Historische Kliniken: AKH beantragt Abriss!

Es ist beschämend für die Kulturmetropole Wien: Jahrelang sind die beiden historischen AKH-Kliniken verfallen. Jetzt sucht das AKH sogar um Abriss an. Werden die Behörden den Abriss genehmigen, obwohl erst 2018 das Gesetz zum Schutz historischer Gebäude verschärft wurde?

Hinweis: Der Abriss der in diesem Artikel erwähnten I. Medizinischen Klinik hat im April 2020 begonnen. Alle Infos dazu gibt es hier.

historische I. Medizinische Klinik (Architekt: Emil Förster), daneben AKH-Bettentürme
Soll abgerissen werden: 1. Medizinische Klinik

2006: Rüge für AKH wegen schlechten Bauzustandes

Alle alten Gebäude müssen irgendwann renoviert werden. Das ist bei den historischen AKH-Kliniken nicht anders. Jedoch drängt sich der Eindruck auf, als würde seit zumindest einem Jahrzehnt nicht nur nicht renoviert, sondern scheinbar gezielt auf einen Abriss hingearbeitet. Im Laufe der Zeit haben sich schon zahlreiche Schäden angehäuft (siehe auch: AKH-Kliniken verfallen, Rettet die Kliniken).

Bereits 2006 wies ein Bericht des Kontrollamts (seit 2014: „Stadtrechnungshof“) auf den problematischen Bauzustand einer der beiden Kliniken hin. Im Prüfbericht wird kritisiert, dass „das Gebäude (…) auf Grund mangelnder Erhaltung (…) einen optisch äußerst ungepflegten Zustand vermittelte. So waren an der Fassade Risse und erhebliche Verputzabplatzungen festzustellen. (…) Ferner wurden im Rahmen der Begehung Feuchtigkeitsschäden an den Außenwänden festgestellt. Bei den Fenstern des gesamten Gebäudes wurden Instandsetzungsmaßnahmen verabsäumt (…)“

Das Kontrollamt – übrigens eine weisungsfreie Behörde – merkt an, „dass die in den letzten Jahren durchgeführten Reparaturmaßnahmen (…) keinesfalls geeignet waren, die Baulichkeit in einem einwandfreien Zustand zu erhalten.“ Der schlechte Bauzustand sei sogar schon im Jahr 1989 auffällig gewesen.

Wie kann es sein, dass bereits solche Mängel vorhanden waren, AKH und Baupolizei aber nie eingeschritten sind und umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt haben?

ehemalige Kinderklinik des Wiener AKH, Architekt: Emil Förster
Kinderklinik: Jahrelanger Verfall, noch teilweise genutzt, Abriss geplant

2012: Abriss in Planung, Verfall geht weiter

Der nächste große Schritt in Richtung Abriss erfolgte 2012, als die Stadt den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für das AKH änderte. Der bis heute gültige Bebauungsplan sieht weder eine Schutzzone gegen Abrisse noch den Erhalt der Kliniken vor.

Im Erläuterungsbericht zur Flächenwidmung ist vom „schlechten Bauzustand“ und einem geplanten Abriss beider Kliniken zu lesen. So forderte auch die Initiative Denkmalschutz Bezirk und Gemeinderat dazu auf, der „Abbruchwidmung“ nicht zuzustimmen – vergeblich.

Auch 2012 und in den Folgejahren wurden größere Reparaturen augenscheinlich nicht getätigt. Der langsame Verfall konnte weitergehen – obwohl die Wiener Bauordnung eine Erhaltungspflicht vorsieht: „Der Eigentümer hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden.“

ehemalige Kinderklinik des Wiener AKH, Architekt: Emil Förster, Baujahr 1913
Kinderklinik: Jahrelanger Verfall, noch teilweise genutzt, Abriss geplant

2019: Wird die Baupolizei einschreiten?

In Anbetracht der bereits vor über zehn Jahren festgestellten und schon Ende der 1980er auffälligen Schäden fragt es sich, warum nicht schon längst umfangreiche Reparaturen durchgeführt wurden. Warum sind AKH und Baupolizei in den mittlerweile dreißig Jahren nicht eingeschritten? Warum durften die Gebäude langsam dem Verfall preisgeben werden?

Der Verfasser dieses Artikels hat sich Anfang Februar mit Hinweisen auf den Gebäudezustand an die Baupolizei gewandt. Jedoch waren selbst Wochen später die vielen Schäden immer noch nicht ansatzweise repariert. Eine über 100 Fotoaufnahmen umfassende Dokumentation sämtlicher schadhafter Fassadenfronten ist im März an die Baupolizei gegangen. Bis heute – 7.4. – sind immer noch keine Sanierungsmaßnahmen zu erkennen.

Stadt muss Verfall und Abriss stoppen!

Heute sind die wohl letzten Werke des berühmten Ringstraßen-Architekten Emil von Förster (1838-1909) gefährdeter als je zuvor. Ein Gebäude soll noch heuer, ein weiteres in den nächsten Jahren abgebrochen werden. Ein Abrissansuchen wurde bereits gestellt. Jedoch gilt seit 2018 eine strengere Bauordnung: Mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und FPÖ wurde beschlossen, dass schützenswerte und original erhaltene Gebäude, die vor 1945 errichtet wurden, nicht mehr abgerissen werden dürfen.

Vor diesem Hintergrund ist eine Abrissgenehmigung für die Kliniken kaum denkbar. Immerhin haben die Gebäude sogar Eingang in die Fachliteratur (dort u.a. auf S. 50-53, 245, 252f.) gefunden. Sogar ein Buch ist bereits dazu erschienen.

Über Abriss vs. Erhalt entscheidet jetzt die Magistratsabteilung 19, die zur Geschäftsgruppe für Stadtentwicklung gehört.

I. Medizinische Klinik, AKH Wien, Architekt Emil Förster, Alsergrund (9. Bezirk)
1. Medizinische Klinik: Erst jahrelanger Verfall, jetzt Abrissansuchen gestellt

Verfall bis zur Abbruchreife?

„Es ist ein Widerspruch“, schreibt die Journalistin Rosa Winkler-Hermaden im Standard. „Auf der einen Seite hat sich die Stadt Wien vorgenommen, historische Gebäude zu schützen, und deshalb 2018 eine Novelle der Bauordnung beschlossen (…) Auf der anderen Seite lässt sie historische Kliniken auf dem Areal des AKH in Wien seit Jahren verfallen – mit dem offensichtlichen Ziel, einen Zustand der Gebäude zu erreichen, der sie nicht mehr erhaltenswert macht.“

„Letzteres Verhalten ist genau das, was privaten Immobilienspekulanten vorgeworfen wird: dass sie ihre Gebäude so lange vergammeln lassen, bis es keinen anderen Ausweg mehr gibt, als mit der Abrissbirne zu kommen“, so Winkler-Hermaden weiter.

Auch die NEOS haben auf den Fall reagiert: Stadtplanungssprecher Stefan Gara regte kürzlich einen Erhalt der Kliniken und einen Umbau zu Büros an. Dass eine Umnutzung in jedem Fall ein gangbarer Weg ist, wird anhand der ehemaligen AKH-Frauenkliniken deutlich: Diese alten Kliniken liegen direkt neben den jetzt gefährdeten Gebäuden und werden seit einer umfassenden Sanierung und Adaptierung u.a. von der Medizinischen Universität Wien genutzt.

ehemalige Kinderklinik des Wiener AKH, erbaut 1911-1913, Architekt: Emil Förster
Kinderklinik: Jahrelanger Verfall, Abriss geplant

Alt und Neu lassen sich verbinden!

Anstelle der 1. Medizinischen Klinik, für die noch 2019 der Abriss geplant ist, soll ein Forschungsgebäude für die Medizinische Universität Wien errichten werden. Warum dafür aber der Altbau abgerissen werden soll, ist unklar. Spitzenforschung ist auch in historischen Gebäuden einwandfrei möglich, wie folgende Beispiele belegen:

Warum soll also ein Umbau der historischen AKH-Kliniken nicht auch möglich sein? Oder will die lebenswerteste Stadt der Welt ihr reiches baukulturelle Erbe einfach verfallen lassen und wegreißen? Die Stadtregierung hat es in der Hand.

Beispiele: Forschung, Spitäler und Unis in alten Gebäuden

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Vizebürgermeisterin und Stadträtin Kathrin Gaál untersteht die Geschäftsgruppe Wohnen. Zu dieser gehören u. a. die Baupolizei (kontrolliert die Einhaltung der Bauvorschriften u. dgl.), Wiener Wohnen (Gemeindewohnungen) und der Wohnfonds (Fonds für Neubau und Sanierung).

(Die Reihung der Parteien orientiert sich an der Anzahl der Mandate im November 2020.)