Krier & Kohl: Postmodernes Wohnquartier in Den Haag

Neue Wohnhäuser – angelehnt an traditionelle Architektur. Das ist `t Haegsch Hof der Architekten Rob Krier und Christoph Kohl im niederländischen Den Haag.

Wohnhäuser im Stil der Postmoderne in Rivierenbuurt in Den Haag
`t Haegsch Hof in Den Haag: erbaut 2006-2008 (Foto: 2023)

Wohnhäuser am Wasser

Die Wohnhausanlage liegt nur wenige Gehminuten von Hauptbahnhof und Stadtzentrum entfernt auf einem Areal, an dem sich zuvor eine Druckerei befunden hatte. Bei einem städtebaulichen Wettbewerb für das 1,8 ha große Gebiet errang der Entwurf von Rob Krier und Christoph Kohl den ersten Platz. Die Gebäude sind um private Innenhöfe angeordnet, das Zentrum bilden Wasserflächen und ein Hochpunkt.

Plan eines Wohnquartiers in Rivierenbuurt
Masterplan (Grafik: Christoph Kohl / KK Architekten)

Rob Krier, Architekt, Stadtplaner und Bildhauer aus Luxemburg, ist wie sein Bruder Léon ein Star der postmodernen und historisierenden Architektur und des traditionellen Städtebaus. Christoph Kohl, geboren 1961 in Bozen (Südtirol/Italien), ist Architekt und Vertreter des New Urbanism. Kohl und Krier sind auch die Planer von Brandevoort – der zum niederländischen Helmond gehörende Stadtteil ist im Sinne traditioneller Stadtplanung und Architektur errichtet. Auch in Den Haag waren beide Planer aktiv. Kohl über das in diesem Artikel besprochene Projekt:

Städtebauliches Ensemble mit rund 250 Wohneinheiten. Herzstück ist ein sich trichterförmig zum Kanal öffnender Platz, der von einem großen Wasserbecken und von einem achteckigen elfgeschossigen Wohnturm effektvoll akzentuiert wird

Alt inspiriert Neu

Anordnung, Höhe und Detailgestaltung der einzelnen Gebäude bzw. Gebäudeteile sind an der alten Architektur der Niederlande orientiert. Um schlichte Kopien handelt es sich aber nicht, dazu ist die Gestaltung zu rational. In der Balance aus Variation und Wiederholung, die viele historische Ensembles kennzeichnet, steht bei diesem Projekt – abgesehen vom Hochhaus – die Wiederholung im Vordergrund. Die Zugehörigkeit der einzelnen Gebäude zum Gesamtprojekt ist immer klar zu erkennen. Die Höhe der Gebäude ist ortsüblich.

Auffällig ist die Kleinteiligkeit, die sich durch das Projekt zieht und im starken Gegensatz zu vielen Großwohnanlagen steht. Variiert werden die Geschoßzahl, die Anordnung und Form der Fenster, die Farbe der Klinkersteine und die dezente Gliederung der Fassaden durch horizontale und vertikale Flächen. Das Gebäude an der Ecke (Foto unten) ist auch noch durch den Staffelgiebel (treppenförmiger Aufbau) und das Hervorspringen aus der Bauflucht hervorgehoben.

Rivierenbuurt, Wohnhäuser
`t Haegsch Hof (Foto: 2023)

Den weithin sichtbaren Mittelpunkt bildet ein elfgeschoßiges Hochhaus, das ebenfalls in traditionelle Formen, Materialien und Farben gekleidet ist. Auf den Seiten sind Loggien angefügt.

In der Mitte des Wohnquartiers wurden kleine Teiche angelegt, die umgebenden Flächen sind zum Teil autofrei.

Die Erdgeschoße sind, wie in den Niederlanden üblich, bewohnt und durch die Besitzer begrünt und gestaltet.

Unterschiedliche Bauhöhen, Fensterformen und Dachgiebel trennen die einzelnen Gebäude voneinander und imitieren dadurch das Bild einer gewachsenen Stadt. Dass es sich um gleichzeitig errichtete Häuser handelt, ist anhand der Geschoßhöhe zu erkennen, die durchgehend gleich ist.

Häuserzeile mit Neubauten in Den Haag
Foto: 2023

Von der Druckerei zum Wohnquartier

Auf dem Bauplatz von `t Haegsch Hof hatte sich zuvor die Staatsdruckerei SDU befunden. Das Gebäude an der Boomsluiterskade – ein Kanal – wurde von 1962-1964 erbaut. Die Druckerei wurde in den 1980ern privatisiert und zog um 2000 aus dem Gebäude aus. Wie vielen Gebäuden seiner Zeit war auch diesem kein langes Dasein bestimmt. Auch wenn Details über die bauliche Qualität und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Umbau und Nachnutzung dem Autor nicht bekannt sind, muss ein solcher Umgang mit verbauten Rohstoffen kritisch gesehen werden.

Um 2004 wurde das Druckereigebäude abgerissen, 2006 begannen die Bauarbeiten für die Neubauten. Rob Krier hat auch Teile der Neubebauung zwischen Hauptbahnhof und Stadtzentrum geplant (Hochbauten auf dem Luftbild unten) geplant, die sich stilistisch ebenfalls frei an historische Formen anlehnen.

Quellen

  • Zitat aus: „Christoph Kohl, 1993–2023. 30 Projekte aus 30 Jahren“ (2023)
  • „Lebensräume. Städtebau, Architektur, Landschaft“ (Christoph Kohl | KK Architekten, 2015)
  • SDU (1577 – heden) (SHIE – Stichting Haags Industrieel Erfgoed) – Infos über die Staatsdruckerei
  • Alle nicht gekennzeichneten Fotos sind (c) Georg Scherer / wienschauen.at

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