen Straßenbildes halten sich auch auf diesem Abschnitt noch viele Geschäfte. Die Kleinteiligkeit des Gewerbes ist, etwa im Gegensatz zur Mariahilfer Straße, noch gegeben.

Lutherplatz

Hier steht die evangelische Gustav-Adolf-Kirche, ein frühhistoristischer Kirchenbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der öffentliche Raum gegenüber der Kirche wird durch Asphaltflächen und einige wenige Bäume und Sitzgelegenheiten gebildet.

Lutherplatz bis Gürtel

Weiter in Richtung Gürtel nimmt die Qualität der Erdgeschoßnutzungen ab, der öffentliche Raum wird unwirtlicher. Radfahren sollte der eigenen Gesundheit zuliebe spätestens in diesem Abschnitt niemand mehr.

Am Ende der Gumpendorfer Straße stehen zwei kuriose Gebäude im Stil der Postmoderne, wie es sie in Wien sonst nur mit den Bauten von Friedensreich Hundertwasser gibt. Gebäude wie diese werden den meisten Architekten wohl nur ein müdes Lächeln entlocken. Doch es sollte zu denken geben, dass es der „ernsthaften“ Architektur in Wien vielfach nicht gelingen will, Gebäude in freundlichen Formen und Farben zu entwerfen, die sich nicht bloß an einem faden Funktionalismus orientieren. Mit den unbekümmert fröhlichen Gesten der beiden Gemeindebauten kann auch der öffentliche Raum nicht mithalten. Herrscht darüber Einigkeit, dass Wien grau und hart, kalt und abweisend, betonlastig und glatt sein soll – im Neubau wie im öffentlichen Raum?

Beim Gürtel

Der Gürtel war einmal eine Prachtstraße, eine Art zweiter Ringstraße. Seit Jahrzehnten ist er eine laute, ungeliebte und unattraktive Verkehrsader. Das ist am Gumpendorfer Gürtel nicht anders. Wo die Gumpendorfer Straße in den Gürtel mündet und von der Sechshauser Straße im 15. Bezirk fortgesetzt wird, befindet man sich auf sehr schwierigem Pflaster. Die Kfz-Verkehrsbelastung ist hoch, also auch der Lärmpegel. Bedingt durch eine soziale Fürsorgeeinrichtung wird der öffentliche Raum vor der U6-Station stark von suchtkranken Personen frequentiert. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum – etwa an der Haltestelle der Straßenbahn – mag für viele Menschen eher zum notwendigen Übel als zur freien Entscheidung werden, Unsicherheitsgefühle in den Abendstunden inklusive. Eine einfache Lösung für einen solchen Stadtraum wird es nicht geben.

Die alte Gumpendorfer Straße

Die durch den ganzen Bezirk Mariahilf laufende Gumpendorfer Straße erinnert mit ihrem Namen an den einstigen Vorort Gumpendorf, der 1850 eingemeindet wurde. Schon auf frühen Aufnahmen fallen Straßenbahngleise auf; die letzte hier verkehrende Straßenbahnlinie stellte in den 1960ern ihren Dienst ein. Wie in vielen anderen Straßen und Städten wurde die Straßenbahn durch Busse ersetzt. Aufmerksamkeit verdient auch die Nutzung des Straßenraums, der vor dem Aufkommen schnellfahrender Fahrzeuge einst für alle zugänglich war. Die Straßenbeleuchtung bestand aus Straßenlaternen und an den Hausfassaden befestigten Leuchtern.

Kontakte zu Stadt & Politik

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Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Die in der Übersicht oben genannten Zahlen (Anzahl Parkplätze, Flächenverteilung) sind entnommen aus: Potentialanalyse Gumpendorfer Straße (November 2021, komobile GmbH)

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