Die Bernardgasse im 7. Bezirk wurde umgebaut. Aus einer Gasse voller Parkplätze und Asphalt ist eine Wohnstraße mit Begrünung und attraktiver Steinpflasterung geworden. Fußgänger und Radfahrer haben viel mehr Platz als zuvor, die ganze Gasse wirkt nun deutlich freundlicher.
Vor dem Umbau
Die Bernardgasse, gelegen zwischen Neustiftgasse und Lerchenfelder Straße, besticht durch ihre große Anzahl historischer Bauten aus dem mittleren 19. Jahrhundert. Weniger ansprechend hingegen war der öffentlichen Raums. Wie bei so vielen Straßen in Wien zeichnete sich die Bernardgasse aus durch:
- Fehlende Begrünung
- Schmale Gehsteige
- Viele Parkplätze
- Viel Asphalt
- Wenig Aufenthaltsqualität (fehlende Sitzgelegenheiten usw.)
In einem Bezirk mit dichter Bebauung und wenigen Grünflächen wie dem Siebenten fiel all das noch mehr ins Gewicht. Erfreulicherweise ist Neubau einer jener Bezirke mit einer seit langem progressiven Bezirksvorstehung. Anstatt bloß mit kleinen Änderungen den Mangelzustand notbehelflich zu kompensieren, wurde gleich alles umgebaut. Die komplette Erneuerung der Gasse ergab überdies Sinn, da die Wasserleitungen getauscht werden mussten. Der Wunsch nach einer Umgestaltung kam zuallererst von den Bewohnern der Gasse, die sich mit einer Petition an die Bezirksvorstehung wandten und so die Umgestaltung in Gang setzten.
2021 und 2022 wurden die Wünsche der Anrainer in einem umfassenden Beteiligungsverfahren erhoben.[3]:
Speziell wünschten sich Anwohner*innen Verkehrsberuhigung, mehr Grünflächen und Bepflanzung, aber auch eine ausgeglichenere Aufteilung des Straßenraums für unterschiedliche Mobilitätsarten und Interessen.
Umfangreiche Klimawandelanpassungsmaßnahmen und Begrünungselemente wie Bäume, Stauden und Gräserbeete standen im Mittelpunkt des Beteiligungsprozesses und werden nun künftig die gesamte Bernardgasse durchziehen und für Schatten und ein angenehmes Mikroklima sorgen. [1]
Bei der Umfrage wurde der Aufenthaltsqualität ein schlechtes Zeugnis ausgestellt:
Die geringe Fußgängerfreundlichkeit (schmale Gehsteige usw.) schlug sich in der Umfrage nieder. Ähnliche Werte ergaben die Antworten zur Fahrradfreundlichkeit.
Eine große Mehrheit wünschte sich Begrünung:
Neue Bernardgasse
Die Bauarbeiten erfolgten von 2023 bis 2024, umgesetzt unter Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne) und Stadträtin Ulli Sima (SPÖ).[1] Die Bernardgasse gehört zu den von der Stadtregierung geförderten Projekten im Rahmen der Aktion „Raus aus dem Asphalt“.
Die Bernardgasse wurde auf der gesamten Länge von über 500 Metern umgebaut.[2] Alle Parkplätze wurden entfernt, an einigen Stellen gibt es nun Halteplätze für Kfz. Drei Viertel der Bewohner der Bernardgasse haben laut Erhebung keinen privaten Pkw. Außerdem: „Aus der Mobilitätserhebung lässt sich ableiten, dass die Hälfte der Pkw-Besitzer*innen ihr Auto nicht täglich nutzen. Ein Viertel hat das Auto in der gesamten Erhebungswoche nicht genutzt.“ Allen Anrainern wurde eine individuelle Mobilitätsberatung angeboten, um ggf. Alternativen zu finden (Parken anderswo, Garagen, Carsharing etc.).[5]
36 neue Bäume und zahlreiche Sträucher wurden eingesetzt, 39 Grünflächen angelegt.[1] Einmal mehr hat die Stadt Wien auf Schotterbeete gesetzt, während in anderen Städten offene Grünflächen mit dichten Büschen gängig sind.
Kritik an der Detailgestaltung kommt vom Publizisten Harald Jahn, der 2024 in seiner Facebook-Gruppe „Die Zukunft der Städte“ schrieb:
Die Gestaltung nimmt leider keine Rücksicht auf die historische (Biedermeier-)Bausubstanz und kommt im üblichen Einheitsdesign daher; warum ein normaler Zier- und Trinkbrunnen aus einem tonnenschweren Klotz bestehen muss und warum generell klassische Bänke verpönt sind und stattdessen auch wieder Klötze hingeprackt werden erschließt sich mir nicht, es scheint, die Entwürfe entstehen bei der ASFINAG. [6]
Das Gebäude in der Bernardgasse 1 erhielt eine Fassadenbegrünung:
Dass nicht mehr Bäume gesetzt wurden und keine umfangreichere Begrünung erfolgte, könnte mit dem schmalen Querschnitt der Gasse, den Einbauten (Rohre und Leitungen im Untergrund) und den behördlichen Vorgaben für Gehsteig- und Straßenbreiten zusammenhängen. So müssen etwa Feuerwehrautos durchfahren können.
Anders als etwa in vielen niederländischen Gemeinden wurde auf einen mehr oder minder durchgehenden schmalen Grünstreifen vor den Hausfassaden verzichtet. Geschah dies auf Wunsch der Hauseigentümer? Oder zeigt sich hier vielmehr die mangelnde Flexibilität der Stadt Wien, die umfangreichere Begrünungsmaßnahmen erschwert?
Der Asphalt wurde durch Granitsteine ersetzt.[2]
Vom Gürtel bis zur Wimbergergasse wurde eine kurze Fußgängerzone eingerichtet (Foto unten). Der breitere Querschnitt an dieser Stelle wird für Pflanzenbeete genutzt.
Hund und Haltung
Die Bernardgasse verbindet den inneren 7. Bezirk mit dem Gürtel und einer dortigen Hundezone, sodass in der Gasse auch viele Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern unterwegs sind. In der Erhebung unter Anrainern wurden das Verschmutzungsproblem durch Hundekot und die entsprechende Geruchsbelästigung im Sommer genannt. Hundekot und -urin wurde unter den negativen Punkten für die Aufenthaltsqualität am häufigsten angeführt.[3]
Klar ist, dass bei hoher Bevölkerungs- und Bebauungsdichte der Nutzungsdruck auf den öffentlichen Raum entsprechend groß ist. Unterschiedliche Personengruppen und Verkehrsmittel drängen auf einen begrenzten Raum. Auch Hunde und ihre Bedürfnisse kommen dazu. Trotz aller Tierliebe müssen auch die Fragen gestattet sein: Wie viel Urin und Kot vertragen die Pflanzen bzw. verträgt der öffentliche Raum generell? Inwiefern sind Hauseigentümern die Verunstaltungen durch Hundeurin an Hausmauern zumutbar?
Bernardgasse im Wandel
Die folgende Fotostrecke zeigt, wie sich die Gasse gewandelt hat. Bei den Pflanzen ist zu beachten, dass fast alle neu gesetzt wurden und natürlich Zeit brauchen, um zu wachsen.
Zieglergasse bis Schottenfeldgasse
Schottenfeldgasse bis Kaiserstraße
Kaiserstraße bis Lerchenfelder Gürtel
Kontakte zu Stadt & Politik
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post@bv07.wien.gv.at
+43 1 4000 07114
Die Bezirksvorstehungen sind die politischen Vertretungen der einzelnen Bezirke. Die Partei mit den meisten Stimmen im Bezirk stellt den Bezirksvorsteher, dessen Aufgaben u.a. das Pflichtschulwesen, die Ortsverschönerung und die Straßen umfassen.
- SPÖ: kontakt@spw.at, Tel. +43 1 535 35 35
- ÖVP: info@wien.oevp.at, Tel. +43 1 51543 200
- Die Grünen: landesbuero.wien@gruene.at, Tel. +43 1 52125
- NEOS: wien@neos.eu, Tel. +43 1 522 5000 31
- FPÖ: ombudsstelle@fpoe-wien.at, Tel. +43 1 4000 81797
(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im Jänner 2021.)
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen
- [1] Sima/Reiter: Bernardgasse wird klimafitte Wohlfühlstraße (Presseaussendung, 18.10.2023)
- [2] Bernardgasse wird klimafitte Wohnstraße (Stadt Wien)
- [3] Bernardgasse neu. Red‘ mit! Beteiligungsprozess zur Umgestaltung der Bernardgasse. Bericht zur ersten Beteiligungsphase (14. Oktober – 07. November 2021) (GLARA Forschungskonsortium – tatwort Nachhaltige Projekte GmbH, superwien urbanism ZT GmbH, Fluxguide Ausstellungssysteme GmbH, Green4Cities GmbH; Bezirksvorstehung Wien Neubau)
- [4] Bernardgasse neu. Red‘ mit! Beteiligungsprozess zur Umgestaltung der Bernardgasse. Ergebnisbericht zur zweiten Beteiligungsphase (GLARA Forschungskonsortium – tatwort Nachhaltige Projekte GmbH, superwien urbanism ZT GmbH, Fluxguide Ausstellungssysteme GmbH, Green4Cities GmbH; Bezirksvorstehung Wien Neubau)
- [5] Mobilitätskonzept Bernardgasse. Ergebnisbericht zur Mobilitätserhebung und Empfehlungen zum Mobilitätskonzept (superwien urbanism zt gmbh, 2022)
- [6] Harald Jahn über den Umbau der Bernardgasse (Facebook, 31.5.2024)
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