Der Wiener Immobilienmarkt brummt. Die Wohnungspreise steigen, Eigentumswohnungen werden im Verhältnis zu Mietwohnungen rasant teurer. Kürzlich warnte die Nationalbank gar vor einer Überhitzung. Der Boom ist allerorts in Form von Baggern, Kränen und Gerüsten präsent. Gebaut wird auf Dächern, auf der grünen Wiese – und mitten im gewachsenen Umfeld. Nicht selten müssen dafür auch Altbauten weichen. Leistbare neue Wohnungen entstehen nach Abrissen freilich kaum.

Der enorme wirtschaftliche Druck ist auch der Wiener Stadtregierung längst bewusst. Kürzlich haben SPÖ und Neos die Bauordnung überarbeitet. Neubauten in Einfamilienhausgegenden müssen künftig kleiner, die Abstände zu Nachbargrundstücken größer werden. Ob damit Abrisse auch nur ansatzweise verringert werden, ist fraglich, denn die bekannten Lücken im Baurecht bleiben bestehen. So lässt sich auch weiterhin praktisch jedes erhaltenswerte historische Gebäude abreißen. Das hat auch unmittelbare Konsequenzen für einige alte Villen.

Hernals: Zwei Villen am Ende

Die beschauliche Braungasse im Bezirksteil Dornbach in der Nähe des Wilhelminenbergs. Hier, im noblen Teil von Hernals, stehen viele interessante Villen und Einfamilienhäuser. Die vornehme Lage zieht auch finanzstarke Interessenten an, was nun zwei Villen aus dem frühen 20. Jahrhundert zum Verhängnis wird. Beide stehen leer, beide sind verkauft, und beide stehen nicht unter Denkmalschutz.

Der Abbruch der Villa in der Braungasse 30 wurde schon beantragt – Ausgang offen.
Foto: Georg Scherer

Auf dem Grundstück darf deutlich mehr Fläche verbaut werden als die alten Häuser einnehmen. Dass es Immo-Firmen genau auf solche Liegenschaften abgesehen haben, verwundert nicht. Ein Investor aus München plant hier eine große Wohnhausanlage. Dem stehen aber noch die alten Häuser im Weg. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2018 sollten sie aber eigentlich gegen Abrisse geschützt sein. Eigentlich.

Wird die alte Villa in der Braungasse 30 bald abgerissen?
Foto: Georg Scherer

Der drohende Abriss hat in der Nachbarschaft für einigen Ärger gesorgt. "Verschandelung und nicht wiedergutzumachende Bodenversiegelung" werden befürchtet. Um die "Zerstörung von Grünfläche und historischer Bausubstanz" (O-Ton) zu verhindern, wandten sich die Anrainer an die Stadtregierung. Die hat es zusammen mit den Magistratsabteilungen in der Hand, die alten Häuser zu retten.

Hietzing: Moderne Villa vor Abriss?

Auch in Hietzing steht ein Gebäude womöglich vor dem Abriss – eine seltene 1930er-Jahre-Villa. Zwar halten die Behörden die architektonisch bedeutende Villa in der Hofwiesengasse 29 für erhaltenswert und haben den Abriss untersagt. Doch geht es nun in Richtung "wirtschaftliche Abbruchreife". Das Verfahren ist bereits weit fortgeschritten. Wird das private Gutachten, mit dem der Eigentümer die Abbruchreife belegen will, von den Behörden akzeptiert, ist das Haus Geschichte. Damit droht dem Haus dasselbe Schicksal wie den Gründerzeithäusern in Favoriten und der Landstraße. Durch Mittel aus dem Altstadterhaltungsfonds könnte die Stadt Wien die Villa aber noch retten – denn der Betrag, der laut Gutachten für die Sanierung fehlen soll, ist verhältnismäßig niedrig.

Werden die Behörden die 1931 erbaute Villa vor dem Abbruch schützen?
Foto: Georg Scherer

Warum ein Abbruch angestrebt wird, ist weniger ein Geheimnis. Wie im Fall der Dornbacher Häuser darf auch das Grundstück in der Hofwiesengasse verhältnismäßig umfangreich bebaut werden. Warum die Stadtregierung 2006 solche Pläne beschlossen und so den Abriss einkalkuliert hat, bleibt unbekannt.

Interessant ist auch Folgendes: Anrainer hätten nämlich beobachtet, wie Fenster des unbewohnten Hauses länger offengestanden seien. Sollte die Bausubstanz vielleicht auf diese Weise geschädigt werden, um das Haus abbruchreif zu bekommen? Anfangs sei aber überhaupt eine Renovierung vom Eigentümer in Aussicht gestellt worden. Bezirksvorsteherin Silke Kobald (ÖVP) spricht sich jedenfalls klar gegen den Abriss aus: "Bei der Villa vom renommierten Architekten Alois Plessinger muss die Baupolizei ganz besonderes Augenmerk auf den Erhalt dieses baulichen Kulturschatzes legen."

Die Fassadengestaltung der Villa verweist auf die Moderne des frühen 20. Jahrhunderts.
Foto: Georg Scherer

Das Problem mit der Abbruchreife hat auch das Bezirksparlament in Hietzing beschäftigt. In einem Resolutionsantrag forderten die Grünen, den problematischen Passus aus dem Baurecht zu streichen und als Ausgleich mehr öffentliche Förderungen für die Altstadterhaltung bereitzustellen. Der Antrag fand über Parteigrenzen hinweg Zustimmung. Doch für eine Gesetzesänderung braucht es die Stadtregierung. Und die hat einen entsprechenden Vorstoß jüngst abgelehnt.

Neubau statt Sanierung

Warum wird mehr auf Abriss und Neubau gesetzt anstatt auf Renovierung mit Dachausbau? Einerseits ist es das Mietrecht, das Mieten in Altbauten stark begrenzt, während für Neubauten überhaupt keine Beschränkungen gelten. Eine Ungleichbehandlung, die vor allem dazu führt, dass immer mehr alte Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.

Doch das Mietrecht ist nur eine Seite, denn hinter vielen Abrissen steckt der schon erwähnte Grund: Im Neubau lässt sich meist viel mehr Fläche schaffen. Mehr Stockwerke, größere Häuser. Zurückzuführen ist das vor allem auf die Bebauungspläne. Diese Pläne legen fest, was wo und wie hoch gebaut werden darf – und bestimmen damit auch den Wert eines Grundstücks. Ausgearbeitet werden die Pläne von den Behörden, beschlossen vom Gemeinderat. Was passiert, wenn in den Bebauungsplänen auf den Schutz von Altbauten vergessen wird, zeigt sich etwa in Döbling, wo 2016 ein prächtiges Jahrhundertwendehaus einem kargen Neubau weichen musste.

Einen großen Anteil an der Ausgestaltung der Bebauungspläne haben jene Stadträte, die in den letzten 25 Jahren das Planungsressort geleitet haben: Bernhard Görg (ÖVP), Rudolf Schicker (SPÖ) und Maria Vassilakou (Grüne). Immerhin ist seit einigen Jahren ein langsamer Trend hin zu weniger abrissfördernden Plänen zu beobachten – besonders seit Birgit Hebein (Grüne) und Ulli Sima (SPÖ). Sima hat ausdrücklich betont, dass ihr der Erhalt des historischen Stadtbilds ein großes Anliegen ist. Doch dem müssen auch Taten folgen: Eine grundlegende Reform der Bauordnung.

Radikalumbau für Manner-Villa

In Richtung Abriss geht es bei der Manner-Villa nicht. Glücklicherweise, denn die von 1910 bis 1914 für die Familie des Wiener Süßwarenherstellers errichtete Villa ist historisch und architektonisch hoch bedeutsam. Deren Architekt, Peter Paul Brang, war ein Schüler des Ringstraßen-Architekten Theophil Hansen. Brang hatte auch das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Dianabad am Donaukanal entworfen. Die Manner-Villa ist sein einziges noch erhaltenes Werk in Wien. Erhalten ist auch das Innere, wie DER STANDARD berichtete.

Die Manner-Villa in Hernals wird renoviert und umgebaut.
Foto: Georg Scherer

Es mag im ersten Moment unglaubwürdig klingen, aber ein Abriss der Villa wäre durchaus nicht im Bereich des Unmöglichen gelegen: Es gilt nämlich kein Denkmalschutz. Eine Prüfung hat ergeben, dass "die Bedeutung der Villa (...) für die Einleitung eines Unterschutzstellungsverfahrens nicht ausreicht", erklärte das Denkmalamt. Ein Hinweis auf eklatante Mängel im Denkmalschutzgesetz.

Bald wird die Villa renoviert und umgebaut. Die künftige Nutzung, etwa für Wohnungen oder eine Botschaft, ist noch offen. Eigentümer Michael Kuenburg ist sich der hohen Bedeutung des Gebäudes bewusst: "Die wirklich erhaltenswerten Elemente im Inneren werden alle restauriert und in den historischen Zustand versetzt. Alle Jugendstil-Verzierungen werden bleiben und renoviert." Nach langem Planen sei es gelungen, eine "optimale Lösung zwischen Alt und Neu zu finden."

Manner-Villa heute und nach dem Umbau.
Foto oben: Georg Scherer; Grafik unten: K & K Immobilien GmbH, Michael Kuenburg

Das Gebäude wird sich äußerlich deutlich verändern. Ein modernes Dach und neue Eckflügel werden angebaut; die Rückseite wird hinter ausladenden Balkonen verschwinden. Der historische Balkon an einer Seite wird in einen neuen, größeren Balkon integriert. Dadurch bekommt das Gebäude deutlich mehr Fläche. Einen Verlust von historischem und architektonischem Wert sieht Kuenburg durch den Umbau aber nicht. Angesprochen auf mögliche Kritik antwortet er: "Man kann es nie allen recht machen."

Manner-Villa heute und nach dem Umbau.
Foto oben: Georg Scherer; Grafik unten: K & K Immobilien GmbH, Michael Kuenburg

Einmal mehr ist es der Bebauungsplan, der erklärt, warum die Umbauten möglich sind. Der Plan war 2005 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossen worden. Das heißt: Jetzt wird bloß innerhalb des von der Politik vorgegebenen Rahmens gebaut. Sehr spannend wird es in einigen Jahren, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind. Dann wird auch klar, ob der Umbau geglückt ist. Oder ob das alte Gebäude dann bloß den Eindruck einer modernen Stilkopie macht.

Jahrhundertwendevilla verfällt

Die Frage des fehlenden Denkmalschutzes stellt sich in der Landstraßer Hauptstraße nicht. Es ist wohl überhaupt nur dem Denkmalschutz zu verdanken, dass die prachtvolle Villa Mautner-Jäger noch erhalten ist. 1902 nach Plänen des renommierten Architekten Franz Neumann erbaut, blickt das Gebäude auf eine spannende Vergangenheit zurück: Erbaut wurde es für Hertha Jäger aus der Unternehmerfamilie Mautner Markhof und ihren Mann Gustav, einen Professor für theoretische Physik. Hertha Jäger, ein führendes Mitglied des 1902 gegründeten Bundes Österreichischer Frauenvereine, dürfte in der Villa auch einen Salon geführt haben.

Die 1902 erbaute Villa in der Landstraßer Hauptstraße 140–142 verfällt trotz Denkmalschutzes.
Foto: Georg Scherer

Seit Jahren steht das Gebäude, das nun einem großen Immobilienentwickler gehört, bereits leer. Der Verfall ist nicht zu übersehen. Die Baupolizei fordert Reparaturen, der Eigentümer beeinsprucht die Bescheide. Die Politik ist sich über alle Parteigrenzen hinweg einig, dass das Gebäude unbedingt saniert werden muss. Die SPÖ-geführte Bezirksvorstehung ist bestrebt, neben der Renovierung auch einen Mehrwert für den Bezirk zu erreichen – denn immerhin befindet sich hinter dem Gebäude ein großer Garten. Bora Akcay, Klubobmann der Grünen im dritten Bezirk, wünscht sich, dass "das Haus erhalten bleibt und wieder bewohnt beziehungsweise benutzt wird. Der großzügige Garten soll ebenso unbebaut bleiben."

Von der Landstraßer FPÖ heißt es: "Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, dass seitens des Eigentümers der Denkmalschutz nicht unterlaufen werden kann", so Klubobmann Werner Grebner, der zudem anmerkt: "Es zeigt sich hier leider, dass der Denkmalschutz durch ein exzessives Ausnutzen der Rechtsmittel unterlaufen werden kann."

Villa Mautner-Jäger in der Landstraßer Hauptstraße 140–142.
Foto: Georg Scherer

Wie die Politik Reformen verschläft

Es ist ein seit Jahrzehnten bestehendes Problem im Denkmalschutz, dass sich Verfall nicht effektiv verhindert lässt. Außerdem fehlen finanzielle Anreize für die Renovierung historischer Bauten – etwa per Steuergesetzgebung. Überdies ist das Denkmalschutzgesetz so formuliert, dass sich die allermeisten historischen Gebäude gar nicht schützen lassen. Trotz wechselnder Koalitionen – zuständig ist die Bundesregierung – hat sich bisher wenig bewegt. Doch mit einer Gesetzesänderung allein wäre es nicht getan: Ohne mehr Personal für das Denkmalamt wird sich die Situation nicht verbessern.

Während Reformen im Bund (Denkmalschutz) und in Wien (Bauordnung) auf sich warten lassen, gehen mit jedem Jahr mehr und mehr historische Gebäude verloren. Würden anstelle attraktiver Altbauten zumindest ebenso attraktive Neubauten mit einigermaßen leistbaren Wohnungen entstehen, wäre das Problem wohl weit weniger gravierend. Aber das ist meist einfach nicht der Fall, wie diese Beispiele zeigen. Die langsame Zerstörung von Altbauten und eine oft erschreckend niedrige Baukultur im Neubau sind ein Drama, das sich still und leise in ganz Wien abspielt. (Georg Scherer, 17.12.2021)