Lücke auf Zeit

Wien Neubau. Eine rund 200 Jahre alte Häuserzeile. Hier gelten Denkmalschutz und Schutzzone – und damit der bestmögliche Schutz gegen Hausabrisse. Ende August 2019 fahren plötzlich Baumaschinen auf und reißen eine riesige Lücke in ein über 200 Jahre altes Biedermeierhaus.

Erst rund eine Woche später wird klar: Die Abbrucharbeiten sollen mit den Behörden abgestimmt sein. Nach Ende der Bauarbeiten – ein Schulzubau im Hof ist in Bau – werde die Fassade wiederhergestellt (aktualisiert am 6.9.2019).

Achtung: Dieser Artikel ist nicht mehr auf dem neuesten Stand. 2021 wurde ein Totalabbruch des Hauses genehmigt. Siehe hier (aktualisiert am 29.6.2022).

Abriss in der Kaiserstraße, Wien-Neubau
Kaiserstraße 31: Eine riesige Lücke klafft in der Fassade (Foto: 2019)

Historisches Klostergebäude

Das teilweise abgerissene Haus in der Kaiserstraße 31 ist Teil des Klosters der Töchter vom Göttlichen Heiland, das sich über mehrere historische Gebäude erstreckt. Es wurde um 1803 nach Plänen des Wiener Architekten Gottlieb Nigelli erbaut und gehört damit zu den ältesten Gebäuden im 7. Bezirk. Das Haus soll sich noch im Eigentum des Klosters befinden.

Plötzlich Abriss

Bei einem Lokalaugenschein Ende August zeigt sich das Ausmaß der Abbrucharbeiten: Das ganze Haus ist auf einer Breite von drei Fensterachsen förmlich durchlöchert worden. Im Hof stehen Baumaschinen. Eine neue Wand wurde wohl erst vor kurzem eingezogen, Öffnungen des Nachbarhauses sind zugemauert. Doch kein Hinweis darauf, was genau gebaut werden soll. Auch ein Genehmigungsnachweis (weißer Zettel), wie er sonst bei Baustellen hängt, ist nicht zu finden. Ein Anrainer erklärt, es habe keine Informationen über die Bauarbeiten gegeben.

Abriss in der Kaiserstraße, Wien-Neubau
Kaiserstraße 25-31 liegen in einer Schutzzone - trotzdem wurde abgerissen (Foto: 2019)

Schutzzone

Das ganze historische Ensemble des Klosters befindet sich in einer Schutzzone. Solche Schutzzonen werden von der Stadt Wien festgesetzt, um erhaltenswerte Gebäude vor dem Abriss zu bewahren und alte Grätzl zu erhalten. Abbrüche in Schutzzonen sind nur mit Zustimmung der Magistrate erlaubt. Ob eine solche Zustimmung vorlegen hat oder nicht, war bei Erscheinen dieses Artikels noch nicht klar. Da eine Antwort seitens der Baupolizei ausblieb, musste mit allem gerechnet werden.

Karte mit Schutzzonen und Infos zu einem Teilabriss in der Kaiserstraße, Wien-Neubau
Kaiserstraße 25-31 liegen in einer Schutzzone - trotzdem wurde abgerissen

Denkmalschutz

Mehr noch als die Schutzzone schützt der Denkmalschutz alte Häuser vor dem Abbruch. Die Reliefs der Fassade des jetzt teilweise demolierten Biedermeierhauses und die Nachbarhäuser stehen alle unter Denkmalschutz. Auch in der aktuellen Denkmalliste von 2019 sind die Häuser angeführt (siehe unten). Erst Tage nach dem Teilabriss und dem Erscheinen dieses Artikels zeigte sich, dass alle Bauarbeiten mit dem Bundesdenkmalamt abgestimmt sind.

Auszug aus einer Tabelle mit denkmalgeschützten Gebäuden
Kaiserstraße 25-31 stehen unter Denkmalschutz

Fassade wird rekonstruiert

Der Abbruch hatte für Aufsehen gesorgt. Bürger wandten sich besorgt an die Bezirksvorstehung Neubau. Ein Gespräch zwischen dem Architekturbüro, das das Bauprojekt in der Kaiserstraße plant, und dem Verfasser dieses Artikels hat ergeben: Die nahe Schule in der Kenyongasse wird vergrößert. Für die Baustelle wird eine Zufahrt benötigt, die sich nur durch einen Teilabbruch realisieren ließ. Alle Arbeiten geschahen mit Zustimmung des Denkmalamts. Auch die Wiener Magistrate haben inzwischen geantwortet und bestätigt, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen ist.

Nach dem Ende der Bauarbeiten wird die Fassade detailgetreu rekonstruiert. Dabei sollen auch die (Plastik-)Fenster gegen historisch korrekte Kastenfenster getauscht werden, was eine deutliche Verbesserung zum aktuellen Zustand bedeutet. Das Gebäude wird außerdem saniert und soll für Schulzwecke genutzt werden. So kehrt wieder neues Leben in die 216 Jahre alten Gemäuer ein.

Mehr Transparenz nötig

Dass der Abriss für Wirbel gesorgt hat, ist vor dem Hintergrund der letzten Jahre verständlich. Immer noch ist der illegale Abriss des „Sperl“-Hauses, wie Kurier und Wienschauen.at berichteten, gut in Erinnerung. So wird am Beispiel Kaiserstraße auch deutlich, dass die Informationspolitik der Stadt Wien noch ausbaufähig ist. Solange die Bürger nicht wissen, was gerade in ihrer Stadt vorgeht, werden immer wieder die Alarmglocken schrillen. Umfassende Transparenz käme letztlich auch der Stadt selbst zugute, da damit das Vertrauen der Bürger in ihre politischen Vertreter und die Behörden gestärkt würde.

Hinweis: Beim Erscheinen dieses Artikels unter dem Titel „Denkmalschutz abgetragen“ (30.8.2019) war nicht klar, ob der Abriss genehmigt gewesen war oder nicht. Entsprechende Infos sind erst eine Woche später eingetroffen. (aktualisiert am 6.9.2019)