Argentinierstraße: Wiens erste echte Fahrradstraße

Die Argentinierstraße wurde 2024 zur Fahrradstraße umgebaut. Damit hat Wien endlich eine Fahrradstraße bekommen, die diesen Namen auch verdient. Zahlreiche Bäume und Sträucher wurden gepflanzt, viele Sitzgelegenheiten aufgestellt und stellenweise ein attraktiver heller Pflasterbelag verlegt.

Etwas lieblos, wie in Wien gewohnt, sind die neuen Straßenlaternen und die vielen neuen Asphaltflächen geworden. Auch die zahlreichen Parkplätze wirken etwas störend.

Straße vor und nach dem Umbau zur Fahrradstraße
Argentinierstraße vor und nach der Umgestaltung (Fotos: 2023 u. 2025)

Vor dem Umbau

In der Argentinierstraße, die Karlsplatz und Gürtel verbindet, gibt es bereits seit den 1980ern??? einen Radweg. Mit der steigenden Beliebtheit des Radfahrens und dem generellen Ausbau des Wiener Radnetzes erwies sich der schmale alte Radweg immer mehr als Problem, zudem es immer wieder zu gefährliche Situationen zwischen bergab rasenden Radfahrern und Fußgängern kam. Details über die Argentinierstraße vor dem Umbau sind in diesem Artikel zu finden.

Argentinierstraße beim Karlsplatz, Wien-Wieden
Blick vom Karlsplatz in die Argentinierstraße (Foto: 2023)

Pro Jahr wurden 2022 über eine Million Radfahrende gezählt.[1] Die stetig steigenden Zahlen trafen auf eine bauliche Engstelle, die sich über die ganze Länge der Argentinierstraße zog.

Unabhängig von der Frage des Radwegs war auch die Gestaltung der Straße schon lange nicht mehr zeitgemäß. Viel Asphalt, fehlende Bäume und wenige Sitzbänke mögen für die 1980er und 1990er gereicht haben, erfüllen aber die heutigen Anforderungen an eine moderne Straße nicht mehr: eine Straße, die nicht nur den fahrenden und parkenden Pkws dient, sondern auf eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse, Personengruppen und Nutzungen ausgerichtet ist. Mangelnde Begrünung alleine ist – ganz abgesehen vom Straßenbild – in Zeiten immer heißerer Sommer ein Problem. Kurzum: Eine grundlegende Umgestaltung war lange angelegt und war auch von den Grünen im Bezirk mit Nachdruck gefordert worden.

Leute spazieren auf der Argentinierstraße neben dem Radiokulturhaus
Argentinierstraße beim ORF-Funkhaus (Foto: 2023)

Der Umgestaltung ging ein Bürgerbeteiligungsverfahren voran. Rund 2.500 Personen beteiligten sich an der Abstimmung über mögliche Varianten. [1] Zwei Varianten standen zur Abstimmung. Die Befragten „sprachen sich mit 85,5 Prozent deutlich für Variante B (…) aus, den Gestaltungsvorschlag mit der Fahrradstraße. Variante A (…) mit einem 2-Richtungs-Radweg erhielt 14,5 Prozent der abgegebenen Stimmen.“[2]

Straße, Autos, Häuser, Bäume
St.-Elisabeth-Platz mit schmalem Radweg - vor dem Umbau (Foto: 2023)

Umgebaut wurde auf der ganzen Länge von 1,3 Kilometern.[2] Auch Teile des St.-Elisabeth-Platzes, der die Straße in zwei Hälften teilt, wurden umgestaltet.

Sankt-Elisabeth-Platz - vor dem Umbau (Foto: 2023)

Als wichtige Sichtachse vom Gürtel in den 4. Bezirk hinein war die Argentinierstraße lange Zeit wenig attraktiv. Viele Parkplätze und fehlende Begrünung kennzeichneten den südlichen Abschnitt (Fotos unten).

Argentinierstraße
Argentinierstraße/Weyringergasse - vor dem Umbau (Foto: 2023)
Argentinierstraße, Kirche, Autos
Argentinierstraße beim Wiedner Gürtel - vor dem Umbau (Foto: 2023)

Was ist neu?

2024 wurde umgebaut. Der zentrale Aspekt: Der schmale baulich ausgeführte Radweg wurde entfernt und eine für Pkw und Fahrräder gemeinsam zu nutzende Fahrbahn eingerichtet. Dazu wurden Einbahnen umgedreht, um den Pkw-Transitverkehr wegzubekommen.[3] Bei dem aus den Niederlanden bekannte Konzept der Fahrradstraße ließ sich die Stadt Wien von einem dortigen Stadtplaner, Sjors van Duren, beraten.[2] Bereits vor dem Bau wurde die Argentinierstraße mit dem VCÖ-Mobilitätspreis prämiert.[8]

Umgesetzt wurde die Umgestaltung unter Bezirksvorsteherin Lea Halbwidl und Stadträtin Ulli Sima (beide SPÖ).

Bauarbeiten auf einer Straße
zwischen Goldegggasse und St.-Elisabeth-Platz (Foto: 2024)

Auffälligste Neuerung ist die rot eingefärbte Fahrbahn, die erhöhte Aufmerksamkeit schaffen soll. Das Konzept wurde aus den Niederlanden übernommen, wo Radwege und Fahrradstraßen rot gekennzeichnet sind. Mit der Schaffung der Fahrradstraße wurde die Argentinierstraße zu einem Teil des neun Kilometer langen „Radhighway Süd“.[1] Das planende Büro Rosinak & Partner:

Ein Fahrbahnverschwenk und querliegende Pflasterbänder sollen die Geschwindigkeit von Kfz und Radfahrenden in neuralgischen Abschnitten reduzieren. Geänderte Einbahnregelungen verringern den Kfz-Verkehr. Durch eine großzügige Gestaltung der Randzonen – mit Baumpflanzungen und Aufenthaltsbereichen – wird die Argentinierstraße auch für Fußgänger*innen attraktiver. [5]

Fahrradstraße in Wien
nahe Karlsplatz (Foto: 2025)

Die Argentinierstraße ist nicht nur zur Fahrradstraße geworden, sie wurde auch begrünt. 70 neue Bäume und 50 Hochstammsträucher wurden gepflanzt. Etwa 1.300 Quadratmeter Asphalt wurde durch Grünflächen, 1.500 Quadratmeter durch helle Pflasterung ersetzt.[1] Bei den Grünflächen handelt es sich, wie in Wien inzwischen üblich, um Schotterbeete mit Pflanzen.

Nicht alles lief dabei friktionsfrei. Direkt nach der Eröffnung des ersten Abschnitts (nahe Gürtel) gab es Probleme durch zu viel Autoverkehr, was die Nutzung durch Radfahrer erschwerte.[4] Im Nachhinein wurde noch eine Einbahn umgedreht, um die Durchfahrt für Kfz zu unterbinden.[6] „Durch die Wegnahme der eigenen Rechts-Abbiegespur auf der Favoritenstraße in die Schelleingasse soll das Verkehrsaufkommen von Autos in Richtung Argentinierstraße ebenso reduziert werden. Für Anwohnende soll das Einbiegen in die Schelleingasse zur Zu- oder Abfahrt möglich bleiben“, wie meinbezirk.at 2024 berichtete, nachdem die Grünen im Bezirk Kritik an der Verkehrsführung geübt hatten.[7]

Deutlich zeigt sich der Umbau auch um die St.-Elisabeth-Kirche. Der schmale Radweg am Rand des Platzes wurde entfernt und eine großzügige Fläche für den gemischten Kfz- und Radverkehr geschaffen. Die Belvederegasse wurde unterbrochen, was den Kfz-Verkehr reduziert hat. Der freigewordene Platz wurde für den Bau eines Kinderspielplatzes und für Begrünung herangezogen. [2]

Neue Flächenaufteilung

Die Verkehrsorganisation und Verteilung der Flächen haben sich mit dem Umbau merklich verändert. Die gemeinsam von Kfz und Radverkehr genutzte Fahrbahn steht im Mittelpunkt, die Flächen für Fußgänger wurden umgestaltet und erweitert. Durch den verringerten Kfz-Verkehr und den Entfall des Niveauunterschieds zwischen Fahrbahn und Gehsteigen ist das Queren der Straße nun einfacher und barrierefreier möglich.

Neuer Bodenbelag

In Wien ist man Gehsteige aus grauem Asphalt gewöhnt. Die Probleme dabei: die Aufheizung im Sommer, die unattraktive Ästhetik und die Tendenz zum Flickenteppich (Asphalt muss bei Bauarbeiten stets aufgestemmt werden). Erfreulicherweise ist man in der Argentinierstraße, wie zuvor in der Zollergasse, einen anderen Weg gegangen. Teile des Gehsteigs wurden hell gepflastert, einschließlich eines sich wiederholenden Musters. Die Parkplätze wurden mit großen Pflastersteinen ausgeführt.

gepflasterter Gehsteig, Baum, Straße, Mauer, Park
neue Pflasterung neben dem Anton-Benya-Park (Foto: 2025)

Bänke & co

Die Umfassungen der Baumscheiben und die Sitzgelegenheiten machen ebenfalls einen freundlichen Eindruck. Unverständlich bleiben etliche Sitzbänke ohne Rückenlehne, die einen längeren Aufenthalt weniger angenehm machen.

Baum in einer runden Baumscheibe an einer Ecke
neue Baumscheibe, Sitze und Pflasterung am Sankt-Elisabeth-Platz (Foto: 2025)

(Zu) viele Parkplätze

An etlichen Stellen wurde im Rahmen der Umgestaltung Parkplätze reduziert – aber nicht überall. Zwar ist die Argentinierstraße breit genug, sodass sich unangenehme Engstellen für Fußgänger vermeiden lassen. Aber ein großstädtischer Boulevardcharakter kommt durch die vielen abgestellten Fahrzeuge nicht recht auf. Zudem sind Radfahrer der Gefahr plötzlich aufgerissener Autotüren ausgesetzt. Aufgrund der breiten Fahrbahn verringert sich die Wahrscheinlichkeit für „Dooring“ aber sicherlich erheblich (etwa im Vergleich zum Radfahren gegen Einbahnen).

Als Alternative zu den Parkplätzen hätten Halte- und Ladeplätze eingerichtet werden können, ebenso Parkplätze für behinderte Personen. Hätten durch den damit gewonnenen Platz weitere Bäume gepflanzt werden können?

Wieder viel Asphalt

Asphalt ist eine Konstante in Wien. Dass auch bei Umgestaltungen immer wieder weite Gehsteigflächen asphaltiert werden, ist angesichts der Werbung der Stadtregierung („Raus aus dem Asphalt“) nicht recht nachvollziehbar. Anders als in anderen Städten (Beispiele hier) schafft man es in Wien nicht, einheitlich hochwertig zu pflastern.

Fade Straßenlaternen

Eines vorweg: Die öffentliche Beleuchtung funktioniert in der Argentinierstraße hervorragend. Wer aber nicht nur nach der Funktion, sondern auch nach der Form Ausschau hält, wird vielleicht ein wenig enttäuscht. So wurden trotz Lage in der Pufferzone des UNESCO-Weltkulturerbes belanglose neue Laternen aufgestellt. In anderen Städten, teils auch in Wien, finden sich attraktivere und ans historische Umfeld angepasstere Modelle (siehe hier).

So hat sich die Argentinierstraße verändert

Die folgende Fotostrecke beginnt bei der Karlskirche und endet am Gürtel.

Karlsplatz bis Taubstummengasse

Taubstummengasse bis Plößlgasse

Plößlgasse bis Sankt-Elisabeth-Platz

Sankt-Elisabeth-Platz

Sankt-Elisabeth-Platz bis Wiedner Gürtel

Kontakte zu Stadt & Politik

Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Sitze in der Bezirksvertretung im Jahr 2025

+43 1 4000 81261
 
Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im Jahr 2025.

Quellen

WienSchauen.at ist eine unabhängige, nicht-kommerzielle und ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzierte Webseite, die von Georg Scherer betrieben wird. Ich schreibe hier seit 2018 über das alte und neue Wien, über Architektur, Ästhetik und den öffentlichen Raum. WienSchauen hat auch einen Newsletter:

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