Ungargasse 34: Seltenes historisches Gebäude in Gefahr

Im ältesten Teil des 3. Bezirks steht ein historisches Gebäude seit Jahren leer. Lange befand sich ein beliebtes Gasthaus in dem schmucken Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Nun herrscht große Angst um das Haus. Droht ein Abriss?

altes Haus in Wien-Landstraße, Restaurant zum alten Heller, Gastwirtschaft
Was wird aus dem Haus in der Ungargasse 34? (Foto: 2020)

Historisches Gebäude mit altem Gasthaus

Das kleine Haus in der Ungargasse 34 ist etwas Besonders. Es stammt noch aus der Zeit vor dem großen Wachstum Wiens gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Errichtet wurde es wohl in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Damit fiele es in die Regierungszeit von Kaiser Josef II. und in eine Zeit, als es in der Architektur zu einer Abkehr vom Barock hin zu einer nüchterneren Fassadengestaltung kam. In der Datenbank der Stadt Wien findet sich aber noch ein anderes Baujahr (1820). Wie auch immer – erbaut wurde es, als der heutige Bezirk Landstraße noch nicht bei Wien war.

Das Gebäude trägt den Hausnamen „Zur ungarischen Krone“ und sticht bis heute durch den hervorragend erhaltenen Plattendekor hervor. Damit erinnert es an die kleinen Häuser am Spittelberg im 7. Bezirk.

Biedermeierhaus in Wien, Schild "Gastwirtschaft", Lampe, Fenster, Hausnummer, Vorhänge
Ungargasse 34: früher ein Gasthaus (Foto: 2020)

Bis 2016 hatte hier das Traditionsgasthaus „Zum alten Heller“ von Familie Fügert geöffnet. Auf einer Webseite findet sich noch ein alter Eintrag:

Man munkelt, daß das schöne Biedermeierhaus in der Ungargasse 34 das älteste Zinshaus Wiens sei und es beherbergte schon um die Zwischenkriegszeit ein Gasthaus namens „Zur Kaiserkrone“. Seit 1962 ist das Lokal, mittlerweile „Zum alten Heller“ nach dem Vorbesitzer umbenannt, im Besitz der Familie Fügert und wird von Karl und Gertrude Fügert sen. und Karl Fügert jun. auf das Beste geführt. In den Gaststuben herrscht die typisch gepflegte Wienerische Wirtshausatmosphäre und einer der schönsten Sitzgärten Wiens steht im Sommer zum Speisen im Freien zur Verfügung (…)

Das Haus gehört zu einem Ensemble ähnlich alter Häuser, das sich über die Ungargasse und Landstraßer Hauptstraße erstreckt.

Häuser in der Ungargasse in Wien-Landstraße, Vorgründerzeit
Ungargasse 34: erbaut Ende 18. Jahrhundert (Foto: 2020)

Über der Hausnummer findet sich eine alte Plakette, die einen Doppeladler zeigt:

Schild mit Hausnummer am Gebäude Ungargasse 34
Ungargasse 34 (Foto: 2020)

Autohaus als Eigentümer

Das Gebäude hatte vor Jahrzehnten einmal der Stadt Wien gehört. 1909 ist in einer Zeitschrift vermerkt, das Gebäude sei „wegen Straßenregulierungszwecken“ angekauft worden. Was später zum Abverkauf führte, ist nicht bekannt.

Aktuell ist das Gebäude im Eigentum einer Unternehmensgruppe, zu der auch ein Autohaus auf der Simmeringer Hauptstraße gehört.

Verkauf mit Aussicht auf Abriss?

Seit zumindest 2020 wird ein Käufer für das ganze Haus gesucht. In einem Inserat einer Immobilienfirma wird ein Kaufpreis von knapp 4,5 Millionen Euro angegeben. Dabei wird offenbar auch mit einem Abriss des historischen Gebäudes kalkuliert. Eine Bebauungsstudie sieht ein viergeschoßes Gebäude plus zwei Dachgeschoße vor. Das lässt an einen Neubau oder zumindest an eine massive Aufstockung denken.

2021: Offenes Dachfenster

Offene Fenster und Türen sind bei leerstehenden Gebäuden ein Alarmsignal. Eintretendes Wasser schädigt die Bausubstanz, durch offene Türen werden Verwüstungen wahrscheinlich.

Beim Haus in der Ungargasse 34 war 2021 ein Dachfenster offen. Da es sich um ein Schrägfenster handelt, könnte Regenwasser in das Gebäude eingedrungen sein. Details über den Hintergrund, das mögliche Ausmaß von Schäden – falls es zu Schäden gekommen ist – und wie lange das Fenster offen war, sind nicht bekannt.

Gesetzeslücke als Gefahr für Altbauten

In der Ungargasse gilt eine großflächige Ortsbild-Schutzzone. Mit Schutzzonen sollen Abrisse von erhaltenswerten Häusern verhindert werden. Doch in der Praxis sieht es oft anders aus, denn selbst in Schutzzonen kommt es regelmäßig zu Zerstörungen. Das Hauptproblem ist eine Lücke in der Wiener Bauordnung, die sogenannte „wirtschaftliche Abbruchreife“. Ist ein Gebäude angeblich wirtschaftlich nicht mehr sanierbar, darf trotz Schutzzone abgerissen werden. Ermittelt wird das aber auf der Basis privat beauftragter und privat bezahlter Gutachten; zudem sind die an Altbauten angesetzten Baunormen sehr hoch. Außerdem sind die Sanierungsförderungen der Stadt Wien (Altstadterhaltungsfonds) viel zu niedrig bemessen.

Warum Bauträger oft lieber abreißen anstatt zu sanieren, hat meist vor allem einen Grund: Bei Neubauten kann durch niedrige Geschoßhöhen und die maximale Ausnutzung der Grundstücke mehr Fläche errichtet werden. So kommt es laufend zu Abbrüchen. Beispiele: Gentzgasse 4 (18. Bezirk), Krieglergasse 12 (3. Bezirk) und Kaiserstraße 31 (7. Bezirk).

Widerstand gegen befürchteten Abriss

Ein jahrelang leerstehendes Haus in zentraler Lage bleibt nicht unbemerkt. Im Oktober 2022 wurde dieser Zettel an ein Fenster angebracht:

"Ungargasse 34 - Abriss geplant", Foto eines auf einem Haus aufgehängten A4-Zettels
Zettel am Haus Ungargasse 34 - Autor/in unbekannt (Foto: November 2022)

Wer den Text verfasst hat, ist nicht bekannt. Ein Foto des Zettels wurde auch auf der Facebook-Seite des früher im Haus befindlichen Restaurants „Zum alten Heller“ gepostet. In einem Kommentar dazu schrieb der Landstraßer Bezirksvorsteher Erich Hohenberger (SPÖ) im Oktober 2022:

Auch eine alte Aufnahme des einstigen Gasthauses wurde an ein Fenster geklebt:

altes Foto von Personen vor dem Gasthaus im Gebäude Ungargasse 34
alte Ansicht des Gasthauses (Foto: 2022)

Kein Denkmalschutz

Die Sorge um das Haus ist jedenfalls berechtigt, denn das Bundesdenkmalamt hat eine Unterschutzstellung verweigert. Das verweist auf die engen Grenzen des aktuell gültigen Denkmalschutzgesetzes. Es scheint, nur noch die schwache Wiener Schutzzone steht zwischen Sein und Nichtsein des über 200 Jahre alten Gebäudes.

Kontakte zu Stadt & Politik

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+43 1 4000 03110

Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)

Quellen

  • Das Gebäude wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut. Quelle: Renate Wagner-Rieger, Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus (1957), S. 148
  • Zum Ankauf des Gebäudes durch die Stadt Wien: „Baubeschlüsse des Wiener Gemeinde- und Stadtrates. Der Gemeinderat genehmigte (…) den Ankauf des Hauses, 3. Bez., Ungargasse 34 zu Straßenregulierungs­zwecken“, in: Österreichische Monatsschrift für den öffentlichen Baudienst (1909), Ausgabe 30, S. 13

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