Die Demolierung von Kagran

Auch Kagran war einmal alt. Zwischen hohen Wohnblöcken und mitunter wenig attraktiven Neubauten sind heute nur mehr kleine Reste der historischen Architektur der einstigen Vorstadtgemeinde erhalten. Bis vor ein paar Jahren war das noch etwas anders.

Die Stadt Wien hat sich über viele Jahre und Jahrzehnte nicht um den Schutz dieser Häuser gekümmert. Durch fehlende Schutzzonen und viel zu hohe Bauklassen haben die Behörden die Abrisse gleichsam herbeigeführt. Zwar gibt es u.a. in der Wagramer Straße seit 2020 eine Schutzzone, aber selbst dabei wurden viele Häuser einfach „vergessen“. Zugleich entstehen in Kagran und generell in Transdanubien reihenweise architektonisch geradezu banale Neubauten.

Sind Altstadterhaltung und die Gestaltung von Neubauten der Politik und den Behörden einfach egal?

Wagramer Straße: nur wenige Gründerzeithäuser erhalten, viele abgerissen und durch unattraktive Neubauten ersetzt (Foto: 2020)

In diesem Artikel geht es um das alte Kagran und vor allem um die Abrisse und Neubauten an der Wagramer Straße. Der Artikel besteht aus vier Teilen:

  1. Über das alte Kagran, noch vorhandene Altbauten und die Abrisse der letzten Jahre (hier)
  2. Wie an der Wagramer Straße im Jahr 2020 eine zu kleine und viel zu spät eingesetzte Schutzzone zum Erhalt alter Häuser eingerichtet wurde (hier).
  3. Beispiele von unattraktiven Neubauten im 21. und 22. Bezirk (hier)
  4. Vorschläge für gesetzliche Reformen (hier)
Der Bezirksteil Kagran ist Teil der Donaustadt, an der Grenze zu Floridsdorf (Kartenbasis ©ViennaGIS)

Das alte Kagran

Kagran, ursprünglich ein Dorf mit außerhalb liegender Kirche, war bis 1904 eine selbständige Gemeinde und ist seither Teil von Wiens 22. Bezirk. Reste der dörflichen bzw. alten Struktur finden sich noch am Kagraner Platz (z.B. Nr. 48) und ganz vereinzelt in/bei der Wagramer Straße (Pfarrkirche Kagran, Meißauergasse 8 u. 10).

Große Bürgerhäuser und prächtige Palais sucht(e) man in Kagran vergeblich, denn als einstige Umlandgemeinde wurde hier vor allem Landwirtschaft betrieben, später kam die Industrie hinzu. Am alten Kagraner Platz, heute nur wenige Schritte von der gleichnamigen U1-Station entfernt, gibt es noch einige wenige Reste aus der Zeit vor und um 1900. Auf den folgenden Aufnahmen aus den 1950ern ist das alte Kagran noch deutlich zu erkennen:

Die Nähe zu Wien, die Gründerzeit im 19. Jahrhundert und die Eingemeindung haben auch an der Wagramer und Donaufelder Straße ihre Spuren hinterlassen. Um die Jahrhundertwende und im frühen 20. Jahrhundert sind zahlreiche schmucke Häuser entstanden, darunter einige mit an den Jugendstil angelehnten Formen. Viele dieser Häuser hatten sich noch bis in die 2000er-Jahre erhalten. Vor einigen Jahren wurden sie demoliert.

Weit besser erhalten sind die überwiegend von der öffentlichen Hand errichteten Bauten der Zwischenkriegszeit. Hier einige Beispiele:

Gemeindebau in der Wagramer Straße 97-103

Die von 1925-1926 nach Plänen von Rudolf Krausz erbauten kommunalen Wohnhäuser mit großem Hof in der Mitte und mehreren (nach außen offenen) Straßenhöfen gehören bestimmt zu den schönsten Bauten der Wagramer Straße.

Auffällig sind die Rundbögen im Erd- und Dachgeschoß und die aufwendig gestalteten Stiegenaufgänge mit dekorativer Rahmung. Architekt Rudolf Krausz plante zahlreiche Miethäuser und Gemeindebauten, letztere angelehnt an den Heimatstil. Seine Gemeindebauten in der Wagramer Straße sind noch heute wunderschön anzusehen (siehe Foto von 2020).

Siedlungen in Kagran

In der Zwischenkriegszeit wurden weitläufige Siedlungen nach dem Konzept der Gartenstadt angelegt. Die Häuser gibt es auch heute noch, auch wenn manche durch spätere Umbauten (unpassende neue Türen und Fenster) etwas gelitten haben.

Schule in der Natorpgasse 1

Interessant ist auch die von 1930-1933 unter Stadtschulrat Otto Glöckel errichtete Schule in der Natorpgasse 1, die damals als eine der modernsten Europas galt. Entworfen wurde das Gebäude vom Wiener Stadtbauamt (den beamteten Architekten der Stadt Wien).

Berufsschule in der Wagramer Straße 65

Auch aus den 1930ern stammt die Berufsschule in der Wagramer Straße 65. Das extrem moderne Gebäude zeigt, dass selbst in der krisenhaften Zeit um 1930 noch beeindruckende Bauten entstanden sind.

Es ist bezeichnend, dass vom ehedem hohen Niveau der Wiener Architektur nur dreißig Jahre später nicht mehr viel übrig war. Wie viele Wohnbauten, die ab den 1950/60ern errichtet wurden, gingen noch als schön durch (z.B. Steigenteschgasse 13, Wagramer Straße 93 und 95)?

Trabrennverein

Der einst und jetzt in der Krieau im 2. Bezirk beheimatete Wiener Trabrennverein betrieb früher im ländlichen Kagran eine Zuchtanstalt (bis zumindest in die 1950er?).

An die Rennbahn und die hübschen Gebäude erinnert heute nur noch die Bezeichnung Rennbahnweg (eine Straße bzw. U-Bahn-Station). An der Stelle der Trabrenngründe befindet sich seit den 1970ern ein nicht immer in makellosem Ruf stehender Gemeindebau.

Kino Kagran

In der Wagramer Straße 108 bot das (privat betriebene) Kino Kagran ab 1936 bis zu 400 Zusehern Platz. Die Zerstörungen des 2. Weltkriegs überstand das Gebäude ohne Schäden, sodass der Kinobetrieb 1945 schon wiederaufgenommen werden konnte. Irgendwann in der Nachkriegszeit wurde des Gebäude aber restlos abgerissen. Heute findet sich an der Adresse das schmucklose Gebäude einer Bankfiliale.

Abgesehen vom Kino und dem Trabrennverein sind alle oben abgebildeten Gebäude noch erhalten – ganz im Gegensatz zu vielen Wohnhäusern, die nach und nach der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind. Im Folgenden einige Beispiele rezenter und schon länger zurückliegender Hausabbrüche.

Die Demolierung von Kagran

Seit 1972 können Schutzzonen zum Erhalt historischer Gebäude in Wien eingerichtet werden. Da die alten Häuser in der Donaustadt die längste Zeit nicht auf diese Weise geschützt waren, wurde über die Jahrzehnte hinweg allmählich ein Gebäude nach dem anderen abgebrochen. Hier einige schon lang zurückliegende Stadtbildverluste:

In der Wagramer Straße ist es seit 1997 zu einigen Abrissen alter Häuser gekommen. Hier ein Vergleich damals und heute:

In der Donaufelder und Wagramer Straße wurden u.a. folgende Häuser seit 1997 abgerissen, darunter auch einige gut erhaltene historische Gebäude (Luftbild unten). Viele davon sind erst 2015 oder später demoliert worden.

Luftaufnahme von Wagramer Straße, Donaufelder Straße und Kagraner Platz, 1997, eingezeichnet sind abgerissene Häuser, Wien
Beispiele von Hausabrissen seit 1997 (Luftbild: WStLA/media wien)

Auch wenn unter den Beispielen auch etliche weniger erhaltenswerte Gebäude sind, zeigt sich doch, wie rasch und massiv die baulichen Veränderungen im Herzen des 22. Bezirks vor sich gegangen sind (und noch immer vor sich gehen).

Abgerissen: Wagramer Straße 115 u. 117

Laut alten und aktuell gültigen Bebauungsplänen darf in der Wagramer Straße deutlich höher gebaut werden, als viele Häuser hoch sind. Genau das wurde etlichen Altbauten zum Verhängnis, als 2015 eine Bausperre eingerichtet wurde. Mit dieser Bausperre sollte Zeit gewonnen werden, bis eine Schutzzone eingerichtet werden würde. Doch wie die Schutzzone kam auch die Bausperre um Jahre zu spät.

Die Altbauten in der Wagramer Straße 115 und 117 wurden noch kurz vor Inkrafttreten der Bausperre demoliert (Fotos oben und unten).

Gründerzeithaus Wagramer Straße 115, Baujahr 1901, Abriss 2017, Wien-Donaustadt
Wagramer Straße 115: Baujahr 1901, Abriss 2017 (Foto: MA 19/Stadt Wien)

Abgerissen: Wagramer Straße 111 und 130

Die Häuser Nr. 111 und 130 mögen auf den ersten Blick wenig spektakulär aussehen, gehörten aber doch integral zum Ensemble Kagrans. Wie würde wohl das Haus in der Wagramer Straße 130 aussehen, wenn der Fassadenschmuck wieder vervollständigt und das Dachgeschoß dezent ausgebaut worden wäre? Im Gegensatz zu Sanierungen werden Rekonstruktionen von Fassaden von der Stadt Wien übrigens nicht gefördert.

2020 wurde der Neubau auf der Wagramer Straße 130 fertiggestellt.

Vom Altbau zum (bestürzenden) Neubau

Dass alte Häuser irgendwann durch neuere ersetzt werden, ist nichts Außergewöhnliches. Auch im späten 19. Jahrhundert wurden in Wien reihenweise kleine Vorstadthäuser geschleift, um Platz für schmuckvolle Zinshäuser zu machen.

Problematisch wird es nur dann, wenn mit dem Neubau keine deutliche ästhetische Verbesserung einhergeht. Entstehen mitten im historischen Umfeld völlig beliebige Gebäude, ohne jedwede Rücksicht auf die Nachbarhäuser und die weitere Umgebung, kann ein Grätzl Schaden nehmen.

Auch in der Wagramer Straße gab es mehrere Abbrüche mit anschließenden Neubauten. Wenngleich einige der folgenden Neubauten durchaus gewisse Qualitäten haben und auf der „grünen Wiese“ und in Neubauarealen kaum auffallen würden, nimmt sich die Architektur der neuen Häuser im Vergleich zu den abgerissenen Altbauten doch mehr als nüchtern aus. Ist Bauträgern und Architekten die äußere Gestaltung ihrer Bauwerke völlig gleichgültig?

Abriss und Neubau: Wagramer Straße 123

Der Bauträger sagt über den Neubau in der Wagramer Straße 123 (Foto unten):

Ein Wohnhaus, das moderner und intelligenter nicht sein kann. (…) [S]ämtliche Wohnhäuser [werden] nach hohem Qualitätsstandard ausgeführt. Ökologische Verantwortung und ökonomische Nachhaltigkeit sind dabei zentrale Faktoren bei Bau unserer Häuser. Das bedeutet: Geborgenheit, Wohlfühlen und das gute Gefühl, mit der Natur gebaut zu haben. Ein erfahrenes Spezialistenteam, bestehend aus Architekten und Ingenieuren plant und baut unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Wünsche. Das Ergebnis: Ein Haus, genau so, wie Sie es sich vorgestellt haben (…)

Abriss und Neubau: Wagramer Straße 114

Abriss und Neubau: Wagramer Straße 116

Abriss und Neubau: Wagramer Straße 110

Bei der U-Bahn-Station Kagraner Platz treffen Wagramer Straßer und Donaufelder Straße aufeinander. Die Donaufelder Straße verläuft durch die ehemaligen Orte Kagran und Donaufeld. Auch hier haben sich lange Zeit Häuser aus der Zeit um 1900 erhalten. Geschützt war/ist keines der alten Häuser, denn der Denkmalschutz ist in Österreich gesetzlich stark limitiert (und personell unterbesetzt) und die Stadt Wien hat keine Schutzzone eingerichtet (was sie rechtlich seit den 1970ern tun hätte können).

Wie bei der Wagramer Straße haben die Behörden auch die alten Häuser in der Donaufelder Straße quasi zum Abbruch freigegeben: Da auf den Grundstücken viel höher gebaut werden darf, als die alten Häuser hoch sind/waren, hat man den wirtschaftlichen Druck geradezu befeuert. Sollten möglichst viele alte Häuser weggerissen werden um Platz für Neubauten zu schaffen? Zumindest dieses Ziel hat die Stadt Wien mit ihren Bebauungsplänen erreicht.

Hier einige Abrisse in der Donaufelder Straße:

Abriss und Neubau: Donaufelder Straße 241

Der Abriss des sogenannten Hopf-Hauses hat 2014 zu Protesten in der Bevölkerung geführt. Möglich wurde der Abriss (wie so oft) durch die fehlende Schutzzone, die bei der Umwidmung 2004/2005 nicht eingerichtet wurde.

Heftige Kritik gab es u. a. von der Initiative Denkmalschutz (Zitat in der Wiener Zeitung):

Dass das einstöckige Hopf-Haus weichen soll, macht Markus Landerer von der privaten Initiative Denkmalschutz geradezu rasend. Besonders die Untätigkeit bei der Umsetzung von Schutzzonen-Erweiterungen ärgert ihn. Erst durch die Flächenwidmung in den Jahren 2004 und 2005 sei der Neubau überhaupt möglich gemacht worden.

Der damalige Donaustädter Bezirksvorsteher, Nobert Scheed, hatte sich laut Wiener Zeitung für den Erhalt des Hauses eingesetzt, leider vergeblich:

„Mit dem Hopf-Haus stirbt ein Stück Donaustädter Kultur“, ist auch Bezirksvorsteher Norbert Scheed überzeugt. Er habe versucht, die Investoren zum Umdenken zu bewegen, wenigstens die schöne Fassade zu erhalten. Diese allerdings würden sich ignorant über den Wunsch der Bevölkerung hinwegsetzen, erzählt er über „eines der unangenehmsten Gespräche in meiner Zeit als Bezirksvorsteher“.

Zum Neubau („exklusives Wohnen in der Donaustadt“) ist auf der Webseite einer Immobilienfirma u.a. Folgendes zu lesen:

Unterschiedliche Appartementgrößen mit hohem Wertsteigerungspotenzial bieten direkten Zugang zu Loggia, Balkon, Terrasse oder Dachterrasse und ermöglichen die freie Entfaltung individueller Wohnbedürfnisse (…)

Optimale Verkehrsanbindung, luftig-helle Fassadengestaltung, private Freibereiche und qualitativ hochwertige Wohnungen (…) Zwei über Stiegen und Foyers verbundene Bauteile bilden das architektonische Herz dieses neuen Projektes im Zentrum von Kagran (…)

Abriss und Neubau: Donaufelderstraße 217-223

In der Donaufelder Straße wurden 2014 gleich mehrere Altbauten auf einmal geschleift. Besonders tragisch ist der Verlust des mit secessionistischen Elementen bestückten Hauses auf Nr. 217.

Über das neue Wohnhaus schreibt der Bauherr:

In der Donaufelderstraße 221 sind 87 Eigentumswohnungen entstanden. (…) Genießen Sie den Mix aus Urlaubsgefühl im Freizeitparadies direkt an der Alten Donau und der Atmosphäre im Herzen einer Weltstadt. Als größter Wiener Gemeindebezirk bietet Donaustadt ein riesiges Potenzial für Anleger (…)

Die Architekten beschreiben ihr Wohnhaus so:

Die einfache Formensprache entspricht der gewöhnlichen Bauaufgabe. Die architektonischen Motive: Betonung der Mitte, Eingang, Weg in das Haus und zentraler Hof mit Baum bilden in zurückhaltender Ausformulierung den Hintergrund für das Leben im Haus. Die Ausbildung der Strassenfassade war uns ein besonderes Anliegen. Ohne die Notwendigkeit grösstmöglicher Flächenausnutzung zu ignorieren, ordnet sich das Haus zurückhaltend in den Strassenraum ein.

Teilabriss: Donaufelder Straße 193

Das 1913 mit Jugendstil-Elementen erbaute Gebäude, das nur wenige Gehminuten vom Kagraner Platz entfernt liegt, wäre 2018 beinahe vollständig abgerissen worden. Erst eine Gesetzesänderung (Wiener Bauordnungsnovelle 2018) stoppte den Abbruch. Wie auch bei den anderen Beispielen hätte eine am Bestand orientierte Widmung (Schutzzone, keine hohe Bauklasse) den Teilabbruch wohl verhindert.

Ob dieses Haus wirklich dauerhaft erhalten bleibt oder nicht, ist unklar, denn auch über zwei Jahre nach dem Abrissstopp ist es nicht zu Sanierungs- bzw. Umbauarbeiten gekommen (Fotos unten). Könnte doch noch ein Abriss drohen wie beim Fall der Biedermeierhäuser in der äußeren Mariahilfer Straße (deren Abbruch 2018 gestoppt, 2020 aber fortgeführt werden durfte)?

Update Juni 2022: Das Haus wurde abgerissen. Details hier.

Warum auch "einfache" Häuser erhaltenswert sein können

Einige der oben abgebildeten Häuser mögen auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen, doch gehör(t)en auch sie integral zum Ensemble Kagrans. Die ehemaligen Vorstädte, die heute den 21. und 22. Bezirk bilden, kamen erst relativ spät zu Wien dazu und waren lange Zeit sehr ländlich geprägt. Unter diesem Gesichtspunkt muss auch das architektonische Erbe dieser Bezirke verstanden werden. Ein Gebäude, das in anderen Bezirken unauffällig wäre, kann hier durchaus erhaltenswert sein. Auch das ist das Konzept des „historischen Ensembles“, das sich aus der Gesamtheit von ähnlichen Häusern herleitet (und die Häuser nicht isoliert betrachtet).

Abrisse hätten verhindert werden können

Die Zerstörung historischer Bauten und die mitunter eklatante Rücksichtslosigkeit von Bauträgern und Architekten bei der Errichtung neuer Häuser ist alles andere als unausweichlich. Die Stadt Wien hat die Abrisse und die z.T. unattraktiven Neubauten nicht nur nicht verhindert, sondern durch unzureichende Gesetze, „spekulationsfördernde“ Bebauungspläne und offensichtliche Inaktivität sogar indirekt vorangetrieben:

  • Fehlende Schutzzonen: Seit einer Studie von 1996 ist bekannt, dass die historischen Ortskerne der Donaustadt potenziell schützenswert sind. Trotzdem wurden z.T. erst über 20 Jahre später Schutzzonen gegen Hausabrisse eingerichtet – als viele Häuser schon abgerissen waren.
  • Viel zu hohe Bauklassen: In der Wagramer Straße und Donaufelder Straße darf im Vergleich hoch gebaut werden – sogar dort, wo schützenswerte Altbauten stehen/standen. Anstatt die maximal erlaubten Bauhöhen an den ortsüblichen Bestand anzupassen, haben die Behörden per Bebauungsplan einfach alle niedrigeren Häuser zum Abbruch freigegeben.
  • Abriss leichtgemacht: Laut Wiener Bauordnung (ein Landesgesetz) durfte bis Mitte Juni 2018 jedes alte Haus ohne vorherige Prüfung abgerissen werden. Nur in den wenigen – und im 22. Bezirk die längste Zeit inexistenten – Schutzzonen galt das nicht.
  • Gestaltung von Neubauten egal: Die Stadt Wien betreibt eine Laissez-faire-Politik in Gestaltungsfragen. Klare Auflagen, Rahmenbedingungen oder auch nur Empfehlungen für die Architektur neuer Gebäude fehlen. Seit Ende der 1980er gilt das sogar für Häuser in Schutzzonen. Durch diese Politik ist rücksichtsloser Investorenarchitektur Tür und Tor geöffnet. Selbst in sensiblen historischen Umgebungen und jahrhundertealten Ensembles dürfen neue Häuser mit völlig beliebigem äußeren Erscheinungsbild gebaut werden. Die Folgen sind mitunter verheerend – wie zahlreiche bestürzende Neubauten zeigen.

Unkenntnis? Fehlender Wille? Alles egal?

Fehlten Behörden und Politikern das Wissen um die Bedeutung der historischen Donaustädter Häuser? Wurde die Einrichtung von Schutzzonen und die an den alten Häusern orientierte Höhenwidmung einfach vergessen? Nein, und zwar aus mehreren Gründen:

  • Für Schutzzonen und Bebauungspläne sind eigene Magistratsabteilungen (MA 19, MA 21) zuständig. Den dortigen Fachleuten muss aufgefallen sein, dass die alten Häuser offensichtlich gefährdet sind, wenn nicht durch Schutzzonen und korrekte Höhenwidmungen entgegengewirkt wird. Magistrate können auch entsprechende Studien und dergleichen bei externen Firmen (z.B. Architekturbüros) beauftragen (daher zieht das Argument möglicher Personalknappheit nicht). Haben die Stadträte den ihnen unterstellten Beamten einfach nicht die nötigen Aufträge gegeben? Wurden die Abteilungen vielleicht gar „zurückgepfiffen“? Wogen wirtschaftliche Interessen stärker? Gab es Verflechtungen zwischen politischen Parteien, Stadtverwaltung und Grundstückseigentümern? War der Erhalt der Häuser einfach allen egal? Oder ist das Thema Altstadterhaltung im Dickicht der vielen Entscheidungen und Entscheidungsträger irgendwie untergegangen?
  • Wenn neue Flächenwidmungspläne aufgelegt werden, sind auch die Bezirkspolitiker beteiligt. Sie wohnen vor Ort und müssten die Gegend und die Häuser eigentlich kennen. Haben sie nicht ausreichend interveniert?
  • Jede Partei in jedem Bezirk kann einen Antrag auf Schutzzonen-Prüfungen stellen. Warum machen die Bezirksräte von dieser wichtigen Möglichkeit nur so selten Gebrauch? Fehlt einfach das Wissen über die Bedeutung des gebauten historischen Wien?
  • Die Initiative Denkmalschutz (eine NGO) gibt bei fast jeder Umwidmung eine öffentliche Stellungnahme ab. Darin sind Empfehlungen, wie sich historische Gebäude durch Schutzzonen und angepasste maximal erlaubte Bauhöhen am besten erhalten lassen. Diese ehrenamtliche Arbeit wird von Behörden und Politikern oft einfach nicht gehört.

Hinweise von NGO werden ignoriert!

In Kagran gibt es ein besonders sprechendes Beispiel dafür, wie die Initiative Denkmalschutz schlicht ignoriert wird – mit fatalen Folgen:

  • 2011 wurde ein Teil der Wagramer Straße umgewidmet.
  • Die Initiative Denkmalschutz wies auf fehlende Schutzzonen und zu hohe Bauklassen hin. Doch der Hinweis blieb ungehört.
  • Einige Jahre später wurden u.a. die Häuser Wagramer Straße 115, 117 und 123 abgerissen. Genau diejenigen Häuser, für welche die Initiative Denkmalschutz eine Schutzzone gegen Abrisse gefordert hatte.

Auch interessant: Die Wagramer Straße liegt im von der Stadt Wien definierten Zielgebiet Zentrum Kagran. Weder im städtebaulichen Leitbild von 2019, noch in den Positionspapieren von 2013 ist etwas vom Erhalt bzw. der (geförderten) Sanierung der historischen Bausubstanz zu lesen. War es mit eingeplant, im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung einfach alles Alte zum Abriss freizugeben? Handelt es sich gar um (vorauseilenden?) Gehorsam gegenüber Teilen der Immo-Wirtschaft?

2020: Schutzzone zu klein und viel zu spät

Seit 1972 gibt es das rechtliche Instrument der Schutzzonen, um historische Gebäude unabhängig vom Denkmalschutz zu erhalten und Abbrüche zu verhindern. Seit 1996 ist bekannt, dass auch die alten Ortskerne der Donaustadt wahrscheinlich schützenswert sind. Doch erst 2020 wurden Schutzzonen u.a. am Kagraner Platz und in der Wagramer Straße eingerichtet.

Selbst diese späte Schutzzone in der Wagramer Straße ist voller Lücken. Obwohl die Initiative Denkmalschutz und der Verfasser von WienSchauen darauf hingewiesen haben, wurden u.a. die folgenden Häuser nicht in die Schutzzone aufgenommen:

Keine Schutzzone: Meißnergasse 4-6

Der 1925 errichtete Gemeindebau mit seiner verzierten Fassade und dem dekorativen Eingang wird von vier Putten (Skulpturen) geschmückt. Auch wenn Gemeindebauten nicht gefährdet sind, abgerissen zu werden, so ist es doch wichtig, dass bei Sanierungsarbeiten höchste Rücksicht auf den Bestand genommen wird. Warum also hier keine Schutzzone festgelegt wurde, bleibt unklar.

Keine Schutzzone: Wagramer Straße 107 und 109

Die dekorierten Fassaden der um/nach 1900 erbauten sind zur Gänze erhalten. Trotzdem sind diese Häuser nicht in die Schutzzone gekommen.

Während das viergeschoßige Haus Nr. 109 einen moderaten Dachausbau erhalten hat und die Fassade schön saniert wurde, ist das Nebenhaus einigermaßen verunstaltet (Foto unten). Das ist kein Zufall, denn durch die viel zu hohe Bauklasse wurde diese unattraktive Aufstockung ermöglicht. Da es kein Gesetz gibt, das vorschreibt, dass neue Stockwerke und Dachausbauten zum Rest des Hauses harmonisch passen müssen, wird oft die kostengünstigste Variante gewählt. Flächenmaximierung um jeden Preis – von Politik und Behörden hingenommen.

Keine Schutzzone, Aufstockung wegen zu hoher Bauklasse: Wagramer Straße 107 (Foto: 2020)

Angesichts der vielen Abrisse in der Donaustadt ist aber selbst ein solcher Dachausbau fast schon ein Gewinn. Vielleicht liegt es aber ohnehin bloß an Bestandsmietern oder parifiziertem Eigentum, dass nicht auch diese Häuser schon längst demoliert worden sind.

Keine Schutzzone: Steigenteschgasse 7A und 11A

Auch das Gründerzeithaus in der Steigenteschgasse 7A (Foto unten) kam nicht in Schutzzone, obwohl der Fassadenschmuck erhalten ist. Das schlichte, aber für seine Zeit (1950er) typische Wohnhaus Nr. 11-11A muss auch ohne Schutzzone bleiben.

Keine Schutzzone: Schrickgasse 22

Das Wohnhaus in der Schrickgasse Ecke Wagramer Straße ist eine Seltenheit. Errichtet wurde es in der Zwischenkriegszeit, wohl um 1930. Während es sich bei den meisten Neubauten der 1. Republik um städtische Wohnhäuser handelt, wurde das Haus in der Schrickgasse 22 offensichtlich rein privat errichtet.

Auch die Gestaltung entspricht dem damaligen Stil: Große Fenster, Gesimsbänder und eine betonte Ecke führen vor Augen, dass auch in einer Zeit politischer und wirtschaftlicher Instabilität hervorragende architektonische Leitungen erbracht werden konnten.

Wohnhaus aus der Zwischenkriegszeit in Kagran, Donaustadt Wien
Keine Schutzzone: Schrickgasse 22 (Foto: 2020)

Gasthaus vor Abriss?

Das kleine alte Haus in der Wagramer Straße 112 ist auch nicht in die Schutzzone gekommen. Während das obere Geschoß bereits verlassen wirkt, hat im Erdgeschoß noch der „Bier- und Weingarten Vogelbauer“ geöffnet (zumindest zum Zeitpunkt der Recherche im August 2020).

Kann ein solch unauffälliges Haus erhaltenswert sein? Als Einzelobjekt eher nicht, aber im Kontext mit anderen Häusern der Umgebung kann auch einem schlichten Altbau eine gewisse Bedeutung zukommen. Zudem hat ein Gasthaus eine soziale Funktion für das Grätzl und oft auch eine interessante Geschichte. Wie das Haus wohl renoviert und maßvoll ausgebaut aussehen würde?

In jedem Fall hat die Stadt Wien für den Abriss schon gesorgt: Ohne Schutzzone und mit hoher Bauklasse ist das Ende des Altbaus quasi schon besiegelt. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit.

Schutzzonen können flexibel eingesetzt werden

Dass einige der oben abgebildeten Gebäude vergleichsweise unscheinbar wirken, hat seinen Grund: Die Donaustadt war lange dörflich geprägt. Prachtbauten à la Ringstraße gibt es hier keine. Doch das ist kein Hindernis für neue Schutzzonen, denn es gilt:

In den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen können die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete (Schutzzonen) ausgewiesen werden.“

Nichts im zitierten Paragraph 7 der Wiener Bauordnung hätte gegen die Aufnahme der oben abgebildeten Gebäude gesprochen, die alle charakteristisch für den älteren Häuserbestand Kagrans sind. Auch in der Vergangenheit sind schon viele Häuser mit eher unscheinbaren Fassaden erfolgreich in die Schutzzone aufgenommen worden, z.B. Moissigasse 8 in Kaisermühlen.

Bezirk will Überarbeitung

Der Bezirk hat bei Umwidmungen ein Wort mitzureden: Die Bezirksvertretung – also das Bezirksparlament – kann den Entwurf auch ablehnen und Änderungen fordern. Und nicht selten hat genau das eine neuerliche Überprüfung samt verbessertem Entwurf nach sich gezogen (z.B. in Kaisermühlen).

Alle Parteien im 22. Bezirk und die Bezirksvorstehung haben vom Verfasser dieses Artikels rechtzeitig umfassende Informationen zu den fehlenden Schutzzonen erhalten. In der Folge hat der Bezirk auch eine Ausweitung der Schutzzone angeregt (erzwingen kann der Bezirk das laut Stadtverfassung aber nicht):

Aus dem Protokoll der Bezirksvertretungssitzung Donaustadt vom 18.3.2020

Gemeinderat gegen größere Schutzzone

Im Juni 2020 ist der Plan im Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossen worden (nur die ÖVP stimmte dagegen). Keines der in diesem Artikel besprochenen Häuser ist in die Schutzzone gekommen. Damit ist der langfristige Erhalt der Häuser bzw. der Schutz der Fassadendetails nicht gesichert.

Wieder und wieder dasselbe Muster

Ein ähnlicher Fall hat sich in Stadlau (auch im 22. Bezirk) zugetragen: Hier hat die Initiative Denkmalschutz mehrere Häuser für die Schutzzone empfohlen und auf zu hohe Bauklassen hingewiesen. Und auch hier fanden diese wertvollen Informationen kein Gehör. Der Plan mit den fehlenden Schutzzonen und zu hohen Bauhöhen wurde im Mai 2020 im Gemeinderat mehrheitlich beschlossen.

Desgleichen wird wohl demnächst in der Kagraner Lorenz-Kellner-Gasse vonstattengehen: Das Gelände einer architektonisch bedeutsamen Schule (Baujahr 1908) wird umgewidmet, eine Schutzzone ist nicht vorgesehen. Die Initiative Denkmalschutz wies auf die fehlende Schutzzone für das Gebäude hin. Demnächst ist die Umwidmung abgeschlossen. Ob eine Schutzzone kommt, ist mehr als fraglich.

Die Reste des alten Kagran

Aus dem einst fast geschlossenen historischen Ensemble sind einzelne, zum Teil verstreute Reste geworden. Immerhin gilt für einige alte Häuser nun eine Schutzzone, z.B. für das 1890 erbaute Gründerzeithaus in der Wagramer Straße 119, das scheinbar durch Zufall bis heute unbeschadet überdauert hat:

Wagramer Straße 119: erbaut 1890, in der Schutzzone (Foto: Frühjahr 2020)

Durch die vielen Abrisse alter Häuser und die Laissez-faire-Gesetzgebung in Sachen Neubau-Architektur sind die verbliebenen Gebäude eingekreist von unattraktiven Neubauten. Wie so oft ist es nicht das Problem, dass neu gebaut wird und dass neuer Wohnraum geschaffen wird. Vielmehr ist das Problem, wie diese neuen Häuser gestaltet sind.

Das mit Jugendstildekor geschmückte Haus in der Wagramer Straße/Meißauergasse (Foto unten) ist zwar jetzt in der Schutzzone, aber die direkte Umgebung ist irreparabel beschädigt. Bei den Neubauten links und rechts haben Bauherren und Architekten keine Rücksicht auf das um 1912 erbaute Bestandsgebäude genommen (was sie baurechtlich auch nicht müssen).

Jugendstilhaus in Kagran, Wagramer Straße, umgeben von Neubauten
Wagramer Straße 125-125A / Meißauergasse 17: umgeben von unattraktiven Neubauten (Foto: 2020)

Hier ist gut zu sehen, dass es gesetzliche Reformen und ein umfassendes und transparentes Genehmigungsprocedere braucht, um zumindest die extremsten Fehlgriffe zu verhindern.

Selbst verhältnismäßig nüchtern gestaltete Häuser aus der Zwischenkriegszeit machen äußerlich heute einen wesentlich freundlicheren Eindruck als die meisten Neubauten. Beispiel Eugen-Bormann-Gasse beim Kagraner Platz, wo sich Wohnhäuser aus der Zeit um ca. 1930 (am Foto unten links) und ein Neubau (Baujahr 2013) gegenüberstehen.

Wohnhäuser aus der 1. Republik (links) und ein Neubau (rechts) in der Eugen-Bormann-Gasse (2020)

Die Wohnhäuser links sind übrigens nicht durch die Gemeinde Wien errichtet worden (soweit recherchierbar). Das heißt: Selbst in der vergleichsweise armen 1. Republik sind vielfach schönere Häuser geplant und gebaut worden als heute.

Transdanubien: Im Epizentrum der Bausünden

Wie neue Gebäude aussehen und ob sie sich in den historischen Bestand (falls vorhanden) einfügen sollen, scheint für die Wiener Politik nicht von Belang zu sein. Wie oben erwähnt gibt es abgesehen von den groben Bestimmungen des Bebauungsplans (Gebäudehöhe etc.) keinerlei Vorschriften zur Gestaltung von Neubauten. Auch fehlt ein politisch und wirtschaftlich unabhängiger Gestaltungsbeirat, dem jedes Bauvorhaben verpflichtet vorgelegt werden muss und der ggf. auch Änderungen erwirken kann.

So ist es jedem Bauträger bzw. Architekturbüro überlassen, ob für verträgliche und schöne Gestaltung gesorgt wird oder nicht. Dass das Pendel oft in Richtung Maximierung von Flächen bei Minimierung von Gestaltung und Aufwand ausschlägt, wird im 21. und 22. Bezirk deutlich. Einige Beispiele von Neubauten in der Wagramer Straße:

Dass jeder Bauträger versucht, möglichst viel Fläche zu bauen und zu verkaufen bzw. zu vermieten, ist wenig überraschend. Erschreckend ist aber, dass auch bei den straßenseitigen Fassaden häufig jeder Gestaltungswille fehlt. Es wäre Aufgabe der Stadt Wien, für verträgliche äußere Gestaltung zu sorgen, denn letztlich konstituiert sich die Stadt maßgeblich durch die Architektur ihrer Gebäude. Und die jetzt errichteten Häuser werden noch für Generationen das Stadtbild prägen.

Beispiele von Neubauten in Transdanubien:

Wie es aussieht, wenn ganze Straßenräume durch unattraktive Neubauten geprägt werden, lässt sich gut bei der U1-Station Kagraner Platz beobachten. Daselbst kommen auch noch extrem breite Fahrbahnen (im Vergleich zu den 1970ern sogar noch breiter) und graue Masten dazu.

Wagramer Straße beim Kagraner Platz: unattraktive Neubauten, breite Straßen, viel Grau (Foto: 2020)

Reformen dringend nötig!

Floridsdorf und Donaustadt sind stark wachsende Bezirke. Wenn die Tendenz zu unattraktiver Architektur anhält, werden die Riesen unter den Wiener Bezirken in Zukunft sicherlich nicht die schönsten sein. Umso wichtiger ist es, endlich Reformen in die Wege zu leiten. Hier einige Vorschläge, wie solche Reformen vielleicht aussehen könnten:

Mehr Schutzzonen

  • Verpflichtende Prüfung und ggf. Widmung von Schutzzonen bei jeder Umwidmung, um langfristig Abrisse zu erschweren
  • Dazu Änderung des Schutzzonenparagraphen: „In den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen können müssen die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete (Schutzzonen) ausgewiesen werden.“

Schutz vor „Spekulationsdruck“

  • Anpassung der maximal erlaubten Bauhöhen auf die tatsächliche Höhe der Häuser (bei erhaltenswerten Gebäuden)
  • Ziel: Wirtschaftlicher Druck (= Abriss statt Sanierung/Umbau) muss von diesen Häusern genommen werden.

Verbesserungen für Eigentümer

  • Entfall der Stellplatzverpflichtung bzw. Ausgleichsabgabe für nachweislich erhaltenswerte Gebäude (um Zu-/Umbauten und Dachausbauten zu fördern und somit die Erhaltung von Altbauten wirtschaftlich attraktiver zu machen)
  • Höherdotierung des Altstadterhaltungsfonds
  • Förderung von Fassadenrekonstruktionen
  • Evtl. erlaubte Überschreitung der maximalen Bauhöhe bei entsprechender Gegenleistung (Rekonstruktion der Fassade, vllt. auch zur Abwendung der Abbruchreife)?

Erhalt und Weiterbau des charakteristischen Stadtbildes

  • Harmonische Einordnung (Anpassung) der Fassadengestaltung von Neubauten an die umgebende – also für das jeweilige Grätzl maßgebliche – Bebauung
  • Bei Neubauten in Schutzzonen bzw. in überwiegend vor 1945 errichteten Umgebungen (Reform von § 85 Wiener Bauordnung)
  • Verpflichtende Variation der Gestaltung der straßenseitigen Fassade alle ca. 19-25 Meter (entspricht einer typischen Gründerzeitparzelle) bei Neubauten in und in der Nähe von mehrheitlich gründerzeitlichen Gebieten? Vielleicht auch generell in Neubau- und Stadtentwicklungsgebieten?

Schönere Außenhaut

  • Beschränkung des Einsatzes von durchgehenden Glasfassaden
  • Weitgehendes Verbot von Sichtbeton bei straßenseitigen Fassaden
  • Evtl. Verbot bestimmter Dämmmaterialien (wenn ökologisch problematisch)?

Aufwertung des Gestaltungsbeirats

  • Verpflichtende Prüfung aller Neubauentwürfe durch einen politisch und wirtschaftlich unabhängigen Gestaltungsbeirat
  • Arbeit im Beirat muss entsprechend vergütet werden, Mehrheit der Mitglieder muss von außerhalb Wiens/Österreichs sein (um wirtschaftliche Abhängigkeit zu vermeiden, inkl. Cooling-off-Phase)
  • Fixierte Quote (z.B. 1/3 der Beiratsmitglieder) für Personen aus den Bereichen Denkmalpflege, Architekturgeschichte, Kunst und Design
  • Beirat muss Entwürfe auch adaptieren und ablehnen können

Transparente Verfahren bei der Baupolizei

  • Abbruchverfahren müssen nachvollziehbar sein
  • Hinzuziehen des Denkmalamts bei (angeblicher) Abbruchreife erhaltenswerter Gebäude (Denkmalamt muss zur Gänze Akteneinsicht bekommen können)
  • Akteneinsicht auch für NGOs (sofern rechtlich möglich)
  • Altstadterhaltungsfonds auch für erhaltenswerte Gebäude außerhalb von Schutzzonen (zum Abwenden der Abbruchreife bei stark sanierungsbedürftigen Häusern)
  • Regelmäßige Kontrolle der Abbruchverfahren durch den Stadtrechnungshof
  • Anfertigen eines eigenen Gutachtens durch die Behörden bei Abbruchansuchen bei erhaltenswerten Gebäuden (anstatt u.U. bloßes Akzeptieren von Privatgutachten, wie derzeit üblich)

Erhaltungspflicht durchsetzen

  • Verstärkte Kontrolle und Durchsetzung der Erhaltungspflicht von Gebäuden durch die Baupolizei
  • Regelmäßige Kontrolle durch den Stadtrechnungshof

Bund und Land müssen Reformen einleiten

Alle oben genannten Anregungen fallen unter die Zuständigkeit des Bundeslandes Wien, lassen sich also mit einfacher Mehrheit im Gemeinderat ändern. (Viele dieser Änderungen würden übrigens auch de facto keine Kosten verursachen.)

Doch auch der Denkmalschutz – eine Bundesangelegenheit – wartet auf Verbesserungen. So gibt es in Österreich keine unbedingte Erhaltungspflicht von geschützten Denkmälern (aktiver Denkmalschutz). Damit ist Verfall(enlassen) Tür und Tor geöffnet. Österreich hat auch die Konvention von Granada zum Schutz architektonischen Erbes aus dem Jahr 1985 immer noch nicht ratifiziert. Zudem fehlen steuerliche Begünstigungen für Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden.

Wie groß der Rückstand in Sachen Denkmalschutz in Österreich ist, beschreibt Christopher Erben in der Tageszeitung Der Standard:

Rund 38.100 unbewegliche Objekte stehen derzeit in Österreich unter Denkmalschutz. 132 wurden 2017 unter Schutz gestellt, 319 im Jahr davor. Für [Markus] Landerer [Vorstand der Initiative Denkmalschutz] sollten über 40.000 dazukommen. Doch für deren Überprüfung würde das Bundesdenkmalamt beim aktuellen Personalstand 150 Jahre brauchen, rechnet er vor. Das Landeskonservatorium Salzburg sei mit fünf Mitarbeitern unterbesetzt, in den anderen Bundesländern sehe es nicht besser aus.

Kontakte zu Stadt & Politik

www.wien.gv.at
post@bv22.wien.gv.at
+43 1 4000 22110

Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen und weitere Infos

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum.

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