Bei einem Totalumbau in der Favoritenstraße wurde bei einem Gründerzeithaus in einer Ortsbild-Schutzzone ein Teil des Dekors zerstört und durch einen winzigen Balkon ersetzt. Der Balkon ist ausgerechnet an der verkehrsreichen und damit lauten Favoritenstraße angebracht.
Die von den Behörden genehmigte bauliche Änderung erfolgte im Rahmen des Projekts „Quartier Starhemberg“, bei dem hochpreisige Eigentumswohnungen errichtet wurden.
Totalumbau für Altbauten
Der südliche 4. Bezirk ist bei Immo-Entwicklern seit vielen Jahren heiß begehrt. Katastrophale Abrisse wie am Wiedner Gürtel 16 und 22, eine zerstörte historische Kuppel und die Abrisse der alten Bösendorfer-Fabrik und des Sperl-Hauses verweisen auf hohen wirtschaftlichen Druck.
Die Abrissbirne wurde beim „Quartier Starhemberg“, das zwischen Favoritenstraße und Graf-Starhemberggasse liegt, weit weniger geschwungen. Fünf Gebäude umfasst das Immobilienprojekt, rund 70 Eigentumswohnungen werden geschaffen. Die historischen Fassaden und Teile der Gebäude bleiben bestehen, im Inneren des Blocks wird umfassend umgebaut. Auch ein rund 800 m² großer Garten ist Teil des Projekts.
Auf der Projektwebseite ist zu lesen:
Sie sind der Mittelpunkt einer Novelle. Einer Novelle um ein wunderschönes Projekt zwischen Graf-Starhemberg-Gasse und Favoritenstraße, der wir den Namen Quartier Starhemberg gegeben haben. Auf der ehemaligen Adresse Favoritenstraße 58 befand sich Ende des 19. Jahrhunderts das bekannte „Hotel Südbahn“ und im grünen Innenhof des Quartier Starhembergs stand bis vor 10 Jahren noch eine traditionelle Hutfabrik. Die Inspiration dieser geschichtsträchtigen Bauwerke und die Liebe zum Handwerk stellen die Grundlage für die zeitgemäße Umsetzung unseres Wohnprojektes dar. [1]
Zu der „zeitgemäßen Umsetzung“ gehören auch der obligatorische Ausbau des Dachgeschoßes und die Anbringung von Balkonen. Während die neuen Balkone am rechten Gebäude weniger problematisch erscheinen, wurde beim linken Gebäude originaler Historismus-Dekor abgeschlagen, um den schmalen Balkon anzubringen.
Angesichts des Autoverkehrs (siehe unten) und des damit einhergehenden Lärms stellt sich bei den neuen Balkonen durchaus die Sinnfrage. So kommt die Vermutung auf, dass eher aus Vermarktungsgründen Balkone auf der Straßenseite angebracht wurden. Gut nutzbare Balkone sind üblicherweise eher im Inneren von Baublöcken, wo sie vor Straßenlärm geschützt sind.
Die Preise für Eigentumswohnungen im Quartier Starhemberg sind erwartungsgemäß im obersten Bereich angesiedelt. Ungewöhnlich für Wien keineswegs, aber für die allermeisten Leute freilich jenseits jedweder Leistbarkeit. Wer wird hier wohnen?
Mit dem Bau wurde 2022 begonnen, die Fertigstellung erfolgt 2025. Vom Haus Favoritenstraße 58 dürfte nicht viel mehr als die alte Fassade geblieben sein (siehe Fotos unten).
160 Jahre alter Dekor abgeschlagen
Das Abschlagen des Dekors am Haus Favoritenstraße 60 erfolgte mit Zustimmung der Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung), die zu Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) gehört. Die Fassade aus dem Jahr 1864 ist abgesehen vom Erdgeschoß komplett erhalten. Entsprechend schwer nachzuvollziehen sind demnach der Wunsch des Bauherrn als auch auf die Genehmigung durch die Behörde. Höchst problematisch ist, dass diese einschneidende Änderung ausgerechnet in einer von der Stadt Wien eingerichteten Ortsbild-Schutzzone erfolgt ist. Die Schutzmaßnahmen der Stadt erweisen sich damit einmal mehr als äußerst biegsam.
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Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im Jahr 2025.
Verfall und Abrisse verhindern: Gemeinsam gegen die Zerstörung! (Anleitung mit Infos und Kontaktdaten)
Quellen
- [1] Quartier Starhemberg (Projektwebseite)
- Quartier Starhemberg wird 75 neue Wohnungen bringen (meinbezirk.at, 23.5.2023)
- Alle Fotos in diesem Artikel sind © Georg Scherer / wienschauen.at (und keine creative commons o.ä.)
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